Dr. Hans Bernd Gisevius war bereits 1938 in erste Attentats-pläne auf Hitler eingeweiht.
Er stand in direktem Kontakt zu Goerdeler, Oster, Beck, Canaris, Nebe, von Dohnanyi und vielen anderen Mitgliedern der Opposition
gegen Hitler.
Beim Bürgerbräuattentat erlangte er auf Grund seiner Freundschaft zu Arthur Nebe, dem Chef der deutschen
Kriminalpolizei, Einblicke aus erster Hand in die Ermittlungen.
Das Scheitern des 20. Juli 1944 erlebte Gisevius im Bendlerblock mit. Er tauchte anschließend unter
und konnte im Januar 1945 in die Schweiz flüchten.
1946 erschienen seine Erinnerungen "Bis zum bittern Ende", in denen er u.a. auch über die Alleintäter-schaft
Elsers berichtete.
1966 erschien sein Buch "Wo ist Nebe?" mit Erinnerungen an Arthur Nebe, der im März 1945 wegen
seiner Verwicklungen in den 20. Juli hingerichtet wurde.
9. November.
Völlig abredewidrig werde ich von Oster geweckt. Derweil ich mir verschlafen die Augen reibe,
höre ich etwas unwirklich seine Mitteilung: "Du, die haben gestern den Emil umlegen wollen."
Diese Neuigkeit elektrisiert mich. Sofort bin ich wach, während Oster in großen Zügen berichtet,
was er in den Morgenzeitungen gelesen hat. Gestern war die traditionelle Zusammenkunft im Münchener
Bürgerbräu anlässlich des braunen Gedenktages für die "Helden" des
9. November Hitler hat, wie üblich, gesprochen. Er war noch keine fünf Minuten fort, da
krachte eine Bombe, und unter mächtigem Getöse stürzte der Saal zusammen. Es gab sieben
Tote und dreiundsechzig Verletzte.
Oster, dieser Gemütsmensch, begnügt sich mit der kurzen Mitteilung um alsdann davonzurasen. Kaum dass er noch zwischen Tür und Angel meinen freundlichen Ratschlag mit auf die Reise nimmt, jetzt gäbe es nur eins, Himmler als Täter zu verhaften. [...]
10. November.
Helldorff schickt mir seinen Wagen. Ich bin aufs höchste gespannt und denke, nun werde ich unglaubliche Dinge zu hören bekommen. Statt dessen fragt mich dieser hohe Polizeiführer, ob ich eine Ahnung hätte, wo die Attentäter zu suchen seien. Nicht die kleinste Einzelheit über den Hergang der Tat kann mir der Berliner Polizeipräsident berichten.
Nebe habe ich leider nicht erreichen können. Er ist sicherlich nach München beordert worden, um an der kriminalistischen Spurensicherung mitzuwirken. Helldorff pflichtet meinen Überlegungen bei, die ich während der gestrigen Bahnfahrt angestellt habe, vor allem hinsichtlich der Schlussfolgerungen, die ich für unumgänglich halte. Was ich gestern als erste Reaktion Oster zurief, hat sich in mir mittlerweile zum System verdichtet: Himmler, tunlichst auch Göring, müssen wegen dringenden Tatverdachts verhaftet werden. Wer weiß, wie wenig Stunden uns noch gelassen werden, einem Schlag der SS zuvorzukommen.
In Oster vibriert die ganze Nervosität, in der er gestern abend seinen Laden vorgefunden hat. Alles munkelt, tuschelt, konspiriert. Niemand weiß etwas Richtiges - draußen wird man sich in diesem Augenblick unter der deutschen Abwehr etwas anderes vorstellen. Wenn doch nicht der Hauptteil unserer Abwehr in der Tarnung vor den eigenen Nazis bestehen müsste!
Oster weiß Unerfreuliches zu berichten. So ist bereits ein Offizier verhaftet, auch hat unser unruhig gewordener Admiral zu verstärkter Vorsicht gemahnt, was mich zu der Schnoddrigkeit verleitet, wir würden uns noch so lange tarnen, bis wir uns allesamt in Himmlers Geheimverliesen wiederfänden. Daran schließe ich die Mitteilung, ich würde meinerseits an Halder schreiben. Gleich mache ich mich an das Diktat, das sich bis gegen Mittag hinzieht.
Ich schreibe so etwas wie eine kleine kriminalistische Studie über den Münchener Anschlag - soweit das bei den spärlichen Presseberichten möglich ist. Dabei stelle ich drei Tatsachen in den Vordergrund. Erstens haben Himmler und Göring in der fraglichen Versammlung gefehlt. Sonst waren sie bei dieser "historischen" Kundgebung stets zugegen. Zweitens muss von vornherein etwas nicht gestimmt haben. Alle Ohrenzeugen der Radioübertragung stimmen darin überein, Hitler habe abrupt die Rede abgebrochen, und zwar in der ersten Phase seiner weitschweifigen Rhetorik, so dass sich auch Unbeteiligte nach dem Grund dieser Hast fragten. Die dritte Überlegung ist die schwerwiegendste. So viel haben wir mittlerweile alle über ein Attentat nachgedacht, dass wir wissen, wie schwer es ist, eine Bombe richtig zu placieren. Gerade Halder muss hierfür Verständnis haben. Augenscheinlich war aber die Münchener Bombe hervorragend eingebaut. Der Zeitzünder tickte in der Säule direkt hinter dem Rednerpodium. Und eine solche Installierung sollte unter den Augen der wachsamen Gestapo vonstatten gegangen sein?
