Stadt München und Georg Elser / Kritik von Hella Schlumberger an Neon-Installation
VON ROBERT PROBST
Der Mann, der Hitler vor 71 Jahren im Alleingang töten wollte: In Berlin wird der Widerstandskämpfer
Georg Elser groß gefeiert. Nur in München, am Ort des historischen Geschehens, tut man sich mit der Würdigung schwer.
Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz war begeistert: "Dies ist ein später Triumph für
den Hitler-Attentäter."
Vor drei Wochen wurde in Berlin das Ergebnis eines Künstler-Wettbewerbs präsentiert - und ein spektakulärer Entwurf gekürt.
Von November 2011 an soll die Silhouette des Gesichts von Georg Elser hoch über den Wipfeln der Bäume im Bezirk Mitte schweben.
Als 17 Meter hohes, filigranes "Denkzeichen" aus grobem Stahl wird er die Wilhelmstraße dominieren, in der Nähe jener
Stelle, an der einst Hitlers Reichskanzlei stand. 200.000 Euro lässt sich der Berliner Senat diese späte Würdigung kosten - und
dieses Zeichen wird bereits das zweite Elser-Denkmal in der Hauptstadt sein. Seit 2008 ziert eine Plastik der
Ernst-Freiberger-Stiftung das Spreeufer.
Man kann derzeit fast von einem kleinen Elser-Boom sprechen. Jüngst wurden auch in Konstanz und
Königsbronn Denkmäler enthüllt, Schulen und Plätze wurden nach dem schwäbischen Schreiner benannt.
Fast ein kleines Wunder, nach Jahrzehnten des Vergessens und Verdrängens. Nur in München - immerhin
der Ort des historischen Geschehens - ist man mit der Würdigung des einsamen Attentäters noch immer nicht
recht zufrieden. Von einem "zähen Gedenken" spricht Hella Schlumberger von der
Georg-Elser-Initiative München.
München tut sich noch immer schwer, einen angemessenen Platz für Elser zu finden. In
Haidhausen erinnert seit 1989 eine Bodenplatte vor dem Gasteig an die mutige Tat. Die Gedenkplatte
bezeichnet exakt den Ort, an dem die Säule des einstigen Bürgerbräukellers stand - nur übersieht
man sie leicht oder findet sie als Ortsunkundiger nur schwer.
Seit 1997 existiert ein Georg-Elser-Platz in der Türkenstraße, in der Nähe der Wohnung, in
der Elser seine Pläne austüftelte. Und seit einem Jahr gibt es ein Denkmal an der Fassade
einer Schule am Elserplatz. Die
Neon-Installation der Künstlerin Silke Wagner
wird freilich nur jeden Tag genau für eine Minute sichtbar - pünktlich um 21.20 Uhr, dem Zeitpunkt des Attentats,
wird die stilisierte Form einer Explosion beleuchtet.
Mit dieser Entscheidung der Stadt
München sind nicht viele Elser-Kenner zufrieden, bereits vor der Einweihung gab es massive Proteste.
Und auch der Umfang des 35.000 Euro teuren Projekts kann mit den großzügigen Berliner Plänen nicht mithalten.
Hella Schlumberger sagt, die Installation sei keine angemessene Auseinandersetzung mit dem Thema.
Sie hätte "lieber eine gescheite Plastik". Noch immer sei sie "verdrossen", dass
die Stadt das Angebot des inzwischen verstorbenen österreichischen Bildhauers Alfred Hrdlicka nicht
angenommen habe, zusammen mit einem Schüler ein Elser-Denkmal in München zu realisieren.
Doch die Politiker in Stadtrat und Bezirksausschuss waren mehrheitlich der Meinung: "Statuen, die
rumstehen, haben wir genug."
Eine 'Discowerbung' sei das, kein würdiges Denkmal, sagt Schlumberger. Die Wut der Initiative.
Das Denkmal für Georg Elser ist der Vorsitzenden zu wenig
VON KATJA RIEGEL
Es ist kein stilles Gedenken auf dem kleinen Platz in der Türkenstraße. Der Platz heißt so
wie der Mann, dem zu Ehren sie alle im kalten Regen stehen: Georg Elser. Was die etwa 50
Menschen hören, die an diesem Montagvormittag zum Gedenken an den lange vergessenen Widerstandskämpfer
gekommen sind, ist ein kleiner Wutausbruch von Hella Schlumberger.
Schlumberger ist Vorsitzende der Georg-Elser-Initiative München.
Ihre Wut zielt auf die Stadtväter, die dem Mann zu wenig Platz
einräumten, der, ganz auf sich allein gestellt, Adolf Hitler töten wollte. Wütend ist
sie auch auf die Medien, die Georg Elser weniger beachten als Widerstandsgruppen wie die Weißen Rose.
Genau 71 Jahre zuvor, am 8. November 1938, hat Georg Elser in einer Säule im Bürgerbräukeller
in Haidhausen eine Bombe detonieren lassen. Hitler überlebte, weil er früher als geplant den Keller
verließ. Elser wurde gefangen genommen, erst kurz vor Kriegsende getötet. Und dann schnell vergessen.
Nicht aber von Hella Schlumberger. Für sie und ihre Mitstreiter ist das Gedenken an Elser und dessen Tat
viel zu blass. Blass wie das Denkmal, das sie sieht, wenn sie an die Wand der Schule blickt, vor
der sie spricht. Eine "Discowerbung" sei das, kein würdiges Denkmal. Sie spricht
von einer
Lichtinstallation der Künstlerin Silke Wagner,
die bei einem Kunstwettbewerb gewonnen hat.
Nur eine Minute täglich, um 21.20 Uhr, ist diese beleuchtet - zur gleichen Tageszeit, als
Elsers Bombe zündete. Nicht nur für Schlumberger ist das zu wenig.
Auch der Bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) gedenkt an diesem Vormittag Georg Elsers.
Er lobt dessen "Zivilcourage in einer Zeit, in der Zivilcourage lebensgefährlich war"
und spricht von einer "Dimension des Widerstands, die zu dieser Zeit erstaunt". Als Person
sei Georg Elser gerade dabei, entdeckt zu werden, so Spaenle.
Auch Grünen-Stadtrat Siegfried Benker würdigt Georg Elser. Er habe ein Zeichen dafür gesetzt, dass
ein Einzelner doch sehr viel tun konnte. Vielleicht lasse sich daraus erklären, warum Elser
"der vergessenste der vergessenen Widerstandskämpfer" sei, so Benker. Der Elser-Initiative
dankt Benker für ihren Einsatz, dass sich das ändere.
Diese will jetzt dafür sorgen, dass Elsers
Gedenken noch sichtbarer wird. Man habe bereits Gespräche mit der Oberammergauer Holzschnitzschule
aufgenommen und über ein Denkmal beraten, so Schlumberger."