Der Fall Niemöller
Hauptverursacher eines falschen Elser-Bildes
Jahrelang haben der schwäbische Schreiner Georg Elser und der westfälische Pastor Martin Niemöller das gleiche Schicksal geteilt. Beide waren sie Häftlinge in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau. Am Ende der braunen Gewaltherrschaft wurde Elser ermordet. Niemöller überlebte die Lagerhölle und spielte eine herausragende Rolle in der Bundesrepublik Deutschland. Was er aber der Öffentlichkeit - sicherlich in gutem Glauben - über seinen toten Mithäftling mitteilte, trug wesentlich zu einem falschen, verzerrten Bild dieses Widerstandskämpfers bei.
VON ULRICH RENZ (2002)
Gleich nach dem Attentatsversuch vom 8. November 1939 entstand ein ganzer Sumpf von Gerüchten, Spekulationen, Verleumdungen, Verdächtigungen und Desinformationen, der sich im Laufe der Jahre stetig ausbreitete und dessen Dunstschwaden auf Jahrzehnte das Bild des Täters verdunkelten. Nur sehr mühsam setzte sich dagegen die Erkenntnis durch, dass Georg Elser ganz allein und aus eigenem Antrieb versuchte hatte, an jenem Tag den Diktator Adolf Hitler bei der traditionellen Ansprache vor "Alten Kämpfern" im Münchener Bürgerbräukeller in die Luft zu sprengen. Was dann geschah, ist bekannt: Völlig überraschend verließ Hitler 13 Minuten vor der Explosion den Saal, um mit dem Sonderzug nach Berlin zurückzukehren. Elser wurde an der Schweizer Grenze in Konstanz gefasst, nach Verhören und Folterungen ins KZ gesperrt und am 9. April 1945 in Dachau erschossen.
Elsers Nachruhm hatte darunter zu leiden, dass sich kaum jemand vorstellen konnte und wollte, er ganz allein habe dem Tyrannen so unbeirrt und wohlüberlegt nach dem Leben getrachtet. Zwar kamen hohe Kriminalbeamte relativ rasch zum Schluss, er sei tatsächlich Alleintäter gewesen, Hitler und seine Umgebung aber wollten davon nichts wissen und machten unverzüglich den englischen Geheimdienst verantwortlich. Daneben wucherte das Gerücht, die Nationalsozialisten selbst hätten die Tat inszeniert. Unter anderem wurde unterstellt, auf diese Weise habe demonstriert werden sollen, wie sehr die "Vorsehung" über den Führer wache. Auf jeden Fall traf zu, was der Historiker Anton Hoch später im Buch "Georg Elser: Der Attentäter aus dem Volke" einleitend schrieb: "Im Zweiten Weltkrieg flüsterte man sich in Deutschland zu, es habe bei dem Attentat auf Hitler im Bürgerbräukeller 1939 neben den Toten und Verletzten 60 Millionen Verkohlte gegeben. Dies sollte zum Ausdruck bringen, was von der offiziellen Lesart der deutschen Propaganda zu halten sei, die das Attentat bekanntlich dem britischen Intelligence Service und Otto Strasser 1 in die Schuhe geschoben hatte. Auch nach dem Kriege überwog die Meinung, es habe sich um eine von der nationalsozialistischen Führung bestellte Arbeit gehandelt."
Martin Niemöller |
Und dieser Einschätzung verlieh ein Mann von Rang und Ansehen des prominenten protestantischen Geistlichen Martin Niemöller besonderes Gewicht. Zu Beginn des Jahres 1946 verkündete er in einer Rede vor Studenten in Göttingen, sein Mithäftling Elser sei in Wahrheit Angehöriger der SS und 1939 ein Werkzeug Hitlers gewesen. Der Pastor bekräftigte diese Meinung danach noch, auf beschwörende, flehende Briefe von Elsers Mutter hin. Ein lange nachhallendes Urteil über den Attentäter war gesprochen. Und zwar von einer Instanz mit hoher Integrität. Schon ein kurzer Blick auf das Leben des unbeugsamen, streitbaren Gottesmannes macht deutlich, welches Gewicht seine Worte haben mussten. Martin Niemöller wurde 1892 als Sohn eines Pfarrers im westfälischen Lippstadt geboren. 1910 trat er als Seekadett in die kaiserliche Marine ein und brachte es im Ersten Weltkrieg zum Kommandanten eines U-Bootes. Nach dem Krieg studierte er Theologie, war in der Inneren Mission tätig und wurde 1931 Gemeindepfarrer im vornehmen Berliner Stadtteil Dahlem.