Eingehend lege ich dar, wie alle bis jetzt verbreiteten Nachrichten unglaubwürdig sind. Auch die Reaktion in der Prinz-Albrecht-Strasse und Reichskanzlei, besser gesagt das Ausbleiben jeder "blitzartigen" Aufklärung lässt darauf schließen, hier stimmt etwas nicht. Dass Hitler sich unter eine Bombe gestellt hat, die fünf Minuten nach Verlassen des Saales explodierte, bleibt unwahrscheinlich. Eher wird ihm seine Vorsehung einen richtigen
Tip gegeben haben: aber dann muss der Warner aus der engsten Umgebung stammen! Von den Kommunisten oder sonstigen Staatsfeinden wird er schwerlich über die ihm zugedachte Himmelfahrt unterrichtet worden sein.
Der langen Rede kurzer Sinn ist, dass ich Halder im einzelnen begründe, aus welchen staatspolitischen
Gründen die Armee zum "Schutze" ihres obersten Kriegsherrn etwas unternehmen müsse. Das mindeste
was der Münchener Anschlag erwiesen habe, sei die Unfähigkeit der SS, Hitlers Sicherheit ausreichend zu garantieren.
Folglich müssten die Soldaten in die Bresche springen. An welche Art Schutzhaft ich denke lässt sich
unschwer erraten, ebenso welches Verfahren mir vorschwebt wenn ich die Verhaftung der Gestapisten und die
"Sicherstellung" des in der Prinz-Albrecht-Strasse liegenden Materials anempfehle.
Während ich diese Studie diktiere, überreicht mir Oster mit vielsagendem Blick einen soeben hereingebrachten Meldezettel. Es handelt sich um einen Funkspruch der Grenzstelle Lörrach, wonach in der Nacht vom 8. zum 9. November ein gewisser Elser aus München, Tischler von Beruf, beim Versuch des illegalen Grenzübertritts in die Schweiz verhaftet wurde. Der Verhaftete ist der Mittäterschaft am Münchener Attentat verdächtig, weil sich in seiner Brusttasche eine Photo mit der Innenansicht des Bürgerbräus gefunden hat und eine der Säulen mit einem Kreuz gekennzeichnet war.
Oster schüttelt nur den Kopf. "Da haben wir den
Lubbe
Nummer 2." Dann setzt er sich wieder an seinen Schreibtisch, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Ich bin mit meinem Diktat viel zu beschäftigt, um ein überflüssiges Gespräch anzufangen. Offengestanden, diese pünktliche Verhaftung wirkt dümmer, als es selbst der Gestapo erlaubt ist.
11. November.
Ich beginne bei Helldorff, da ich mir über Nacht überlegt habe, dass wir endlich etwas Genaues über den Münchener Anschlag erfahren müssen. Anders können wir keine vernünftigen Rückschlüsse auf Hitlers oder Himmlers Absichten ziehen.
Menschlichem Ermessen nach, dabei bleibe ich, ist die Bombe nicht das Werk eines Einzelgängers. Irgendeine Gruppe muss dahinter stecken. Das können ebenso gut Kommunisten wie Klerikale, missvergnügte alte Parteigenossen oder Reaktionäre, verwegene Offiziere, aber auch bewährte SS-Leute sein, die auf Himmlers - oder womöglich Hitlers? - Weisung gehandelt haben, weil ein Ablenkungsmanöver benötigt wird. Jedes Mal muss die Reaktion aus der Reichskanzlei verschieden ausfallen. Dementsprechend schlage ich Helldorff vor, er solle sich bei Göring melden und diesem vortragen, welche ernste Sorgen er sich um den polizeilichen Schutz des Führers in Berlin mache. Dann muss Göring lautgeben, womit uns außerordentlich geholfen sein kann. [...]
Der Zitherspieler
Selbst das wenige, was inzwischen über die Geheimgeschichte des Dritten Reiches zu unserer Kenntnis gekommen ist, genügt, um eine bemerkenswerte Tatsache festzuhalten. Die braune Wirklichkeit war erheblich nüchterner, ja banaler, als sie sich zwölf Jahre lang in der Flüsterpresse darstellte. Im Grunde gibt es nur sehr wenig zu entgeheimnissen.
Was hat man beispielsweise nicht alles über angebliche Attentate "zuverlässig" zu berichten gewusst!
