Von Olaf Schauder3.1.2 Die "Hintermännertheorie" Georg Vollmers
Peis veröffentlichte erstmals die Version Vollmers in zwei Artikeln des Magazins "Stern" vom 3. und 17. Mai 1964.
Peis und Vollmer vertraten schon damals die Theorie, Hitler habe das Opfer einer Verschwörung werden sollen.
Sie findet im Ort noch heute eine große Anhängerschaft, steht sie doch eng in Verbindung mit Königsbronn,
während sie in der Öffentlichkeit rasch in Vergessenheit geriet, wozu die Veröffentlichungen Hochs und
Gruchmanns sicherlich beigetragen haben. Betrachtet man den heimatgeschichtlichen Aspekt, sind diese Ereignisse von
besonderem Interesse. Noch heute ist die Person Karl Kuch, die in dieser Geschichte eine Hauptrolle spielt, bei
vielen älteren Königsbronnern mit Anekdoten und Legenden umwoben. Zudem erhielten die Gerüchte
um seine Verstrickung mit dem Attentat durch Peis' jüngst an die Öffentlichkeit gebrachte Behauptungen
neue Nahrung. In einem ausführlichen Gespräch berichtete mir Georg Vollmer jr. aus seiner Sicht über
die damaligen Ereignisse in Königsbronn und überließ mir seine eigenen unveröffentlichten
Aufzeichnungen zur Einsichtnahme. Seine Erzählung soll im folgenden wiedergegeben, und, wo möglich und
nötig, kommentiert bzw. mit anderen Zeugenaussagen verglichen werden.
Karl Kuch war gebürtiger Königsbronner. Die Mutter Georg Vollmers jr. und Karl Kuch kannten sich als Nachbarskinder von frühester Kindheit an. Kuch lebte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Königsbronn. Er emigrierte 1914 in die Schweiz, um sich dem Wehrdienst zu entziehen. Kuch zog nach Zürich und wurde durch den Handel mit Klavieren ein wohlhabender Mann. Er heiratete Berta Isler, eine Schweizerin, die aus wohlhabenden Kreisen stammte. Elser soll bereits seit Ende der zwanziger Jahre Kontakte zu Karl Kuch unterhalten und sogar Transportkisten für ihn gefertigt haben. 1
Kuch erhielt um das Jahr 1935 [Anmerkung Renz] die Schweizer Staatsbürgerschaft. 2 Erst danach kehrte er
regelmäßig nach Königsbronn zurück. Er hielt sich zusammen mit seiner Frau oft
längere Zeit dort auf. Schnell fand er den Kontakt zu den Königsbronnern wieder, die er
noch von früher kannte. Kuch war häufig im "Rössle" in Königsbronn anzutreffen,
einem Gasthaus, das damals ausschließlich von "gehobenen Kreisen" besucht wurde. Auch
an Georg Vollmer fand Karl Kuch Anschluss. Georg Vollmer war Anfang der dreißiger Jahre Ortsgruppenleiter
in Königsbronn. Nach seiner eigenen Aussage kamen in ihm jedoch Zweifel an der Politik der Nationalsozialisten
auf. Selbst Vollmer, so meint sein Sohn heute, will damals erkannt haben, dass Hitler auf einen Krieg zusteuerte. Auseinandersetzungen mit seinen Vorgesetzten in der NSDAP führten angeblich dazu, dass er 1936 sein Amt niederlegen musste. Kuch und Vollmer unternahmen häufig gemeinsame Spaziergänge, wobei politische Themen oftmals Gegenstand der Diskussionen waren.
