Georg-Elser-Denkmal im Moabiter Spreebogen in Berlin
Pressespiegel zur Elser-Büste der Ernst Freiberger-Stiftung
Seite an Seite mit Albert Einstein
Späte Würdigung: Büste des Königsbronner Widerstandskämpfers Georg Elser auf der Berliner "Straße der Erinnerung" enthüllt
Seit Jahren schon kämpft der Heidenheimer Georg-Elser-Arbeitskreis darum, dem Königsbronner Hitler-Attentäter einen gebührenden Platz in der Erinnerungskultur zu schaffen. Nun scheint dieses Ziel ein gutes Stück näher gerückt zu sein: So ist in der Bundeshauptstadt nicht nur ein lebensgroßes Denkmal des Widerstandskämpfers geplant. Auch eine Büste Elsers wurde unlängst auf der "Straße der Erinnerung" enthüllt.
VON ANNETTE GRÜNINGER
"Für mich war das ein positiver Schock", berichtet Manfred Maier, der für den Georg-Elser-Arbeitskreis kürzlich bei der Enthüllung der Büste in Berlin Tut dabei war. Denn wer hätte damit rechnen können? Erst die Pläne für ein lebensgroßes Elser-Denkmal in der Bundeshauptstadt (die HNP berichtete), jetzt die Büste - ein gutes für den Heidenheimer Elser-Arbeitskreis, der sich seit 20 Jahren für eine angemessene Würdigung des Königsbronner Widerstandskämpfers einsetzt: "Und das kann nur ein Platz vor Stauffenberg sein", ist Maier überzeugt.
Wie das geplante Elser-Denkmal, das von einem Mitglied der Reemtsma-Dynastie gesponsert wird, wurde auch die von Kay Winkler gestaltete Büste durch eine private Spende erst ermöglicht. Stifter ist der bayrische Unternehmer Ernst Freiberger, der mit seiner "Straße der Erinnerung" am Spreebogen jenen Persönlichkeiten gedenken möchte, die sich als "Helden ohne Degen" für Freiheit und Menschenwürde stark gemacht haben - und dabei oftmals ihr Leben riskiert haben.
So wie Georg Elser. Noch während seiner Gymnasialzeit, berichtete Freiberger in seiner Rede bei der Enthüllung, sei er auf den Namen des damals noch völlig unbekannten Widerstandskämpfers gestoßen. Und seit jener Zeit habe ihn die Geschichte des Königsbronners, der als einfacher schwäbischer Handwerker "aus der wortlosen Aktivität kam", nicht mehr losgelassen.
Auch Wolfgang Schäuble würdigte bei der Einweihung der Büste den einsam handelnden, einst wenig beachteten Hitler-Attentäter: "Georg Elser stand lange Zeit nicht nur am Rande der öffentlichen Aufmerksamkeit, sondern war stummes Opfer unterschiedlicher Diffamierungen. Heute endlich erinnern wir uns mit Dank an Georg Elser. Er gehört zu denen, die es uns leichter machen, auf die Geschichte unseres Landes zurück und hoffnungsvoll nach vom zu blicken."
An prominenter Stelle in unmittelbarer Nähe des Bundesinnenministeriums scheint Elser nun jedoch endlich einen Platz in der Erinnerungskultur eingenommen zu haben. Täglich flanieren zahlreiche Berlin-Touristen über die "Straße der Erinnerung", blicken hinauf zu den nunmehr sechs bronzenen Gesichtern, die in Zukunft durch sechs weitere, darunter auch diejenigen der Philosophin Elli Stein und Albert Einstein, ergänzt werden sollen.
Mit Elser Würdigung im fernen Berlin ist auch der Heidenheimer Arbeitskreis mit seinem Anliegen ein gutes Stück vorangekommen. Ausruhen wolle man sich damit aber noch lange nicht, betont Maier: "Für uns ist das ein Auftrieb - das heißt, wir wollen mit neuem Mut unsere Pläne aktivieren, auch in Georg Elsers Heimatort Königsbronn.