Immer wieder wurden Anschläge gegen prominente Nazis gemeldet. Mal war Himmler schwer verwundet, mal Ley, öfters
Göring, am meisten Hitler. Bestrahlt von der künstlichen Propagandasonne wucherten unter der subtropischen Flora
goebbelsscher "Erfolge" auch die üppigen Schlingpflanzen der Gerüchtemacherei. Die braunen
Meinungsgärtner konnten dieses Unkraut niemals gänzlich ausreißen. Lebten dann die Totgesagten umso
tatendurstiger weiter, so war die Enttäuschung groß. In Deutschland "berichtigten" sich die Eingeweihten,
leider habe es sich bei dem Opfer um einen Doppelgänger gehandelt, längst seien die obersten Naziführer so schlau,
nicht mehr persönlich aufzutreten. Das Problem der Doppelgänger pflegt in Terrorsystemen die Phantasie mit
Vorliebe zu beschäftigen. Im Ausland gab es eine noch einfachere Erklärung. Es fehlte an Attentätern,
es gab keine deutsche Opposition, achtzig Millionen unterwarfen sich bedingungslos der Tyrannei.
Eine Version war so falsch wie die andere. Heute wissen wir, es hat tatsächlich nur ganz wenige Attentatsversuche gegeben, während der Widerstand gegen Hitler ungleich stärker war, als man jahrelang annehmen konnte. Widerspricht sich nicht beides? Sicherlich bleibt es unfassbar, wie Millionen von Deutschen eine Katastrophe ohnegleichen auf sich zukommen sahen und dann doch nichts unternahmen, das Joch abzuschütteln. Aber haben wir nicht die gleichen Erscheinungen der Willenslähmung und mangelnden Reaktionsfähigkeit auch in früheren Zeiten und unter anderen Terrorsystemen beobachten können? Höchstens sollte man darauf hinweisen, dass in unserem Massenzeitalter die Summe des Leides potenziert wird und es eine alte Erfahrung ist, dass im Kollektiv die Empfindlichkeit gegenüber psychischen und physischen Zumutungen abnimmt. Zahlenmäßig in einem geringeren Umfange, wegen ihres unabwendbaren Schicksals jedoch prägnanter, stellt sich das gleiche Problem bei den vier bis fünf Millionen ermordeter Juden, die jahrelang nicht bezweifeln konnten, was ihnen bevorstand, und nicht einmal auf ihrem Todesmarsch den einen oder ändern ihrer Mörder mit ins Jenseits nahmen. Noch krasser ist das Beispiel der zwölf Millionen Fremdarbeiter, die während der letzten Kriegsjahre im Dritten Reiche lebten. Nahezu unbewacht, jedenfalls ihren Wächtern weitaus überlegen, haben sie sich gleichfalls nicht erhoben. Der große Aufstand dieser Unterdrückten fand erst hinterher statt. Nacht für Nacht wurde heimlich über Deutschland Sprengstoff für diese stärkste aller fünften Kolonnen abgeworfen. Der einzige, der ihn benutzte, war ein Deutscher, Stauffenberg.
Niemand wird behaupten wollen, alle diese Millionen wären entschlusslos oder feige gewesen.
Nein, sie fanden einfach nicht die Gelegenheit zu einem Attentat. Zugegeben, oft genug ist der Triumphator mehr
oder minder ungeschützt durch die Menschenmassen gefahren, ohne dass ihm etwas zustieß. Aber spontane
Attentate sind in der Geschichte selten, und Diktatoren bevorzugen in ihrem Auftreten das Überraschungsmoment.
Hinterher las es sich in den Illustrierten Zeitungen sehr eindrucksvoll, wie sich unsere Tribunen bei einer
Weihnachtsfeier, einem Volksfest oder einer sonstigen Veranstaltung unter das Volk mengten. Nur war nicht anzunehmen,
dass bei solchen unerwarteten Anlässen ein Attentäter lauerte. Sobald sie sich aber in die Gefahrenzone begaben,
ein vorher angekündigtes Erscheinen, waren die für sie getroffenen Schutzmassnahmen abschreckend wirksam.
Inzwischen haben wir durch viele Einzelschilderungen erfahren, wie viele Sperrgürtel selbst zum Attentat entschlossene Offiziere durchbrechen mussten. Zivilisten kamen seit Kriegsbeginn überhaupt nicht mehr an Hitler heran, ausgenommen höchste - also nazistische - Staatsfunktionäre. Fast noch größere Schwierigkeiten bereitete es, ein wirksames Sprengmittel aufzutreiben. Beispielsweise berichtet Lahousen, der als Leiter der Sabotage-Abteilung "zuständig" war, dass "die Aufsicht über das einzige Depot, das über die erforderlichen Zünd- und Sprengmittel im Bereiche der Abwehr verfügte, einem Offizier unterstand, der nicht unserem Kreise angehörte und der seine Vorschriften auf das genaueste befolgte". Und dann begannen erst die unerlässlichen politischen Vorbereitungen! Denn was nützte es, wenn nach einem gelungenen Attentat Göring oder Himmler die Nachfolge antraten, natürlich im Zeichen einer unnachsichtigen Säuberungsaktion und einer begreiflichen Verschärfung des Terrors?