Karl Kuch trat eines Tages an Georg Vollmer heran und gab ihm zu verstehen, dass er die Kriegstreibereien Hitlers durch ein Attentat, das er bereits plane, stoppen wolle. "Er sei dabei, sich Gefolgsleute hier in Deutschland zu verschaffen, gehöre aber einer Organisation an, die ihm die Möglichkeit gebe, dies alles zu finanzieren und zu bewerkstelligen." 3 Kuch wollte die Fähigkeiten seiner Organisation unter Beweis stellen, indem er Vollmer prophezeite, dass bei einem Manöver der deutschen Kriegsmarine in der Ostsee ein Munitionsboot gesprengt werden würde und ihm voraussagte, er werde die Nachricht von der Sprengung der Tagespresse entnehmen können. Vollmer jr. will während seines Studiums am Institut für politische Wissenschaft bei Professor Eschenburg in Tübingen festgestellt haben, dass dieses Ereignis tatsächlich stattgefunden habe und sieht darin einen Beleg für die Glaubwürdigkeit Kuchs. In der deutschen Presse sei der Vorfall als Unfall dargestellt worden, ausländische Pressestellen hingegen hätten von einem Attentat gesprochen. 4
Bei einem weiteren Zusammentreffen machte Kuch konkretere Angaben über sein Vorhaben. Er gab Vollmer zu verstehen, dass er in Königsbronn Helfer suche, die ihn unterstützen sollten, Hitler
zu beseitigen. Kuch bat Vollmer, für ihn Sprengstoff zu beschaffen. Vollmer lehnte jedoch jede Mitarbeit ab. Die beiden trafen sich weiterhin und hatten auch geschäftlich miteinander zu tun. Gelegentlich wurde die Familie Vollmer von Kuch zu gemeinsamen Feiern und Veranstaltungen eingeladen. Vollmer nahm diese Einladungen jedoch nur selten an, da er seit seiner Entlassung als Ortsgruppenleiter zurückgezogen lebte. Kuch war durch sein protziges Verhalten vielen Königsbronnern aufgefallen. Viele im Ort konnten sich seinen Reichtum nicht erklären und waren der Ansicht, dass er in dunkle Geschäfte verwickelt sein müsse. Aus der Fassung brachte er seine Bekannten auch dadurch, dass er ihnen gegenüber häufig Vorhersagen über den kommenden Krieg machte und ihnen ausländische Hitler-Witze erzählte. 5
Bis heute ist umstritten, ob sich Elser und Kuch jemals kennengelernt haben. Es gibt jedoch Zeugenaussagen, die bestätigen, dass auch Elser in Königsbronn mit Kuch zusammengekommen sei. Eine dieser Personen, die Vollmer jr. nennt, war Eugen Elser, ein Onkel Georg Elsers. Dieser berichtete, er habe an einem Samstagnachmittag einen Knall aus dem Garten Ludwig Elsers gehört und sei daraufhin sofort hingeeilt, wo er gesehen habe, wie Elser und Kuch gemeinsam vor einem Sprengloch standen. Beide hätten offensichtlich Probesprengungen durchgeführt. Das Magazin "Stern" berichtet ebenfalls von diesem Erlebnis Eugen Elsers, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass Karl Kuch bei dieser Begegnung nicht erwähnt wird. "Ich arbeitete auf dem Acker hinter der Gartenlaube, in der Georg damals hauste. Plötzlich gab es einen fürchterlichen Knall. Ich hatte Mühe, die Pferde zu halten. Dann sah ich Georg aus der Hecke treten. Ich ging auf ihn zu und fragte, was los sei. 'Nichts, ich habe nur etwas ausprobiert', sagte er. Aber ich konnte den Blick durch das Fenster werfen. Auf dem Tisch stand ein Uhrwerk, das wie ein übergroßer Wecker aussah. Kabel waren daran befestigt. Ich dachte mir nichts dabei, denn Georg war immer schon ein Tüftler." 6