Der mitreißende Prediger war stets auch ein ausgesprochen politischer Kopf, der vor 1933 Nationalsozialisten wählte. Sein Biograf Matthias Schreiber stellte fest, Niemöllers 1934 erschienenes Buch "Vom U-Boot zur Kanzel" sei "mit Vorurteilen antikommunistischer, antiliberaler und antidemokratischer Couleur" gespickt. Doch dieser Geistliche entwickelte sich im Laufe der Zeit zur Symbolfigur des kirchlichen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Seine Gegnerschaft galt zunächst den "Deutschen Christen", die die weitgehende äußere und innere Gleichschaltung mit dem Nationalsozialismus propagierten. Biograf Schreiber urteilt: Bei aller Hoffnung, die er in die neue Bewegung gesetzt habe, "zwischen Christentum und Nationalsozialismus lagen für ihn Welten. Für ihn hatte die Kirche Jesu Christi einzig und allein auf das Wort Gottes zu hören."
Beim folgenden Kirchenkampf engagierte sich Niemöller auf Seiten der Opposition und wurde Vorsitzender des sogenannten Pfarrernotbundes. Diese Gruppierung schloss sich im Frühjahr 1934 mit Bischöfen, die nicht zu den "Deutschen Christen" gehörten, zur "Bekennenden Kirche" zusammen. In den Bruderrat dieser oppositionellen Bewegung wurde auch Niemöller berufen.
Im Januar 1934 lieferten sich Niemöller und Hitler, bei einem Treffen führender kirchlicher Persönlichkeiten mit dem Diktator, einen scharfen Wortwechsel, den der Pastor dann 1946 in seiner Göttinger Rede ebenfalls erwähnte. 1936 war er Mitunterzeichner einer Denkschrift an Adolf Hitler, in der zentrale Prinzipien des Regimes missbilligt wurden. Der Pfarrer in Dahlem prangerte zudem vor allem in seinen Predigten Übergriffe der Nationalsozialisten auf die Kirche an. Das Regime schlug mit Vorladungen zur Gestapo, mit Predigt- und Reiseverboten zurück. 1937 wurde er verhaftet und 1938 schließlich in Berlin vor ein Sondergericht gestellt. Vorgeworfen wurde ihm unter anderem, er habe sich in Predigten, in Ausübung seines Amtes kritisch über die NSDAP und die "Deutschen Christen" geäußert. Das Urteil, auch wegen Verletzung des sogenannten Kanzelparagraphen, lautete auf sieben Monate Festungshaft und eine Geldstrafe. Der milde Richterspruch löste einen Wutanfall Hitlers aus, und der Diktator ließ Niemöller als "persönlichen Gefangenen des Führers" ins KZ Sachsenhausen (Oranienburg) einweisen. 1941 wurde der Pastor nach Dachau verlegt und am Kriegsende von amerikanischen Soldaten befreit.
Zuletzt hatte ihn die SS zusammen mit anderen "Sonderhäftlingen" noch auf eine bizarre Irrfahrt in Richtung Italien gezwungen. Zu dieser Gruppe gehörten, neben vielen anderen, drei deutsche Generäle, die als Mitwisser des Anschlags vom 20. Juli 1944 galten, der ehemalige österreichische Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg, die Kabarettistin und spätere Ordensschwester Isa Vermehren und zwei Männer, die eine merkwürdige Beziehung zum Fall Elser hatten: Die britischen Geheimdienstoffiziere Payne Best und R.H. Stevens. Sie waren einen Tag nach dem Münchener Attentat vom deutschen SD-Auslandsgeheimdienst in den Niederlande in eine Falle gelockt und mit Waffengewalt nach Deutschland verschleppt worden. Diese von langer Hand geplante Entführung ging als "Zwischenfall von Venlo" in die Geschichte ein. Dass der kriminelle Akt mit der Explosion im Bürgerbräukeller, sachlich völlig unbegründet, in einen Topf geworfen wurde, hatte lang andauernde Nachwirkungen.
Denn prompt wurden die beiden Briten von den Nazis als "Hintermänner" des Attentats im Bürgerbräukeller bezeichnet und als "Zeugen" dafür benannt, dass der Secret Service hinter dem Anschlag auf Hitler gesteckt habe. Vor allem Best sollte später ebenfalls, mit Nachdruck, die Ansicht verbreiten, dass Georg Elser ein Werkzeug der Nazis gewesen sei. Elsers Biograf Hellmut G. Haasis erklärt: "Best schrieb stark erfundene bis großmäulige Memoiren, sehr auf Elsers Kosten."