Ein Attentat ohne gleichzeitigen Putsch musste lange Jahre als sinnlos erscheinen. Verantwortungsbewusste Politiker konnten sich hierauf nicht einlassen. Darum war es auch kein Zufall, dass am 8. November 1939 ein einzelner Fanatiker, nicht eine oppositionelle Gruppe, den großen Wurf wagte.
Das letzte, was ich von diesem Anschlag berichtete, war, wie Oster mir am 9. November jene unglaubwürdige Meldung von der Verhaftung des "Lubbe 2" zur Kenntnis gab. Tagelang hörten wir daraufhin nichts. Das erhöhte unser Misstrauen. An sich pflegten die Gestapisten äußerst schnell mit ihren "Aufklärungen" zur Hand zu sein. Irgendwelche Juden, Bolschewisten, Reaktionäre, Pfaffen oder sonstige Staatsfeinde waren stets zur Stelle, niemals war die SS um ein blitzschnelles Zuschlagen verlegen.
Warum geschah diesmal nichts? Wollten die Schwarzen ihren Schlag gegen die Opposition besonders gründlich vorbereiten? Wir atmeten auf, als die Zeitungen meldeten, Nebe sei an die Spitze einer kriminalistischen Untersuchungskommission gestellt worden. Jetzt würden wir Näheres hören. Vor allem durften wir uns insofern sicherer fühlen, als Nebe entweder die Untersuchung im Sande verlaufen lassen oder, falls uns Gefahren drohten, sie bewusst in falsche Bahnen lenken würde. Andererseits machte uns diese Betrauung hellhörig. Dass sich die Gestapo, sei es aus Übereifer, sei es, um größeren Spielraum für ihre Verhaftungsmaßnahmen zu gewinnen, in rein kriminalistische Untersuchungen einmengte, die nicht das geringste mit Politik zu tun hatten, war nicht selten. Jetzt wurden die Schwarzen ostentativ ausgeschaltet, obwohl es sich um eine hochpolitische Angelegenheit handelte. Das musste seine Gründe haben.
Abermals mussten wir uns Tage gedulden. Keine aufregende Verhaftung wurde gemeldet. Die Gestapo hüllte sich in undurchdringliches Schweigen. Das Auffälligste war, selbst der red- und schreibselige Goebbels enthielt sich aller Drohungen. Als dann das Untersuchungsergebnis veröffentlicht wurde, konnten wir nur lachen. Solche plumpen Lügereien hätten wir den braunen Propagandisten bestimmt nicht zugetraut. Jede Zeile schien uns zu beweisen, hier wurde nur deshalb so dreist und aufdringlich enthüllt, weil man sich vor lauter Schreck über die Wahrheit in der richtigen Dosierung der Lügen vergriffen hatte. Endgültig sahen wir Himmler oder irgendwelche Aktivisten aus dem Kreise der alten Kämpfer für überführt an.
Schon die äußere Aufmachung ließ erkennen, wo dieser kriminalistische Schlussbericht angefertigt worden war.
Sämtliche Zeitungen mussten die Sensationsmeldung auf der ersten Seite und in der gleichen Satzordnung bringen. Zwei
Spalten waren nebeneinandergereiht. Auf der einen stand unter näheren Angaben, wie er die Bombe gelegt hatte, das Konterfei
unseres "Lubbe 2". Auch sein Auftraggeber, der in der Schweiz lebende
Otto Strasser, war entlarvt. In der
danebenliegenden Spalte wurde die Verhaftung von zwei hohen Funktionären des
englischen Secret Service
gemeldet. Himmlers SD hatte die beiden Obersten Best und Stevens unter Vortäuschung eines Zusammentreffens mit Vertretern
der deutschen Opposition in den frühen Morgenstunden des 9. November an die deutsch-holländische Grenze bei
Venlo gelockt und gekidnappt. Ein holländischer Nachrichtenoffizier, der den Mittelsmann gespielt hatte, war bei
der Entführungsszene getötet worden. Da die holländische Regierung die Auslieferung seiner Leiche forderte,
rühmte sich Hitler vor den Generälen, jetzt habe er die Holländer ihrer neutralitätswidrigen
Zusammenarbeit mit den Engländern überführt.