Quelle: Heidenheimer Neue Presse 17.10.2008 - www.hz-online.de
Die Büste steht direkt vor dem Bundesinnenministerium links vorne am Eingang zur Straße der Erinnerung. |
Ehre für einen Helden ohne Degen
Büste des Hitler-Attentäters Georg Elser auf der "Straße der Erinnerung" in Berlin enthüllt
Eine Büste des Hitler-Attentäters Georg Elser ziert seit wenigen Tagen die "Straße der Erinnerung" in Berlin. Insgesamt sechs Denkmale erinnern dort direkt neben dem Bundesinnenministerium an herausragende Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft.
VON MANFRED MAIER
Diese Büste erinnert jetzt in der Bundeshauptstadt an Georg Elser. Foto: Maier
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Georg Elser ist die sechste Person der Zeitgeschichte, deren Büste nun an der "Straße der Erinnerung" am Spreebogen zu sehen ist. Zuvor hatte die Stiftung bereits den ebenfalls von den Nazis ermordeten Schriftsteller Albrecht Haushofer, den Computer-Pionier Konrad Zuse, den früheren Reichsaußenminister Walter Rathenau, den Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann sowie den Architekten Ludwig Mies van der Rohe geehrt.
"Wir ehren einen Widerstandskämpfer, der allein durch sein Gewissen geleitet den Entschluss zum Attentat gegen den Diktator gefasst hat", sagte Freiberger. Hitler habe für Elser nichts anderes bedeutet als "Verbrechen, Krieg und unermessliches Leid für die Menschheit". Daraus sei der einsame Entschluss zum Attentat entstanden. Wäre dieses geglückt, so Freiberger weiter, "hätte es den Gang der Weltgeschichte wie kein anderes Ereignis des 20. Jahrhunderts verändert".
Freiberger bescheinigte Elser, als "Mann aus dem Volk" früher als andere gewusst zu haben, dass Hitler das deutsche Volk wie auch Europa in den Untergang rühren werde. Das Gesicht Elsers zeuge von jenem Deutschland vor 1945, "das der hellen Stimme des Gewissens auch in finsterer Zeit verpflichtet blieb". Das ihm gewidmete Denkmal solle "das historische Bewusstsein schärfen und die Erinnerung an einen denkwürdigen deutschen Helden wach halten". Zukunft brauche Herkunft. Dazu gehöre auch das ehrende Andenken.
Die Banalität der Ereignisse, die Elser zum Verhängnis geworden seien und die seine Tat hätten scheitern lassen, seien tragisch, sagte Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble in seiner Ansprache. Vielleicht liege hierin die größte Parallele zum gescheiterten Attentat der Verschwörer des 20. Juli. Es sei "geradezu zum Verzweifeln, wie viele dumme Zufälle Hitler gerettet haben". Die Tat Elsers sei erfolglos, aber nicht vergebens gewesen.
Zu oft, so Schäuble, werde der Widerstand nur mit jenem 20. Juli des Jahres 1944 und einer überschaubaren Gruppe hoher Offiziere verbunden. Der Widerstand mit seinen verschiedenen Gesichtern gehöre zu den Voraussetzungen für eine "zweite Chance
Der Weg zur Elser-Büste Wichtig für Berlin-Besucher: Die "Straße der Erinnerung" in der Bundeshauptstadt ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Vom Hauptbahnhof aus geht es mit der S-Bahn in Richtung Zoologischer Garten bis zur Station Bellevue. Vom Ausgang Innenministerium führt der Weg über die Spreebrücke und dann nach links zum Spreebogen. Zur Einweihung der Elser-Büste hat die Ernst-Freiberger-Stiftung das Buch "Georg Elser" herausgebracht. Autoren sind Prof. Peter Steinbach, Leiter der ständigen Ausstellung "Widerstand gegen den Nationalsozialismus", und Prof. Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin. |
Die Deutschen hätten sich mit dem Widerstand schwer getan, sagte Schäuble. Das möge mit einem Abwehrmechanismus zu tun haben, der aus der eigenen Schuld resultiere und aus dem Bedürfnis, das Geschehene zu verdrängen. Es sei nicht leicht gefallen, anzuerkennen, dass es Menschen gegeben habe, "die ein klareres Urteil und den Mut hatten, sich dem Hitler-Regime zu widersetzen". Dies habe für Stauffenberg und seine Mitverschwörer gegolten, viel mehr aber noch für Elser.