Nach der Befreiung wurde Niemöller unverzüglich und mit altem Elan wieder in der Kirche aktiv. Er wurde Stellvertretender Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und leitete das Kirchliche Außenamt. Der Mann, der spätestens durch seine KZ-Haft zu einem Symbol des Widerstandes gegen Hitler in der Welt geworden war, bemühte sich auf vielen Reisen um allererste Ansätze für eine Normalisierung des Verhältnisses zwischen seiner Kirche und denen anderer Länder. Vor allem aber gehörte er zu den Mitunterzeichnern des "Stuttgarter Schuldbekenntnisses" vom 19. Oktober 1945, in die der Rat der EKD auf Niemöllers Drängen auch den Satz aufnahm: "Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden."
In zahlreichen Reden und Predigten, in Kirchen und Universitäten, rechtfertigte Niemöller danach unverdrossen dieses Bekenntnis, das in der deutschen Öffentlichkeit Unmut und Entrüstung auslöste. Es war dann auch Thema seiner Göttinger Rede, der ähnliche Äußerungen in Erlangen und anderswo folgten. 1946 sprach er oft zwei- bis dreimal am Tag in verschiedenen Gemeinden, wie Hartmut Ludwig, Dozent für Kirchengeschichte an der Berliner Humboldt-Universität, berichtet. Die Texte hätten die gleiche Grundstrukturen gehabt, kein Text habe aber dem anderen wirklich geglichen. Viele davon seien der damaligen Zeit entsprechend nur als Manuskriptdruck, in Flugblatt-Form oder als Mit- und Abschriften erhalten und von Hand zu Hand weitergegeben worden.
Niemöller, der auch immer wieder politisch Stellung bezog, sich gegen die deutsche Wiederbewaffnung wandte und 1949 demonstrativ die erste Bundestagswahl - weil dadurch die deutsche Teilung festgeschrieben werde - boykottierte, war bis ins hohe Alter in kirchlichen und politischen Friedensorganisationen tätig und unternahm Aufsehen erregende Reisen in die DDR und die Sowjetunion. Von 1947 bis 1964 war er Kirchenpräsident von Hessen und Nassau, 1961 wurde er einer der sechs Präsidenten des Ökumenischen Rates der Kirchen. 1984 starb er in Wiesbaden.
Schon bald nach dem Zusammenbruch des braunen Gewaltregimes wurde mit einigem Getöse verbreitet, was vorher eher geflüstert worden war und was dann auf lange Zeit das Bild bestimmten sollte, das sich die Öffentlichkeit von Georg Elser machte: Dass "das Attentat auf Anstiftung von Funktionären der NSDAP begangen" worden sei und sich diese Drahtzieher des angeblichen SS-Mannes aus Königsbronn bedient hätten, wie einer dieser Zeitzeugen aussagte. Oder wie es im Jahre 1946 in einer Zeitungsüberschrift lapidar hieß: "Hitler befahl Münchener Attentat." Zwar gab es auch in den ersten Nachkriegsjahren mitunter schon Stimmen, die auf die Alleintäterschaft Elsers pochten, doch konnten sie sich nicht gegen den Chor der Verfechter einer inszenierten Tat durchsetzen.
Am hartnäckigsten waren dabei Lagergerüchte aus Dachau, die als gesicherte Wahrheit ausgegeben wurden. Es meldeten sich einstige Mithäftlinge Elsers und auch ein ehemaliger Angehöriger der SS-Wachmannschaft 2, die mit Bestimmheit ihre Thesen verkündeten. So beschrieb Isa Vermehren in ihrem Buch "Reise durch den letzten Akt", das zuerst 1946 erschien und noch 1999 unverändert neu aufgelegt wurde, was ihr ein Dachauer Häftling anvertraut habe: "Er erzählte mir unter anderem die Geschichte von Elser: Herr Tischlermeister Elser aus München hatte sich im Jahre 1939 bereit erklärt, gegen eine Bestechungssumme von vierzigtausend Mark die Zeitbombe im Bürgerbräukeiler unterzubringen. Kaum hatte man der Öffentlichkeit den britischen Secret Service als Schuldigen genannt, als auch schon Herr Elser im Sachsenhausener Sonderbau eingewiesen wurde, wo ihm zwei Zellen zur Verfügung standen. In der einen stand ein weiches Bett und in der anderen eine Hobelbank. Er bekam Sonderrationen im Essen, Trinken und Rauchen und lebte soweit gut, aber in vollkommener Isoliertheit. Selbst zur Toilette wurde er von zwei Wachen begleitet, nachdem vorher durch ein Kommando die Flure frei gemacht waren. Im März 1945 wurde er nach Dachau gebracht, wo ihm die gleichen Vergünstigungen eingeräumt waren mit Hobelbank und allem, nur dass er den Vorzug der Evakuation nicht weiter genossen hat als bis 'hinter die große Mauer', wo er am 26. April erschossen wurde."