Die Engländer, die jetzt so lesenswerte Studien veröffentlichen, wie oft sie den deutschen Nachrichtendienst hereingelegt haben, sind schlau genug gewesen, auch hinterher niemandem zu verraten, wie sie sich in dieses Venloer Abenteuer haben hineinziehen lassen können. Sie taten gut daran. Denn diese vertrallte Idee, mit den Abgesandten einer deutschen Generalsfronde im Morgendämmern an der grünen Grenze konspirieren zu wollen, wird ganz gewiss nicht in den Annalen ihres Secret Service als besonderes Ruhmesblatt der Unterrichtetheit oder Kombinationsgabe verzeichnet werden. Als ob sich nicht andere Mittel und Wege zu einem sauberen Gespräch hätten finden lassen, sofern man mehr als ein nachrichtendienstliches Spiel hatte inszenieren wollen! Unglücklicherweise hat gerade diese, vor aller Weltöffentlichkeit offenbar gewordene Blamage weitgehende Folgen gehabt. Statt zu lernen, dass SD und Abwehr, Schellenberg und Canaris, verschiedene Begriffe waren, richtete sich nunmehr der ganze Hass der Hereingefallenen auf Canaris und die Generäle. Fortan erhielt der Secret Service strikte Weisung, allen etwaigen Kontakten aus dem Wege zu gehen. Besonders unter Churchills und Edens Führung entwickelte sich eine ausgesprochene Phobie, etwas Näheres über die deutsche Opposition in Erfahrung zu bringen. Das passte nicht mehr in das Konzept. Eine Schule kam auf, die beinahe noch mehr als auf die Nazis ihren Hass auf die "Militaristen" konzentrierte und es deshalb für die Kriegsjahre - aber bezeichnenderweise auch noch wichtige Jahre danach - nicht zuließ, dass es auch in der Wehrmacht eine aktive Widerstandsbewegung gegeben haben sollte.
Natürlich kam Goebbels dieser Venloer Zwischenfall gelegen. Zwar wagte nicht einmal er einen Zusammenhang mit dem Münchener Attentat zu behaupten. Das war schon deswegen unwahrscheinlich, weil sich die Engländer mehrere Stunden nach dem Missglücken eines von ihnen angezettelten Attentats bestimmt nicht mehr zu hierauf abzielenden Gesprächen eingefunden hätten. Dem unbefangenen Zeitungsleser musste es jedoch so scheinen, als bestehe ein innerer Zusammenhang.
Kaum war Nebe aus München zurück, erkundigte ich mich bei ihm, ob irgend jemand in der Reichskanzlei oder Gestapo an seinen Kriminalroman glaubte. Die Antwort verblüffte mich. Natürlich hatten weder Otto Strasser noch die englischen Obersten etwas mit dem Anschlag zu tun. Dagegen war "Lubbe 2" tatsächlich der Attentäter gewesen. Autodidakt im Bombenlegen, konnte er sich einer ausgesprochenen Meisterleistung rühmen.
Arthur Nebe (* 13. November 1894, 21. März 1945) war Chef des Reichskriminal-polizeiamtes,
mit anderen Worten Chef der deutschen Kripo.
1931 wurde Nebe Mitglied der Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) und der Schutzstaffel (SS).
Nach der Machtergreifung Hitlers kam er zur Gestapo und wurde er zum Chef der Abteilung V (Kripo) des
Reichssicherheitshauptamts.
1939 führte Nebe, der sich schon 1938 insgeheim dem Widerstand angeschlossen hatte, die Ermittlungen gegen Georg Elser.
Während des Zweiten Weltkriegs musste Nebe im Rang eines SS-Brigadeführers bis Oktober 1941 als Kommandant
der SS-Einsatzgruppe B an die Ostfront. Seine Freunde im Widerstand hatten ihm dazu geraten, diesem Befehl Himmlers
zu folgen, damit Nebe seine für die Opposition gegen Hitler wichtige Schlüsselposition behalten konnte.
Die ihm unterstellten SS-Truppen verübten zahlreiche Massaker an der sowjetischen
Zivilbevölkerung. Nebe konnte anderseits Tausenden von Zivilisten das Leben retten, indem er u.a.
überhöhte Zahlen von Exekutionen meldete.
Am 20. Juli 1944 stellte Nebe Polizeieinheiten bereit, die während des Umsturzes wichtige Reichsminister festnehmen sollten.
Nach dem Attentat konnte er sich zunächst verstecken.
Im Frühjahr 1945 wurde er gefasst, durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 3.3.1945 hingerichtet.
Eifersüchtig hatten die Gestapisten zunächst jedes Hineinreden Nebes in die Untersuchung zu verhindern gesucht. Mit gutem Grund. Bereits in den Morgenstunden des 9. November hatte Heydrich die Täter überführt, zwar noch nicht dem Namen nach, wohl aber was den Verschwörerkreis als solchen betraf. Himmler hatte seinem Führer eine Liste von vierzig - genau vierzig - bayrischen Legitimisten vorgelegt, die der Abschreckung halber sofort als Täter und Mittäter erschossen werden sollten. Aber zu Heydrichs und Himmlers Entsetzen war jene Massenhinrichtung von Hitler abgelehnt worden. Statt dessen hatte er eine überzeugendere Aufklärung verlangt und, als die Untersuchung nach drei Tagen immer noch jene vierzig Legitimisten umkreiste, kurzerhand die Einschaltung der Kriminalpolizei angeordnet.