Georg Elser habe lange Zeit nicht nur am Rande der Gesellschaft gestanden, so Schäuble weiter, sondern sei ein "stummes Opfer unterschiedlicher Diffamierungen" gewesen. Heute gehöre er zu jenen Personen, "die es uns leichter machen, auf die Geschichte unseres Landes zurück und hoffnungsvoll nach vorne zu blicken".
Prof. Christoph Stölzl, früherer Direktor des Deutschen Historischen Museums, bescheinigte Elser, instinktiv erkannt zu haben, dass Hitler die treibende Kraft und der Auslöser der Zweiten Weltkriegs sei. Elser sei aus dem Nichts gekommen und nach seiner Tat auch wieder im Nichts verschwunden. "Es war ein langer Umweg zur Anerkennung", so Stölzl, "viele Mythen und Legenden verhinderten zu lange eine angemessene Würdigung."
In Anwesenheit des Künstlers Kay Winkler , der im Jahre 2000 einen sechs Meter hohen Kopf Elsers für den deutschen Pavillon auf der Expo in Hannover geschaffen hatte, wurde die Elser-Büste der Öffentlichkeit präsentiert.
Quelle: Heidenheimer Zeitung 4.10.2008 - www.hz-online.de
Denkmal für Hitler-Attentäter Elser in Berlin
Die Welt 24.9.2008
Elser-Büste wurde am 24. September 2008 in Berlin enthüllt
Büste auf der "Straße der Erinnerung" im Spreebogen Alt-Moabit enthüllt - Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble würdigt Hitler-Attentäter
Es ist die erste Würdigung Elsers dieser Art in Deutschland überhaupt. Mehrere Versuche in München und Berlin, die selbstlose Tat des in Württemberg geborenen Schreiners prominent in das öffentliche Bewusstsein zu rücken, blieben bislang ohne Erfolg. Die Ernst Freiberger-Stiftung setzt nun ein Zeichen: "Das Gesicht Georg Elsers zeugt für das andere Deutschland vor 1945, das der hellen Stimme des Gewissens auch in finsterer Zeit verpflichtet blieb", sagte Ernst Freiberger bei der feierlichen Denkmal-Einweihung in der Bundeshauptstadt. Sechste Büste auf der "Straße der Erinnerung".
Mit ihren Denkmalen erinnert die Ernst Freiberger-Stiftung an herausragende Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft, die in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts als "Helden ohne Degen" Außergewöhnliches geleistet und auch in schwierigsten Zeiten vorbildliche Haltung bewiesen haben. Georg Elser ist die sechste Person der Zeitgeschichte, dessen Büste nun die "Straße der Erinnerung" in Berlin Alt-Moabit säumt.
Um die Person Georg Elser rankten sich lange Zeit viele Gerüchte. Noch weit nach dem Krieg wurde er diffamiert und sein Handeln verschiedenen Auftraggebern zugeordnet. Sogar Historiker sahen in dem einfachen Handwerker und Hilfsarbeiter eine Marionette der Nationalsozialisten. Erst 1969 räumte Anton Hoch vom Institut für Zeitgeschichte jeden Zweifel an Elsers Alleintäterschaft aus dem Weg. Die wichtigste historische Grundlage sind die 1964 von dem Historiker Lothar Gruchmann entdeckten Verhörprotokolle der Elser-Verhöre.
"Hitler hieß für Elser nichts anderes als Verbrechen, Krieg und unermessliches Leid für die Menschheit. Darum der einsame Entschluss zum Attentat. Wäre es gelungen, hätte es den Gang der Weltgeschichte wie kein anderes Ereignis des 20. Jahrhunderts verändert", sagte in Berlin Ernst Freiberger vor zahlreichen Gästen aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Verwaltung. Elser sei Hitler so nahe gekommen, wie erst Jahre später der Kreis Stauffenberg, als Deutschland und Europa in Trümmern lagen und der Holocaust bereits stattgefunden hatte.
Pressemitteilung der Ernst Freiberger-Stiftung 24.9.2008
Der Bildhauer: Kay Winkler schuf die Berliner Elser-Büste
Kay Winkler |
Kay Winkler hat sich bereits knapp zehn Jahre zuvor mit Georg Elser beschäftigt, als er dessen acht Meter
hohe Elser-Großplastik für die
Expo 2000
geschaffen hat.