Auch Elsers Freund Herr E. aus Königsbronn bestätigte, dass Kuch und Elser Kontakte pflegten:
"Selbstverständlich haben sich Kuch und Elser gekannt. Den Georg habe ich ein paar Mal mit dem Kuch im Auto sitzen sehen." 7
Otto Ludwig erinnerte sich ebenfalls, seine Schwester Liesel Ludwig, Elser und Kuch vor dem Anwesen seines Vaters zusammen gesehen zu haben. Die beiden waren, "... in einem vertieften Gespräch, so gestikulierend, dass man daraus entnehmen konnte, ihr Zusammensein möglichst unauffällig zu gestalten." 8
Einen weiteren Anhaltspunkt dafür, dass Kuch und Elser zusammenarbeiteten, soll der beim ZDF tätige Journalist
Schier-Crebowski [Anmerkung Renz] in Amerika entdeckt haben. Er konnte angeblich durch seine Kontakte zum Leiter eines (nicht benannten) Archivs Einsicht nehmen in Dokumente, die dies belegen sollen, der Öffentlichkeit aber bis heute nicht zugänglich sind. Ihre Geheimhaltung und der gute Kontakt zum Direktor verbiete es Schier-Crebowski, weitere Angaben zu machen. Er sei lediglich bereit gewesen, Vollmer jr. das zu bestätigen, was er ohnehin schon wusste. 9
Leonhard Elser bestreitet bis heute entschieden, dass sein Bruder Georg mit Kuch zusammengearbeitet habe: "Ob mein Bruder Georg mit diesem Kuch befreundet war, bzw. ob er mit ihm irgendeine Verbindung hatte, ist mir nicht bekannt. ... Auch später nach dem Attentat und nach dem Umsturz im Jahre 1945 habe ich nie etwas davon gehört, dass dieser Kuch meinen Bruder Georg zu dem Attentat angestiftet haben soll." 10 Noch 1989 äußerte er vor Journalisten der "Stuttgarter Nachrichten" auf die Anmerkung, dass Vollmer meine, sein Bruder habe die Tat nicht alleine begangen: "Eine tausendprozentige Lüge,... Da hat man g'schwätzt, der Georg sei mit dem Kuch im Wirtshaus gesessen. Aber so blöd war der Georg nicht. ... Der Georg ist nie ins Wirtshaus gegangen." 11
Karl Kuch und seine Frau sollten das Attentat Georg Elsers nicht mehr erleben. Beide verunglückten unter mysteriösen Umständen mit ihrem Wagen am 3. Juni 1939 auf der Höhe des Bahnwärterhäuschens zwischen Königsbronn und Oberkochen. Vollmer und Peis sind überzeugt, dass der Tod Kuchs im Zusammenhang mit dem geplanten Attentat stand und daher kein Unfall war. Kuch habe sich absichtlich das Leben genommen, weil er "... etwa um Pfingsten herum feststellen musste, dass er Deutschland nicht mehr ungeschoren verlassen konnte..." 12.
Am Abend zuvor hatte das Ehepaar Kuch für seine Bekannten im "Reichsbahnhotel" in Aalen eine Abschiedsfeier veranstaltet. Die Familie Vollmer war ihr ferngeblieben, obwohl sie auch eingeladen war. Der damals anwesende Otto Raible berichtete Vollmer jr. später, "...dass Karl Kuch an diesem Abend anders war als sonst. Man hätte eine abnormale Aufregung an ihm gespürt." 13 Nach Mitternacht soll Kuch ein Telegramm zugestellt worden sein, das er zum Anlass genommen habe, das Lokal mit seiner Frau sofort zu verlassen.