Nebe schilderte mir, wie seine erste Reaktion nicht anders gewesen war als die unsrige. Auch er hatte die Attentäter im OKW vermutet. Aber gleich beim ersten Augenschein war ihm ein Stein vom Herzen gefallen: soviel konnte man sofort erkennen, diese Bombe stammte nicht aus einem militärischen Waffenarsenal, unzweifelhaft handelte es sich um eine selbstgebastelte Höllenmaschine. Noch eine andere Genugtuung kam hinzu, sobald er mit seinen Ermittlungen begann. Hunderte von vertraulichen Anzeigen lagen vor - und sämtliche bezogen sich auf die engsten Kreise der Münchener alten Kämpfer oder der SS.
Jene Meldung von dem Aufgreifen unseres "Lubbe 2" hatte Nebe mit demselben Zweifel erfüllt. So kam es, dass er sie mehrere Tage nicht weiterverfolgt hatte. Andere Spuren waren ihm erfolgverheißender erschienen. Ziemlich spät war Elser vernommen worden. Dabei hatte er sich in Widersprüche verwickelt. Eine Haussuchung hatte Materialteile zum Vorschein gebracht, die mit den aufgefundenen Bombenresten übereinstimmten. Bald brauchte sich die Untersuchung lediglich auf die Hintermänner zu erstrecken.
Elser behauptete. Alleintäter gewesen zu sein. Fast alles sprach zunächst dagegen. Trotzdem beugten
sich die Kriminalisten zuletzt diesem Ergebnis. Nicht nur was seine Schilderung von der Konstruktion und dem
Einbau der Bombe betraf, die sich in allen Punkten richtig erwies, nein, auch psychologisch schenkte Nebe diesem Manne Glauben.
Da war tatsächlich ein fanatischer Kommunist zum Entschluss gekommen, den Tyrannen zu ermorden. Was Unzählige nicht fertiggebracht hatten, war ihm geglückt: er hatte die Antwort auf die entscheidende Vorfrage nach einer präzis zu errechnenden Gelegenheit gefunden. Als Münchener hatte er sich überlegt, einmal im Jahre stand Hitler immer zu derselben Stunde, immer für dieselbe Dauer, immer an demselben Fleck. Das war bei seiner traditionellen Rede am Abend des 8. November im Bürgerbräukeller. Vielleicht musste man diese Überlegung als des Attentäters größte Leistung bezeichnen. An der Bombe war am erstaunlichsten der Zeitzünder, der zehn Tage vorher eingestellt werden konnte. Das war den Experten bislang nicht vorgekommen. Im übrigen war es eher eine primitive Höllenmaschine. Immerhin, der Erfolg lehrte, auch solche altmodischen Kunstwerke können, gut angebracht, hervorragende Explosionswirkungen erzielen. Der Saal war hinterher ein Trümmerhaufen.
Aber wie und wo die Bombe placieren? Elser fand eine ebenso wirksame wie zur Einmontierung unauffällige Stelle, eine Säule direkt hinter dem Rednerpult, die zur Estrade hinaufführte. Als harmloser Bierkonsument benützte er die stillen Stunden vor Polizeistunde, um seine Bohrarbeiten vorzubereiten. Zehn Tage vorher, also zu einer Zeit, in der die Polizei noch nicht das Gebäude überwachte, versteckte er sich eines Abends und hatte binnen weniger Nachtstunden die Bombe installiert.
Anschließend wollte Elser in die Schweiz fliehen. Sein Plan war, so rechtzeitig einzutreffen, dass er noch irgendwem
sein weltbewegendes Geheimnis anvertrauen konnte. Glauben würde es ihm natürlich niemand, aber hinterher würde
man ihm die Autorenschaft nicht abstreiten können. Deswegen steckte er sich jene Postkarte vom Bürgerbräu mit
der eingezeichneten Säule ein. Aber an der Grenze angelangt, kehrte er wieder um. Von bangen Zweifeln gepackt, fuhr er
zurück nach München, ging erneut in den Bürgerbräukeller, hielt das Ohr an die Säule und atmete auf.
Der Apparat lief noch. Nur hatte Elser soviel Zeit verloren, dass er erst in der Nacht des 8. November den illegalen
Grenzübertritt wagen konnte.
Einmal gefasst und überführt, musste "Lubbe 2" beinahe so erbittert um seinen Autorenruhm kämpfen wie sein Vorgänger Marinus. Himmler und Heydrich waren entrüstet. Einer allein sollte soviel Lärm und Unruhe verursacht haben? Ausgeschlossen. Nun, da sie widerstrebend zugeben mussten, dass dieser Kommunist, wenn nicht der Alleintäter, so doch mindestens einer der Hauptakteure war, ließ sich die Schuld der bayrischen Legitimisten nicht mehr aufrechterhalten. Eine andere Geschichte musste erfunden werden, in deren Hintergrund die Figur dieses fanatischen einfachen Arbeiters hineinpasste. Elser hatte in die Schweiz fliehen wollen. Die Polizei hatte festgestellt, dass der Zeitzünder aus einer Weckuhr schweizerischen Ursprungs gebastelt war. Beides wies auf Otto Strasser, den hasserfüllten Hitlergegner, zu dessen Gruppe der Attentäter ideologisch und soziologisch durchaus gehören konnte. Eine monatelange Tortur begann für den geständigen Attentäter, um etwas aus ihm herauszupressen, was nicht von ihm bestätigt werden konnte.