Biographie
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Preise, Stipendien (Auswahl)
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Rede von Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble bei der Enthüllung der Georg-Elser-Büste am 24. September 2008 in Berlin
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Während Elser vernommen wird, explodiert im Münchener Bürgerbräukeller um 21:20 Uhr die von ihm gebaute Bombe. Ihr eigentliches Ziel erreicht sie nicht: Hitler und seine NS-Entourage haben das Lokal 13 Minuten zuvor frühzeitig verlassen.
Auch die Festnahme Elsers war, wenn man späteren Berichten glauben darf, ein tragischer Zufall: Statt Streife zu gehen, saßen die Zollbeamten auf einer Gartenbank und hörten aus dem Fenster des dortigen Erziehungsheims Hitlers Münchener Rede an. (Nach seinem Aufgriff muss Elser die Rede zunächst noch mit anhören.) "Hätte ich", so der damalige Zollbeamte und spätere Unternehmer Zipperer, "Dienst nach Vorschrift gemacht, wäre Elser nicht gesehen und gefasst worden."
Die Banalität der Ereignisse, die Elser zum Verhängnis wurden, aber vor allem die Banalität der Ereignisse, die seine Tat letztlich scheitern ließen, ist das Tragische.
Die 2008 enthüllte Elser-Büste in Berlin ist zwar die erste Büste, aber nicht das erste, sondern das dritte dreidimensionale Denkmal für Elser: |
Die Tat Georg Elsers ist Teil eines Widerstandes, dessen Vielfältigkeit häufig nicht recht wahrgenommen wird. Zu oft wird der Widerstand nur mit dem 20. Juli 1944 und einer überschaubaren Gruppe hoher Offiziere verbunden. Schon die gesellschaftliche Vielfalt der Oppositionsgruppen, die allein hinter diesem einen Versuch standen, wird dabei oft übersehen. Wenn die unterschiedlichen Initiativen auch eine kleine Minderheit in der Bevölkerung blieben: Der Widerstand reichte von der Arbeiterbewegung, über Jugendliche, bürgerliche Gruppen, die Kirchen und viele andere bis hin zu Adel und Wehrmacht.
Auch in der Zivilbevölkerung gab es viele Männer und Frauen, die schlicht menschlich handelten und die - teilweise unter Einsatz des eigenen Lebens - vor ihrer Haustür der nationalsozialistischen Willkür die Stirn boten, ohne je ins Rampenlicht zu rücken.
Georg Elser passt in beide Kategorien nicht recht. Er ist eine Ausnahmeerscheinung auch im Widerstand: unangepasst und ein wenig sperrig. Er passt sich äußerlich nicht an, sondern entzieht sich den Nazis unverhohlen. So unverstellt wie seine äußere Haltung gegenüber dem Regime ist auch seine - im Nachhinein bezwingend klare - Sicht auf die politische Entwicklung. Ihr folgt der einsame Entschluss, die minutiöse Vorbereitung und die ungeheuerliche Tat wie selbstverständlich.
Die Tat Georg Elsers war erfolglos, aber nicht vergebens. Der Widerstand mit seinen verschiedenen Gesichtern gehört zu den Voraussetzungen für eine zweite Chance Deutschlands. Die Widerstandskämpfer stehen für die Grundwerte von Freiheit und Menschenwürde ebenso wie für Zivilcourage und die Verantwortung jedes Menschen.
Parallel zur Elser-Büste publizierte die Ernst Freiberger-Stiftung ein neues Buch mit dem Titel Georg Elser. Autoren sind die renommierten Historiker Peter Steinbach und Johannes Tuchel. |
Heute muss in Deutschland niemand mehr in den Widerstand gehen. Wer deutsche Behörden mit der Gestapo oder der Stasi vergleicht, der hat nicht im Geringsten begriffen, was es hier in diesem Land für furchtbare Verbrechen gegen Menschen gegeben hat.
Aber der freiheitliche Verfassungsstaat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht wirklich zu schaffen vermag. Ohne Demokraten keine Demokratie, das wissen wir seit dem Scheitern vom Weimar. Und ohne Verantwortung und Engagement der Bürgerinnen und Bürger keine nachhaltige Freiheit. Freiheit und Rechtsstaatlichkeit dürfen nicht erst wertvoll erscheinen, wenn sie gefährdet oder gar verloren sind. Damit es dazu niemals wieder kommt, ist es so wichtig, uns an die Haltung und moralische Kraft der Widerstandskämpfer zu erinnern, die uns Vorbild sind.