Schrankenwärter Haßler hatte am Bahnübergang zwischen Oberkochen und Königsbronn seinen Posten. An diesem Pfingstmontag gegen vier Uhr morgens beobachtete er, wie Kuch, aus Oberkochen kommend, mit hoher Geschwindigkeit am Bahnübergang vorbei und "... Richtung 'Pulverturm' und Königsbronn den leichten Anstieg hinauffuhr. Haßler war überrascht darüber, dass Kuch dieselbe Strecke mehrere Male hin und her fuhr. Als Kuch von Oberkochen zurückfuhr, raste er frontal gegen einen Baum. Haßler beobachtete den Unfall, konnte aber seinen Posten nicht verlassen. Der erste, der am Unfallort eintraf, war der Pächter des Seegartenhofes, Herr Müller, der den Unfall von seinem Feld aus beobachtet hatte. Kurze Zeit später kam der Kraftfahrer Kaspar Hitzler, der bei Vollmer beschäftigt war, hinzu. Frau Kuch war bereits tot. Müller und Hitzler zogen Kuch aus dem Auto. Hitzler berichtete später, dass der Schwerverletzte, bevor er an der Unfallstelle starb, gefragt haben soll: "Ist die Gestapo schon da?" 14
Kuch wurde im nahegelegenen Ort Itzelberg beerdigt. Auch Georg Elser war bei der Beerdigung anwesend. 15
Der habe nun die Vorbereitungen auf das Attentat alleine weitergeführt. Skepsis ist besonders gegenüber der Darstellung des weiteren Tatverlaufs angebracht. Hier soll Vollmer jr. selbst zu Wort kommen: "Elser wurde bei seiner Arbeit im Bürgerbräukeller entdeckt. Diese Entdeckung hat dann zur Enttarnung von Karl Kuch geführt und insgeheim zu dessen Selbstmord. Elser wurde daraufhin von der SS bzw. der geheimen Staatspolizei gedungen, das Attentat unter ihrer Leitung ablaufen zu lassen.... Das Attentat ist dann unter der Führung der SS abgelaufen. Alles andere war gezinkt." 16
Es gebe für diesen Ablauf auch Beweise, so Vollmer jr.. Schier-Crebowski habe dies durch Einsichtnahme in besagte amerikanische Dokumente bestätigen können. 17 "Auch von dem Historiker Peis weiß ich, dass der von mir geschilderte Ablauf sich mit seinen Erkenntnissen deckt." 18 Ein weiterer Beleg dafür, dass nationalsozialistische Kreise eingeweiht waren, sind nach Vollmers jr. Auffassung Äußerungen, die Rudolf Heß seiner Mutter gegenüber gemacht haben soll. Vollmer wurde, wie bereits erwähnt, nach dem Attentat verhaftet und war bis zum 20. April 1941 zunächst im Stuttgarter Polizeigefängnis und anschließend in Welzheim inhaftiert.
1940 wurde der Fabrikant Waldenmaier des öfteren mit zwei jungen Sekretärinnen angetroffen, die bei hohen Nationalsozialisten tätig waren. Über die Töchter des damaligen Pächters des Gasthauses "Rössle" hatte die Mutter Vollmers jr. Kontakte zu diesen Sekretärinnen geknüpft, um über sie persönlichen Kontakt zu Rudolf Heß zu bekommen. Sie versprach sich davon, dass er sich bei den dafür zuständigen Stellen für ihren inhaftierten Mann einsetzen könne. Der Kontakt konnte tatsächlich hergestellt werden. Zu ihrer Verwunderung erhielt sie eine persönliche Einladung von Rudolf Heß, bei ihm vorzusprechen. "Es grenzt ja schon an ein Wunder, dass der Stellvertreter des Führers Adolf Hitler, Rudolf Heß, überhaupt die Frau eines Mannes zu sich vorließ, der im Verdacht stand, an einem Attentat auf Adolf Hitler beteiligt gewesen zu sein." 19
Rudolf Heß habe seine Mutter zu sich gebeten, so vermutet Vollmer jr., um an Informationen über die Hintermänner des Anschlages zu kommen. Frau Vollmer habe Heß gegenüber beklagt, dass die Inhaftierung ihres Mannes ungerecht sei, zumal die SS und die Gestapo das Attentat selbst veranstaltet hätten. Heß soll geantwortet haben: "Frau Vollmer, gehen Sie nach Hause und erzählen Sie das, was Sie mir hier gesagt haben, niemandem, denn sonst kommt Ihr Mann bestimmt nicht mehr nach Hause, denn es stimmt, was Sie mir gesagt haben. Das Attentat ist unter der Regie der SS bzw. der Gestapo abgelaufen. Ich habe allerdings keinerlei Möglichkeiten, mich hier einzuschalten." 20
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Vollmer jr. Karl Kuch für den Initiator des Attentats hält. Die Idee des Attentats war seiner Auffassung nach nicht Elsers Gedankenwelt entsprungen, sondern er war lediglich das Werkzeug Kuchs.