Aber wie Himmler um seinen Ruhm als Spürhund kämpfte und sich deshalb weigerte, ein so mageres Untersuchungsergebnis
zu publizieren, genau so zitterte Goebbels um sein Renommee als Märchenerzähler. Der Propagandaminister lehnte Nebes
Abschlussbericht erst recht ab, sogar mit der erdichteten Beschuldigung Otto Strassers. Unversehens gerieten die beiden
englischen Obersten in das Münchener Komplott hinein. Vielleicht sahen die Engländer dieses nicht einmal so ungern.
An die Täterschaft Elsers glaubte so leicht keiner; da schien die Urheberschaft des Secret Service wahrscheinlicher.
Zumindest würde die breite Öffentlichkeit nicht zu indiskret nachforschen, was es mit dem Venloer Ausflug für
eine Bewandtnis habe.
Niemals wurde Elser der Prozess gemacht, auch nicht der kurze. Statt dessen brachte man ihn als Privatgefangenen des Führers nach Dachau. Er kam in jenen Flügel, in dem auch die anderen Dachauer Ehrengäste saßen; Martin Niemöller war darunter, sowie später - Best und Stevens. Ständig saß ein SS-Posten vor seiner Zelle. Er war in einer solchen "Freiheit", wie man früher die Goldmacher in den Turm steckte. Denn merkwürdigerweise wurde er nicht mehr gequält. Er hatte zwei Räume für sich, in denen eine Kunsttischlerwerkstatt eingerichtet war, damit der Bastler an neuen Einfällen arbeiten konnte. Eine weitere Lebensfreude, die ihm verstattet wurde, war seine Zither, auf der er wehmütige Weisen spielte. "Der Zitherspieler" hieß er fortan im Kreise seiner Mitgefangenen.
Natürlich umwob ihn alsbald der Mythos des Geheimnisvollen. Wie war es erklärlich, dass man den Attentäter
am Leben ließ? Unter Gefangenen und unter Wachmannschaften sind Kombinationen wohlfeil. So war es für die Dachauer
schnell erwiesen, der Zitherspieler hatte jene Bombe im Auftrag Himmlers und Hitlers oder eines von beiden gelegt. Nur
so vermochte man sich sein rätselhaftes Schicksal zu erklären. Aber würde Himmler jemanden, der in seinem Auftrag
einen Mordanschlag gegen den Führer vorbereitet hatte, weiter haben leben lassen? Oder würde sich Hitler bei einem
abgekarteten Zwischenfall unter einen tickenden Zeitzünder gestellt haben, der die Explosion auch ein paar Minuten
früher hätte auslösen können? Und wo blieb die Reaktion auf solche vorbestellte Arbeit? Weder machte
Himmler einen gestapistischen Fischzug, noch nutzte Hitler diese Gelegenheit. Wir haben gesehen, die Offensive wurde erst
zwei Wochen später endgültig vertagt.
Nein, es war schon so, Elser, dieser Autodidakt, hatte selbständig Vorsehung zu spielen versucht. Nicht nur versucht, er hatte sie gespielt! Wie jedes missglückte Attentat die gegenteilige Wirkung erzielt, so wurde auch dieser Anschlag Hitlers Gewinn: einmal mehr hatte ihn die Vorsehung gerettet. Er selber glaubte es. Mitten in seiner Rede hatte ihm, wie er selber erzählte, eine innere Stimme wiederholt zugerufen: "raus, raus!". Einige Minuten hatte er diese Stimme überschreien wollen, dann hatte er sich tatsächlich von ihr treiben lassen, raus, raus. Abrupt hatte er seine Rede abgebrochen. Nun glaubten auch die Generäle und viel Volk an diese Vorsehung. Sechs Tote und dreiundsechzig Schwerverletzte: wahrhaftig nur durch ein Wunder war der Führer gerettet worden. Wie untrüglich arbeitete doch seine Intuition! Sicherlich würde sie ihn auch durch die gegenwärtige Krise geleiten.
Bei den krausen Zwangsvorstellungen, denen man sich auf dem Berghof hingab, kann es durchaus sein, man verurteilte Elser
zu seinem Schattendasein, weil man sich allen Ernstes einbildete, jemand, der mit soviel Phantasie und Geschick das
Attentat vorbereitet hatte, müsste fähig sein, irgend eine geniale Erfindung zuwegezubringen. Wahrscheinlicher
ist, der abergläubische Hitler fühlte sich auf Grund eines horoskopischen Orakels untrennbar mit dem Dasein
"seines" Attentäters verknüpft, so dass er dessen Lebensfaden nicht vorschnell glaubte abschneiden
zu dürfen. Anders ist kaum zu erklären, welche Sonderbehandlung man noch in den allerletzten Tagen des Dritten
Reiches Elser zuteil werden ließ.