Wir Deutschen haben uns mit dem Widerstand schwer getan. Das mag mit einem Abwehrmechanismus zu tun haben, der aus der eigenen Schuld resultiert und einem Bedürfnis, das Geschehene zu verdrängen. Es fiel nicht leicht anzuerkennen, dass es Menschen gab, die ein klareres Urteil und den Mut hatten, sich dem Hitler-Regime zu widersetzen. Das gilt schon für Stauffenberg und seine Mitverschwörer. Das gilt aber noch viel mehr für Elser, den schwäbischen Handwerker, der viel früher ein klares Urteil fasst und einfach handelt.
Georg Elser stand lange Zeit nicht nur am Rande der öffentlichen Aufmerksamkeit, sondern war stummes Opfer unterschiedlicher Diffamierungen. Heute endlich erinnern wir uns mit Dank an Georg Elser. Er gehört zu denen, die es uns leichter machen, auf die Geschichte unseres Landes zurück und hoffnungsvoll nach vorne zu blicken.
Bundesministerium des Inneren - www.bmi.bund.de
Denkmale für Hitler-Attentäter Elser in Berlin
Elser-Büste der Ernst Freiberger-Stiftung wird am 24. September 2008 enthüllt
Das teilten die Freiberger-Stiftung und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand am Mittwoch mit.
Außerdem wird von der Gedenkstätte der Plan eines staatlichen Elser-Denkmals vorangetrieben, das vermutlich in der Nähe von Hitlers früherer Reichskanzlei unweit des Potsdamer Platzes errichtet werden soll.
"Ich wollte immer Unternehmer sein"
Ernst Freiberger: Die einmalige Geschichte eines Pizzabäckers, der in Berlin ein Vermögen machte
VON ALFONS FRESE
Berlin - Der Zufall hat immer ein bisschen mitgespielt im Leben von Ernst Freiberger. Damals, als der Vater im Taxi kollabierte und der Junge an den Bedenken des Alten vorbei die Pizzafabrik kaufte. Oder als ihm der Bankier des Pleitekonzerns Coop in der Hotel-Lobby über den Weg lief und Freiberger ihn wegen des Meierei-Bolle-Areals ansprach, das der Coop gehörte. Als auch noch die Mauer fiel, ging alles wie von selbst. Fast. Heute ist Ernst Freiberger 56 Jahre alt, in zweiter Ehe verheiratet und Vater von vier Kindern. Ein gemachter Mann. Kaum jemand sonst hat in den letzten Jahrzehnten in Berlin so erfolgreich Geschäfte gemacht wie er. "Und dabei habe ich nie irgendwo eine Lehre gemacht."
Ernst Freiberger |
In Amerang, einem 800-Seelen-Ort in der Nähe von Rosenheim, wollte der Bäcker Ernst Freiberger in den ersten Nachkriegsjahren etwas unternehmen. Er hatte die Tochter des Wirts geheiratet und begann 1949 mit ihr zusammen Eiscreme zu produzieren. Auf einem Miele- Motorrad transportierte Freiberger das Eis zu Bäckereien in den Nachbargemeinden. Der große Durchbruch kam, als er die Chiemsee Dampfschifffahrtsgesellschaft als Kunden gewann. Freiberger, nach Einschätzung seines Sohnes "ein guter Kontakter", wurde immer erfolgreicher.
Seine ersten Lebensjahre hat der kleine Ernst genossen. Sonntags fuhren die Eltern mit dem Sohn über Land und ließen ihr Eis in Gasthäusern und Hotels verkosten. Kundenakquise in Oberbayern. Meistens schlief der Kleine am Abend auf einer Wirtshausbank ein. "Ganz wichtig war für mich, in der Aufbauzeit meiner Eltern daheim zu sein", sagt Freiberger über jene Jahre. Er fand es großartig, wie der erste Lastwagen bestellt und in den 50ern die erste Maschine aus England geliefert wurde. "Das hat mir unendlich gefallen, ich wollte immer Unternehmer sein." Während des Studiums betrieb er einen Minigolfplatz und arbeitete als Vertreter der Allianz Versicherung. "Heute sitze ich im Aufsichtsrat der Allianz."