Hinter Kuch stand demnach ein internationales Organisationsnetz, dessen Verstrickungen nicht absehbar sind, Otto Strasser und der englische Geheimdienst waren nach seiner Version an dem Anschlag ebenso beteiligt wie deutsche Stellen. Welche nationalsozialistischen Kreise eingeweiht gewesen sein sollen, lässt Vollmer jr. jedoch offen. Genauere Einzelheiten oder Namen waren von ihm nicht zu erfahren. Eine Aussage, die er hierzu 1989 gegenüber den "Stuttgarter Nachrichten" machte, ist nicht eindeutig und interpretationsfähig. "Elser aber, behauptet Vollmer, sei frühzeitig von der SS entdeckt und zum Weitermachen gezwungen worden. Damit hätten die Nazis ihre Propaganda, 'der Führer' stehe unter dem Schutz der 'Vorsehung', schüren wollen." 21
Wahrend meines Gesprächs mit ihm erklärte Vollmer jr., dass "nationalsozialistische Kreise der zweiten Reihe" eingeweiht gewesen seien, Kreise, die ebenfalls ein Interesse daran gehabt hätten, Hitler zu beseitigen. Der Journalist Schier-Crebowsky vertrete dieselbe Auffassung. Vollmer jr. gab jedoch zu, dass diese These noch nicht zu belegen sei.
...
Günter Peis ist ebenfalls ein Anhänger der "Verschwörungstheorie" Er will, wie bereits erwähnt, in nächster Zeit "diamantfeste Beweise", um Peis in einem persönlichen Schreiben zu zitieren, für seine Theorie liefern.
3.1.3 Die neuen "Erkenntnisse" des Günter Peis
Im folgenden Abschnitt werde ich versuchen, soweit dies zum jetzigen Zeitpunkt möglich ist, die neuen Thesen des Günter Peis darzustellen. Seine Erkenntnisse konzentrieren sich auf die Hintermänner Elsers und auf seine Todesumstände im KZ Dachau. Peis besuchte im Frühjahr 1996 Königsbronn. Georg Vollmer jr. und Veit Günzler hatten dabei die Gelegenheit, sich mit ihm über seine Theorien zu unterhalten. Ich beziehe mich bei meiner Darstellung auf mündliche Aussagen dieser beiden Personen und auf ihre Publikationen in den Zeitschriften "Stern", "Focus" und "HNP-Kulturspiegel". 22
Bereits 1964 verbreitete Peis im Magazin "Stern" die These, dass Kuch der Kopf einer kommunistischen Dreier-Gruppe gewesen sei. Elser und der Kellner Ketterer, der in der Bahnhofsgaststätte Aalen beschäftigt war, hätten ebenfalls dieser "Troika" angehört, ohne jedoch voneinander zu wissen. Kuch selbst war demnach von Otto Strasser gesteuert. Er soll nur vier Häuser von ihm entfernt in Zürich gewohnt haben. Kuch und Strasser sollen in Verbindung mit dem russischen Geheimdienst gestanden haben, der beabsichtigt habe, ein Attentat auf Hitler auszuführen. Elser soll von dieser Verbindung nichts gewusst haben. Als Kuch bei seinem Unfall ums Leben kam, sollen russische Stellen davon ausgegangen sein, dass das Vorhaben somit gescheitert sei. Zudem soll Moskau nach dem Hitler-Stalin-Pakt kein Interesse mehr an einem Anschlag auf Hitler gezeigt haben. Keiner der Hintermänner habe geahnt, dass Elser, der nur im Auftrag Kuchs handelte, nun allein weiterarbeiten würde.