Später wurde in Dachau ein Geheimbefehl "von allerhöchster Stelle und auf Befehl des Reichsführers Himmler" vorgefunden, Elser sollte umgebracht - und als "bei einem Luftangriff umgekommen" gemeldet werden.
Wenn die Gestapo von sich aus oder auf Weisung Himmlers mordete, bedurfte es solcher komplizierten Anweisungen nicht. Auch Hitlers Liquidationsbefehle pflegten nicht so taktvoll umschrieben zu werden. So wird des Zitherspielers größtes Geheimnis bleiben, warum noch bei den letzten Akkorden der braunen Götterdämmerung, als die Kulissen der Tausendjährigkeit bereits mit Getöse einstürzten, man sich seiner entsann, angsterfüllt, mit einer unheimlich anmutenden Scheu, so als dürften diese millionenfachen Mörder ausgerechnet mit jenes einen Attentäters Abtritt von der Revolutionsbühne nichts zu tun haben, der schon so lange von der Weltöffentlichkeit vergessen war.
Quelle: Hans Bernd Gisevius, Bis zum bittern Ende, Zürich 1954 (Erstauflage 1946)
Dr. Hans Bernd Gisevius (* 14. Juli 1904 in Arnsberg, 23. Februar 1974 in Müllheim) war ein ehemaliger
Deutschnationaler, Polizeibeamter, Regierungsrat und gehörte seit Mitte der 1930er Jahre zur Opposition gegen Hitler.
Nach dem Jurastudium trat er 1933 den Dienst bei der Politischen Polizei in Preußen an.
Er erlebte den Aufbau der Gestapo und die Ermordung von SA-Angehörigen und vieler Unschuldiger
während des sogenannten Röhm-Putsches am 30. Juni 1934 unmittelbar mit.
Er leitete 1934 vorübergehend die Polizeiabteilung im Reichsinnenministerium, schied als Regierungsrat
aus dem Staatsdienst aus und war einige Jahre in der Privatwirtschaft tätig.
Gisevius war bereits 1938 in erste Attentatspläne militärischer Kreise eingeweiht. Er stand in direktem Kontakt
zu Goerdeler, Oster, Beck, Canaris, Nebe und vielen anderen Mitgliedern der Opposition gegen Hitler.
1939 wurde er nach Kriegsausbruch zum Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht unter Admiral Wilhelm Canaris
eingezogen.
Nach dem Bürgerbräuattentat erlangte er auf Grund seiner Freundschaft zu Arthur Nebe, dem Chef der deutschen
Kriminalpolizei, Einblicke aus erster Hand in die Ermittlungen. Daher wusste er schon damals, dass Georg Elser
ein Alleintäter war und Gisevius war auch einer der ersten, der dieses Wissen nach dem Krieg publizierte.
1940 bis 1944 war er Abwehrbeauftragter beim deutschen Generalkonsulat in Zürich und unterhielt enge
Verbindung zwischen dem deutschen Widerstand und Allan Welch Dulles, dem Gesandten des amerikanischen OSS
(Office of Strategic Services, ab 1947 CIA) in Bern.
Das Scheitern des 20. Juli 1944 erlebte Gisevius im Bendlerblock mit, wo er sich um die Kommunikation mit dem Berliner
Polizeipräsidenten Graf von Helldorf und mit Kripochef Arthur Nebe kümmerte. Wäre der Staatsstreich geglückt,
wäre Gisevius möglicherweise Minister im Kanzleramt unter Goerdeler oder Staatssekretär des neuen
Staatsoberhaupts Beck geworden. -
Er konnte nach dem 20. Juli in Deutschland untertauchen, zumal der OSS gezielt eine Meldung verbreitet
hatte, er seit schon kurz nach dem Attentat in die Schweiz entkommen, wo ihn die Gestapo seither fieberhaft suchte.
Im Januar 1945 konnte Gisevius mit
falschen Papieren, die ihm der OSS nach Deutschland geschmuggelt hatte, in die Schweiz flüchten. - Seine Schwester
Annelise Gisevius wurde als Sippenhäftling interniert und wurde im Mai 1945 in Südtirol befreit.
1946 erschienen seine Erinnerungen "Bis zum bittern Ende", in denen er u.a. auch über die Alleintäterschaft
Elsers berichtete. Das Buch musste zunächst in der Schweiz erscheinen, da die Alliierten im besetzten Deutschland jegliche
Veröffentlichungen über die Existenz einer Opposition gegen Hitler verboten hatten. Es wurde dennoch ein Bestseller
und erlebte später im In- und Ausland zahlreiche, teilweise überarbeitete Auflagen.
1947 sagte er als Zeuge vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg aus.
1966 erschien sein Buch "Wo ist Nebe?" mit Erinnerungen an seinen Freund Arthur Nebe.