Eigentlich wollte Freiberger junior nach dem Studium ein Squash-Center in München betreiben. Doch dann gab es wieder einen dieser Zufälle. Der Chefeinkäufer der Hähnchenbräterei Wienerwald erzählte den Freibergers von einem Lieferanten in Berlin, der vor der Pleite stand: eine kleine Pizzafabrik mit 20 Beschäftigten. Vater und Sohn Freiberger flogen nach Berlin, um sich das Objekt anzusehen. Das Ziel des erfahrenen Seniors: Die Firma kaufen, schließen und die Maschinen nach Bayern transportieren, weil der Produktionsstandort Berlin einen schlechten Ruf hatte. Doch auf dem Weg vom Flughafen, im Taxi, kollabierte der Senior. Und die einmalige Geschichte eines Pizzabäckers, der als Diplomkaufmann gerade von der Uni gekommen war, nahm ihren Lauf.
Freiberger junior kaufte die Pizzafirma, brauchte dazu aber die Hilfe des Vaters, der dagegen war. Schließlich schlossen die beiden einen "knallharten Bürgschaftsvertrag", wie der Junior heute sagt. Jede Investition, die nicht direkt mit der Pizzafabrik zusammenhing, musste sich der Junge vom Alten genehmigen lassen. "Mein Ehrgeiz war, so schnell wie möglich in die Gewinnzone zu kommen." Er schaffte es und konnte schon nach vier Monaten die Bürgschaft zurückgeben. Der junge Freiberger, der von den mit Eis zu Wohlstand gekommenen Eltern zum Abitur einen Porsche geschenkt bekommen hatte, arbeitete hart. Jeden Morgen um halb sechs machte er sich auf den Weg vom Nollendorfplatz, "wo ich möbliert wohnte", in die Fabrik nach Moabit. Mit einem Ford Escort.
Freiberger erzählt gerne von den Anfängen. Ganz unverblümt und sachlich, ohne besondere Attitüde, schon gar nicht mit Aufschneiderei. Ein nüchterner Chronist der eigenen Geschichte, den es immer begeistert hat, "neue Dinge anzureißen und auf den Weg zu bringen; das ist meine Stärke". Schon lange angekommen im exquisiten Leben, mit Fahrer und Köchin und diversen Wohnungen, erzählt er schlicht aber mit ein wenig Stolz die Geschichte einer Pizzafabrik:
Zu Beginn, 1976, wurde auf 800 Quadratmetern in den Bolle-Räumlichkeiten produziert, dann waren es 2000, 15 000 und schließlich ein Neubau in Reinickendorf mit 40 000 Quadratmetern. Das Grundstück dafür wollte der Senat Mitte der 80er Jahre erst nicht zur Verfügung stellen, die Politiker glaubten nicht an die Zukunft der Pizzafertigung. Doch der damalige Staatssekretär beim Wirtschaftssenator, Günter Rexrodt, ließ sich von Freibergers High-Tech-Anlagen überzeugen und half ihm in der Grundstücksangelegenheit. 40 Millionen Mark investierte Freiberger 1986 in die neue Fabrik. Ein paar Jahre später zeichnete sich in der vereinigten Stadt das Ende der Berlinförderung ab, mit der Westberliner Firmen vom westdeutschen Steuerzahler unterstützt wurden. Bei Unternehmen wie Freiberger machte das immerhin rund zehn Prozent vom Umsatz aus. Nach dem Auslaufen der Förderung schlossen viele Fabriken und manche verließen die Stadt. Freiberger dagegen gab Gas. "Wir haben den Laden fit gemacht für die Zeit nach dem Wegfall der Berlinpräferenzen und damals in einem Jahr 135 Millionen Mark investiert." Heute hat die Firma 1900 Mitarbeiter, 800 davon in Berlin, und produziert jeden Tag zwei Millionen Packungen Tiefkühlkost. Für den Pizza- und Pastakäse wird die Milch von 15 000 Kühen gebraucht.