Peis glaubt, die Vermutung, dass Elser und Kuch Kontakte pflegten, nun endlich belegen zu können. Schon Ende der zwanziger Jahre soll Elser zeitweise in Kuchs Pianofabrik gearbeitet haben. Peis will dieses Arbeitsverhältnis durch ihm vorliegende Beitragsbelege der Renten- und Sozialversicherung nachweisen. Auch später, als Kuch wieder Königsbronn besuchte, soll dieser Kontakt, wie Peis belegen will, gepflegt worden sein.
Peis will auch Beweise dafür gefunden haben, dass Captain Best von Kuchs Absichten, ein Attentat auf Hitler zu verüben, gewusst habe. Er beruft sich dabei auf ein Reisetagebuch Bests, das in seinem Besitz sein soll. Peis behauptet, Best habe Ende der dreißiger Jahre, als Agent des Secret Service, Adressen von deutschen Stellen erhalten, die bereit waren, ein Attentat auf Hitler auszuüben. Sein Auftrag sei es gewesen, diese Stellen aufzusuchen und Kontakte zum Secret Service herzustellen. Entgegen den ihm erteilten Anweisungen habe Best ein Tagebuch über diese Deutschlandreise geführt. Darin sollen Hinweise auf das geplante Attentat in München enthalten sein. Karl Kuch soll hier als Initiator des Anschlags, der Kontakte zum Secret Service unterhielt, genannt sein. Elser sei, so Peis, der Handlanger Karl Kuchs gewesen. Er soll mit der Durchführung des Attentats von Kuch beauftragt und mit entsprechenden Geldmitteln ausgestattet worden sein. Elser sei auch bei der Durchführung des Anschlags nur zeitweise allein gewesen. Peis will Dokumente gefunden haben, die belegen, dass er von mindestens einer Person während seinen Arbeiten im Bürgerbräukeller unterstützt worden sei.
Doch Peis stellt noch abenteuerlichere Behauptungen auf. Demnach soll Kuch von der Gestapo entdeckt worden sein. Absender des Telegramms, das er bei seiner Abschiedsfeier erhielt, sei der Secret Service gewesen, der ihn von seiner Enttarnung unterrichtet habe. Kuch habe daraufhin den Freitod gewählt, während Elser seine Pläne weiterführte. Während der Vorbereitungen soll nun die Gestapo von Elsers Plänen erfahren haben. Peis behauptet, die Gestapo, insbesondere Kreise um Himmler und Heß, hätten ein Interesse daran gehabt, Hitler zu beseitigen. Der Führer selbst solle von allem nichts gewusst haben. Feuchtlhuber, Elser hatte ihn bei seiner Festnahme im Zollamt erwähnt, sei in Wahrheit ein Gestapo-Mann und an der Verschwörung beteiligt gewesen. Er habe es Elser ermöglicht, im Bürgerbräukeller zu arbeiten. Elser soll also mit dem Wissen eingeweihter Gestapo-Offiziere gearbeitet haben. Nachdem das Unternehmen schiefgegangen sei, habe man Elser als Handlanger der Engländer gebrandmarkt und für den Schauprozess gegen England "aufgehoben".
