UFA 1941: "Über alles in der Welt"

Elser trat doch nicht in NS-Propagandafilm auf

Attentat von München sollte dargestellt werden – Goebbels erhob Einspruch

Immerhin ist es dem Widerstandskämpfer Georg Elser erspart geblieben, in Gestalt eines Schauspielers durch einen Propagandafilm der Nazis geistern zu müssen. Denn das ursprüngliche Drehbuch für den Streifen "Über alles in der Welt" sah etliche Szenen vor, die das Attentat auf Adolf Hitler im November 1939 darstellten. Doch offensichtlich erhob der Propagandaminister Josef Goebbels Einspruch, die Szenen wurden gestrichen. Der Film wird in der Bundesrepublik unter Verschluss gehalten.


VON ULRICH RENZ (2016)

Der sehr mit Nazismus und Antisemitismus aufgeladene Film ist das Werk des Regisseurs Karl Ritter, der wie viele andere Nazis und Sympathisanten seine Arbeit nach 1945 ungerührt in der Bundesrepublik fortsetzen konnte. Zusammen mit Felix Lützkendorf schrieb er auch das Drehbuch, das im Deutschen Film-Institut in Frankfurt verwahrt wird. Gedreht wurde 1940, im März 1941 fand die Uraufführung in Berlin statt.

Geschildert wird das Schicksal einiger Deutscher, die im Ausland vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs überrascht werden und sich nun in die Heimat durchschlagen wollen. Sie müssen allerlei Kämpfe bestehen, werden interniert, müssen Schikanen und Nachstellungen überwinden. Eingerahmt wird die Handlung durch Kampfszenen am Boden und in der Luft beim Vormarsch deutscher Truppen zu Beginn des Krieges.

Zu den Akteuren zählen ein Journalist, der aus Frankreich für deutsche Zeitungen berichtet, ein in Paris tätiger Monteur der Firma Siemens, eine Schiffsbesatzung auf hoher See sowie eine Tiroler Volksmusikgruppe, die gerade in London gastiert. Unter den Schauspielern befinden sich Paul Hartmann, Carl Raddatz, Oskar Sima und Berta Drews.

Das ursprüngliche Drehbuch umfasst 141 "Bilder" – also Szenen – auf 192 Seiten. Knapp 15 "Bilder" befassen sich mit dem Attentat vom 8. November 1939 im "Bürgerbräukeller" in München, bei dem Adolf Hitler nur knapp dem Sprengstoffanschlag von Georg Elser entkam.

Zwar wird Elsers Name nirgends genannt, der Täter fungiert nur als "der Schwarzhaarige", doch die Anspielungen auf die Tat des Königsbronner Handwerkers sind unübersehbar.

Regisseur und Drehbuchautor von "Über alles in der Welt": Karl Ritter (Foto von 1954).
  • Im 64. "Bild" wird er zunächst vom Hausknecht für Verputzarbeiten im "Bürgerbräukeller" engagiert.

  • Im 82. "Bild" heißt es: "Saal im Bürgerbräu. Halbdunkel. Der Schwarzhaarige steigt die Treppe zum Balkon hinauf. Der Schwarzhaarige bleibt an einer tragenden Säule stehen und verfolgt sie mit dem Blick, bis zur Decke hinauf." In folgenden Szenen hebt er Bodenbretter hoch und versenkt Uhrwerke im Loch darunter. Dann reißt eine Hand ein Blatt von einem Wandkalender ab, das nächste Blatt zeigt den 8. November an. "Der Schwarzhaarige" macht sich nun davon, während "Heil"-Rufe die Ankunft Hitlers verkünden – der allerdings nicht zu sehen ist.
  • Das 89. "Bild" sieht so aus: "Durch die Bretter blendet die Kamera auf die Höllenmaschine des 'Schwarzhaarigen'. Man hört durch die Saaldecke den Führer sprechen. Die Kamera fährt langsam auf das Ziffernblatt mit dem Zeiger auf 9 Uhr 20 hinzu. Lautes drohendes Ticken." Die übernächste Szene: "Ein Donnerschlag erschüttert den Saal. Rauch. Schreie. Die Decke ist herabgestürzt, mitten auf die laufenden Menschen im Saal. Panik." In einer "Kneipe in Konstanz" erfährt "der Schwarzhaarige" aus dem Radio, dass sein Anschlag fehlgeschlagen ist, im 101. "Bild" wird er an der Grenze verhaftet.

Im Film selbst fehlen allerdings alle Attentats-Szenen, "der Schwarzhaarige" tritt nicht auf. Offenkundig sind die dadurch fehlenden Abschnitte in dem Streifen durch allerlei Kriegsszenen ersetzt worden, auch wird – anders als im ersten Drehbuch – in Art der Wochenschau über den Einmarsch der Wehrmacht in Dänemark und Norwegen berichtet. Dies wirkt schon deshalb sehr aufgesetzt, weil die eigentliche Filmhandlung davor beendet ist: Die Hauptpersonen haben die Heimkehr ins Reich geschafft.

Wer die Änderung des Drehbuchs bewirkt hat, wird durch einen Vermerk von Alfred Rosenberg deutlich. Dieser Parteiideologe und Reichsleiter der NSDAP – der in steter Fehde mit dem Propagandaminister Josef Goebbels lebte – schrieb am 8. Mai 1940 in sein Tagebuch: "Frau Ritter, Enkelin R.(ichard) Wagners, ist seit Jahren verzweifelt. Heute war sie bei mir, ziemlich aufgelöst. Ihr Mann hat einen neuen Film 'Über alles in der Welt', wo das Attentat vom 4.11.39 mit eingewoben ist. Frage: Soll das gebracht werden oder nicht? Man könnte so oder so entscheiden. Dr. G(oebbels) aber sagt R(itter): Drehen Sie den Film, aber so, dass diese ganze Attentatssache auch weggelassen werden könnte. – Für künstler.(ische) Komposition also auch hier keinerlei Verständnis. Nächstens lässt er den 4. Akt eines Shakespeare-Dramas weg, weil er ein unbequemes Thema behandelt." Rosenberg – der dann im Nürnberger Prozess verurteilt und hingerichtet wurde – gibt ein falsches Datum für das Attentat an, zudem war Frau Ritter nicht die Enkelin, sondern eine Nichte Richard Wagners.

In der Bundesrepublik gehört "Über alles in der Welt" zur den rund 40 so genannten Vorbehaltsfilmen, die unter Verschluss gehalten werden. Diese Produkte aus der NS-Zeit dürfen nicht frei vertrieben, sondern nur mit einem Begleitprogramm, beispielsweise mit einem Vortrag, gezeigt werden. Die Originalkopien befinden sich in der Filmabteilung des Bundesarchivs. Bekanntester dieser Filme ist "Jud Süß", ebenfalls aus dem Jahre 1940.


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