Vor allem Martin Niemöller aber ließ aufhorchen, als er in den ersten Reden
über das Stuttgarter Schuldbekenntnis ebenfalls von Hitlers Werkzeug Georg Elser sprach.
Martin Niemöller: SS-Unterscharführer Georg Elser
Hartmut Ludwig, der sich sehr intensiv mit Niemöller und der Schulddiskussion nach 1945 befasste, erläutert, warum der Pastor - scheinbar etwas unvermittelt - auf das Attentat von 1939 zu sprechen kam: Da er es für eine zynische Inszenierung der Nazis hielt, war es für ihn ein gutes Beispiel, um das Wesen der damaligen Machthaber zu charakterisieren.
Niemöller, so hebt Ludwig hervor, habe stets verschiedene Beispiele aneinander gereiht, um zu belegen, dass der Nationalsozialismus kein Ethos gehabt habe. Es seien ja schon Bemühungen im Gange gewesen, die allerjüngste Vergangenheit zu relativieren. "Es ging ihm also nicht explizit um Elser", erklärte Ludwig in einem Brief an die Königsbronner Gedenkstätte. Im übrigen sei der Pastor in den beiden Reden in unterschiedlicher Ausführlichkeit auf Georg Elser eingegangen. In weiteren Ansprachen des Pastors zur Schuldfrage, die Verdruss und Diffamierung erregt hätten, habe er den Attentäter nicht mehr erwähnt, "zumindest nach dem mir vorliegenden Material".
Niemöllers Äußerungen über Elser erreichten in jenem Jahr 1946 auch die Familie des Handwerkers aus Königsbronn. Und Anna Lober, die Schwester von Georg Elser, wandte sich im Auftrag ihrer Mutter Maria in zwei Briefen an den Kirchenmann. Niemöller antwortete auch und erhielt danach noch ein Schreiben aus Königsbronn.
Martin Niemöller: Briefwechsel mit Georg Elsers Mutter
Seinen damaligen Brief zitierte er im Jahre 1950 dann noch in einem Schreiben an den Generalstaatsanwalt in München, wo neue Ermittlungen um das Attentat vom Bürgerbräukeller eingeleitet worden waren. Der Jurist hatte den Geistlichen aufgefordert, er solle vor allem zu Protokoll geben, was er über den Tötungsbefehl im Fall Elsers wisse. Der Generalstaatsanwalt erläuterte: "Zur Aufklärung des Bürgerbrautattentats vom November 1939 ist ein Ermittlungsverfahren anhängig, das in erster Linie der historischen Wahrheit dienen soll." Das Schreiben des Pastors an den Generalstaatsanwalt enthält zunächst eine Wiederholung der wesentlichen Angaben aus seinem ursprünglichen Brief an Marie Elser. Danach folgen noch Ergänzungen, die die Ermordung Elsers betreffen.
Martin Niemöller: Angaben für die Münchener Ermittlungen
Während der gründlichen Münchener Ermittlungen, die der Untersuchungsrichter Nikolaus Naaff leitete, sagte Marie Elser übrigens im Juni 1950 aus, sie habe sich "in dieser Angelegenheit" nie an Niemöller gewandt. Anna Lober aber betonte dazu: "Auf Grund einer Zeitungsnotiz erfuhr ich anfangs 1946, dass Pastor Niemöller mit meinem Bruder in Dachau zusammen gewesen ist. Ich habe dann im Auftrag meiner Mutter an Pastor Niemöller geschrieben und ihn um Auskunft über das Schicksal meines Bruders gebeten. Wir erhielten auf dieses Schreiben von Pastor Niemöller auch Antwort. Ich habe dies meiner Mutter auch mitgeteilt, sie weiß das jetzt vielleicht nicht mehr." Diese Aussage wurde von Annas Bruder Leonhard bestätigt. Maria Elser starb 1960 im Alter von 80 Jahren.
