Gisevius beim Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess über das Bürgerbräuattentat
Einmal war im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess auch von Georg Elser die Rede. Drei Sätze wurden ihm da gewidmet:
Ein Zeuge nannte ihn einen Kommunisten und einen tapferen Mann, doch der Name des Widerstandskämpfers aus Königsbronn wurde nicht erwähnt.
Die Alliierten, die in Nürnberg zu Gericht saßen, waren an der Aufklärung des Attentats vom 8. November 1939 im Münchner
"Bürgerbräukeller" nicht interessiert.
VON ULRICH RENZ (2013)
Hans Bernd Gisevius
beim Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess in Nürnberg
Der Zeuge, der damals aussagte, war jener Hans Bernd Gisevius, der einem bei der Beschäftigung mit Elser immer wieder begegnet.
Er betonte schon gleich nach dem Krieg, dass der Königsbronner ein Einzeltäter gewesen sei, und berief sich dabei vor allem
auf den einstigen Reichskriminaldirektor Arthur Nebe, mit dem er befreundet war.
Gisevius war eine schillernde und umstrittene Figur, doch gilt er als wichtiger Chronist des Widerstandes gegen Adolf Hitler
und vor allem des 20. Juli 1944. Den Aufstand und das Scheitern damals erlebte er aus unmittelbarer Nähe in Berlin, später
gelang ihm die Flucht in die Schweiz. In einem neuen Buch mit dem Titel "Stauffenbergs Gefährten" von Antje Vollmer und Lars-Broder Keil ist ihm ein
längeres, kritisches Kapitel gewidmet. Darin wird auch geschildert, wie er Elser "gegen die ursprünglichen eigenen Zweifel"
für den Einzeltäter hielt.
Gisevius war Mitarbeiter der von Admiral Wilhelm Canaris geleiteten Abwehr und von dieser als
Vizekonsul am deutschen Generalkonsulat nach Zürich geschickt worden. Der umtriebige Jurist gehörte selbst zu den Verschwörern
gegen Hitler und wollte beim Umsturzversuch vom Juli 1944 unbedingt vor Ort dabei sein.
In Nürnberg trat Gisevius als Entlastungszeuge für die Angeklagten Hjalmar Schacht und Wilhelm Frick auf. Der ehemalige
Reichsbankpräsident und Reichsminister Schacht wurde am Ende freigesprochen, der einstige Reichsinnenminister Frick zum
Tode verurteilt. Doch die Vernehmung von Gisevius wurde weit umfassender, der Widerstand gegen Hitler nahm breiten Raum ein.
Seine Aussage über die Opposition in der NS-Zeit wurde "für die Öffentlichkeit zur sensationellen Enthüllung",
wie der Schweizer Historiker Klaus Urner in seinem Buch "Der Schweizer Hitler-Attentäter" schreibt: "Davon,
dass es in Deutschland auch Leute gab, die gegen das Hitler-Regime gearbeitet hatten, wollte die amerikanische Besatzungsmacht
nichts wissen. Daher herrschte im Gerichtssaal größte Aufmerksamkeit, als Gisevius, soweit dies im Rahmen der Zeugeneinvernahme
möglich war, Putschpläne enthüllte, die die innere Opposition seit 1938 gegen Hitler geschmiedet hatte."
In diesem Zusammenhang kam am 114. Tag des Nürnberger Prozesses, am 25. April 1946, auch das Attentat in München zur Sprache.
Robert Jackson, Hauptankläger für die USA, befragte den Zeugen über die Verschwörung gegen Hitler, die zum Aufstand vom 20. Juli führte, und sagte dann:
"Es wurde noch ein weiterer Anschlag auf Hitlers Leben verübt, den Sie nicht erwähnt haben; gab es nicht eine Bombe, die,
wie sich später herausstellte, eine kommunistische Bombe war?"
Gisevius antwortete: "Das war am 9. November im Bürgerbräukeller in München. Es war ein tapferer kommunistischer Einzelgänger."
Mehr wurde über diese Tat nicht gesprochen. Gisevius hatte sich um einen Tag im Datum geirrt, und dass Elser Kommunist gewesen sei, ließ sich
später nicht mehr aufrecht erhalten. Die Königsbronner Georg Elser Gedenkstätte berichtet in Band 4 ihrer Schriftenreihe ("In der Sache Gisevius")
ausführlich über die Rolle von Gisevius im Fall "Bügerbräukeller" und zitiert dabei auch aus einem Brief von ihm aus dem Jahre 1948,
in dem es über diesen Anschlag und damit verbundene Ereignisse heißt: "Nebenbei bemerkt glaube ich, man hätte mehr Klarheit nach 45 schaffen können.
Aber keine der Besatzungsmächte erwies sich interessiert, gerade diese so aufschlussreichen Fälle näher zu untersuchen."
Gisevius, der immer wieder als Zeitzeuge auftrat, starb 1974.