1
vgl. Stern, Der Attentäter, 17. Mai 1964
2
vgl. Aufsatz von Georg Vollmer jr.: Das Attentat auf Adolf Hitler am 8. November 1939 zu München, unveröffentlichtes Manuskript, Königsbronn, 11. Januar 1990, S.2
3
Georg Vollmer jr., S.4
4
vgl. Georg Vollmer jr., S.4
5
vgl. Stern, 17. Mai 1964
6
Eugen Elser, zit. in: Stern, 17. Mai 1964
7
Gespräch mit Herrn E. (22. Mai 1996)
8
Otto Ludwig zit. Liesel Ludwig, bei Georg Vollmer jr., S.9
9
vgl. Georg Vollmer jr., S.7
10
Leonhard Elser, zit. bei Ortner, Helmut: Der einsame Attentäter - Der Mann, der Hitler töten wollte, Göttingen 1993, S. 154
Georg Vollmer jr.: Besuch bei Rudolf Heß durch meine Mutter, unveröffentlichtes Manuskript, Königsbronn, 20. November 1991, S.1
20
Georg Vollmer jr., 20.11.1991, S.2
21
Stuttgarter Nachrichten, Der Mann, der Hitler töten wollte, wird im Dorf noch immer totgeschwiegen, 9. November 1989
22
vgl. Stern, 17. Mai 1964; Focus, Rätsel um den Mord an Georg Elser, 13. April 1995; HNP-Kulturspiegel, Elser-Buch für die USA, 12. April 1996
Quelle: Olaf Schauder, Gegen Hitler und den Krieg: Der Attentäter Johann Georg Elser - Eine biographische Untersuchung und Vorschläge für eine Behandlung des Themas im Geschichtsunterricht der Hauptschule, Staatsexamensarbeit an der Pädagogischen Hochschule, Schwäbisch Gmünd 1997
1. Karl Kuch wurde nicht "um das Jahr 1935" Schweizer Staatsbürger, sondern zum
1. März 1924. Und eine Zeitlang hat er im Ersten Weltkrieg auch Kriegsdienst gemacht, wie aus den
Unterlagen im Schweizerischen Bundesarchiv hervorgeht.
2. Bei dem "Journalisten Schier-Crebowski" handelt es sich offensichtlich um den Peter
Schier-Gribowsky, einen ehemaligen Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks (NDR). Er drehte 1965 einen Beitrag
über Elsers Tat für das Fernsehen des NDR. Der Film
trug den Titel "Das bestellte Attentat", entsprechend vertrat Schier-Gribowsky darin die
Mär von der Verschwörung.
Nach der Ausstrahlung dieses Beitrags fand im NDR eine Diskussion statt, in der
Schier-Gribowsky mit seiner These auf massive Kritik stieß. Teilnehmer außer Schier-Gribowsky selbst waren
unter anderem der Hamburger Generalstaatsanwalt Ernst Buchholz, der Historiker Hans Mommsen und
Anton Hoch
vom Institut für Zeitgeschichte. Am Rande kam auch der hinlänglich bekannte
Walter Usslepp zu Wort.
Buchholz sagte gleich zu Beginn: "Hinter diesen Titel 'Das bestellte Attentat' möchte ich zunächst
ein großes Fragezeichen setzen. Es ist bisher nichts weiter als eine Behauptung." Und am Schluss fasste
er zusammen: "Wir müssen schließen, meine Herren. Ein exaktes Ergebnis, meine Hörer, konnten Sie
nicht erwarten. Ich glaube, man wird davon ausgehen müssen, dass Elser, dieser schwäbische Sonderling,
das Attentat allein plante und allein ausführte, aus eigener Überzeugung, aus Abneigung, innerster Abneigung
gegen die Nazis, gegen den Nationalsozialismus. Die These des bestellten Attentats ist, so glaube ich,
nicht zu beweisen. Sie bleibt eine Möglichkeit. Sie lässt sich aber auch nicht, wie der Jurist sagt, ausschließen,
mit Sicherheit ausschließen. Die Zeit, um die es sich handelt, war so pervertiert, dass damals alles möglich war,
das eine wie das andere. Ich hoffe, dass die historische Forschung diesen Fall noch weiter wird aufklären können."
Eine Abschrift des Mitschnitts des Diskussion im NDR befindet sich in den Elser-Unterlagen im
Institut für Zeitgeschichte in München (Aktenzeichen ZS/A-17/9).