Letzen Freitag feierte Freiberger seinen Rückzug aus dem Aufsichtsrat der Firma, die seit 30 Jahren seinen Namen trägt. Bei einer "italienischen Nacht" im eigenen Hotel Spreebogen hielt Wirtschaftsminister Michael Glos eine Rede auf seinen bayerischen Landsmann, der in Preußen sein Glück machte. Verkauft hatte Freiberger sein Unternehmen schon vor vielen Jahren an die Südzucker. Auch da spielte der Zufall mit rein. Ein Konkurrent aus Baden-Baden machte Freiberger Mitte der 80er Jahre mit Dumpingpreisen die Margen kaputt. Dann erfuhr Freiberger, dass die Südzucker 50 Prozent dieses lästigen Wettbewerbers erworben hatte. Er nahm Kontakt mit den Südzucker-Bossen auf und verhandelte satte zwei Jahre. 1989 endlich übernahm dann die Freiberger-Firma den Querulanten aus Baden-Baden und Freiberger persönlich verkaufte 25,1 Prozent an seinem Unternehmen an Südzucker.
Jetzt hatte er viel Geld. Also Spielmasse, um etwas Neues zu unternehmen. Freiberger kaufte die Humboldt-Mühle in Tegel. Mit 60 Millionen Euro für 20 000 Quadratmeter war das noch ein relativ überschaubares Investment, das sich mit Hotel und Büros gut rechnete.
Doch dann kam der Standort der Meierei Bolle in Moabit, zwischen Strom- und Kirchstraße. Das Grundstück an der Spree gehörte der Coop, die Pleite gegangen war. Am 1. November 1989 einigte sich Freiberger mit einem Vertreter der DG Bank, die als Coop-Hausbank fungierte, über den Verkaufspreis. Nicht schriftlich, sondern per "hanseatischem Ehrenwort", wie Freiberger sagt. Eine Woche später fiel die Mauer und auf das Grundstück waren über Nacht viele Investoren scharf. Doch das Ehrenwort hielt und Freiberger bekam das Grundstück zum vereinbarten Preis. Er arrangierte sich mit dem Bezirk (der dort ursprünglich eine Schule bauen wollte) und einer Bürgerinitiative und baute für 500 Millionen Mark den Spreebogen, mit Hotel, Gastronomie und Handel, Wohnungen und schließlich dem riesigen Bürohaus, das heute das Bundesinnenministerium beherbergt.
Hier und da wird im Ministerium überlegt, aus dem vermeintlichen Schmuddelbezirk Moabit wegzuziehen und dem Innenminister an repräsentativerer Stelle zwischen Hauptbahnhof und Kanzleramt ein neues Haus zu bauen. Doch Freiberger bleibt gelassen. Frühestens 2016 kann der Mieter ausziehen und muss in jedem Fall bis 2018 zahlen. Wenn der Bund die monatliche Miete von gut einer halben Million Euro nicht zahlen will, könnte er das Haus auch kaufen. Freiberger hat ein entsprechendes Angebot gemacht, das ihm zufolge rund 100 Millionen Euro unter den Kosten eines Neubaus in Mitte liegt.
Der gebürtige Bayer hat sich in den vergangenen Jahren wieder der Heimat zugewandt. Nach dem Verkauf der Pizzafabrik reiste er zwei Jahre durch die Welt und bemerkte dabei, wie wichtig ihm doch Bayern ist. Dort betreibt er inzwischen ein halbes Dutzend Reha-Kliniken (Medical Parks), die er zum Teil aus der Insolvenzmasse übernahm, nachdem die Gesundheitspolitik vor zehn Jahren den klassischen Kurkliniken den Geldhahn abdrehte. Im Heimatort Amerang möchte er das vom Vater geerbte Oldtimer-Museum mit 300 Autos in Schwung bringen.
Doch auch für Berlin gibt es Pläne. Die Humboldtmühle wird zu einem Reha- Zentrum umgebaut, der erste Medical Park in Berlin. Und in Mitte, an der Oranienburger Straße, überlegt der Unternehmer, was er mit dem ehemaligen Reichstelegrafenamt macht, das ihm gehört. Für die Nutzung der 70 000 Quadratmeter in bester Lage sucht er eine Idee. "Berlin steht nicht für Ku’damm und Linden. Die Szene rund um das Scheunenviertel ist das Besondere." Und da will er dabei sein und überhaupt "nur noch das machen, was Spaß macht". Für die Jugend hat Freiberger einen aufmunternden Satz als vorläufige Quintessenz seines Unternehmerlebens parat: "Gründerzeit ist immer."
Der Tagesspiegel 24.9.2006
Peter Steinbach, Johannes Tuchel: Georg Elser
Georg Elser: Denkmale und Gedenktafeln
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