Allerdings erwähnte Niemöller die angebliche Zugehörigkeit Elsers zur SS nicht mehr, als er im Jahre 1951 während der Münchener Ermittlungen vernommen wurde. Er sagte nur: "Zum Fall Elser habe ich Folgendes zu sagen: Ich wusste bereits während meiner Haft in Sachsenhausen, dass der Attentäter vom Bürgerbräukeller im Bunker gefangen gehalten wurde. Gesehen habe ich ihn dort nicht. Ende 1944 oder Anfang 1945 kam Elser in den Kommandanturarrest nach Dachau, er erhielt aber eine Zelle am entgegengesetzten Ende, abgesperrt vom übrigen K.A.-Gebäude durch eine eiserne Tür im Flur. Wir haben Elser normalerweise nicht zu Gesicht bekommen. Ich habe einmal im Wachzimmer einige Minuten neben ihm gestanden und er hat mir von seiner Frau 3 erzählt, dass sie mich aus meinem Buch kenne. Erst hinterher habe ich erfahren, dass es Elser gewesen war, der mit mir sprach."
Über die Antwort des Kirchenmannes an die Mutter Elser urteilten später Peter Steinbach und Johannes Tuchel, die Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin: "Mit anderen Worten: Niemöller gab nur Lagerklatsch wieder." Bei seiner Vernehmung im Jahre 1951 drückte er sich viel vorsichtiger aus, doch offensichtlich bedeutete dies nicht, dass er seine Ansicht wesentlich geändert hätte. Steinbach und Tuchel schrieben jedenfalls im Nov. 1999 in der "Zeit" weiter, selbst nachdem die Historiker Anton Hoch und Lothar Gruchmann in den 60er Jahren die grundlegenden Quellen zu Elser veröffentlich hätten, habe Niemöller "seine alten Geschichten" wiederholt. Noch im Mai 1971 gestehe er zwar, Elser "kaum" gesprochen zu haben, aus der Behandlung dieses Häftlings durch die SS habe er aber geschlossen, dass man ihn als "guten Kameraden" betrachtet habe. Und nach dieser Darstellung erklärte Niemöller weiter: "Meine Theorie: Das 'Attentat' war eine Dichtung, mit der man den Kampfeswillen des deutschen Volkes nach dem Ende des 'Polenfeldzuges' neu anheizen wollte...".
Irgendwie bleibt die Haltung des Pastors zu seinem ehemaligen Mitgefangenen rätselhaft.
1 | Siehe Schriftenreihe der Georg Elser Gedenkstätte Königsbronn, Band 1 |
2 | SS-Mann Walther Usslepp; siehe Schriftenreihe der Georg Elser Gedenkstätte Königsbronn, Band 2 |
3 | Mit dieser Frau war nach Darstellung von Haasis Elsa Härlen, die letzte Freundin des unverheirateten Georg Elser, gemeint |
Quelle: Ulrich Renz, Der Fall Niemöller. Ein Briefwechsel zwischen Georg Elsers Mutter und dem Kirchenpräsidenten., Schriftenreihe der Georg Elser Gedenkstätte Königsbronn Band 3, Königsbronn 2002, S. 3-9
Mit Georg Elser beschäftigt sich Renz, der heute in Karlsruhe lebt, bereits seit seiner Heidenheimer Zeit. In den 70er und 80er Jahren nutzte
er regelmäßig seine Möglichkeiten aus, um auf die Tat des schwäbischen Handwerkers hinzuweisen.
1997 sprach er auf Einladung der Gemeinde Königsbronn unter dem Thema Bekenntnisse eines Journalisten über Elser.
Daraus entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit, die auch in der
Schriftenreihe der Georg Elser Gedenkstätte Königsbronn
zum Ausdruck kommt. 2004 erhielt Renz, der seit 1999 Mitarbeiter der Gedenkstätte ist, für seine Verdienste um Elser die Königsbronner Gemeindeehrennadel.
2009 erschien seine kompakte, 124-seitige Elser-Biografie
Georg Elser - Ein Meister der Tat
als Band 7 in der Reihe "Prägende Köpfe aus dem Südwesten".
Heidenheimer Presse zum 80. Geburtstag von Ulrich Renz 2015 wurde Renz mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Weitere Schriften von Ulrich Renz im Internet:
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