Auf der Expo in Hannover: Eine Büste des Hitler-Attentäters Johann Georg Elser
Der Widerstandskämpfer in Gips
Eingezwängt zwischen den Gittern der metallenen Laufstege steht der Besucher auf Augenhöhe
unmittelbar vor der acht Meter hohen Büste des Königsbronner Widerstandskämpfers Johann Georg Elser.
Umgeben ist er von illustren Namen und Köpfen wie Gerhard Polt oder Bertolt Brecht sowie einer weißen
Maus - sie steht für die "Sendung mit der Maus" - und Fotos der Montagsdemonstranten, die 1989 mit
Beharrlichkeit und ihrem Ruf "Wir sind das Volk" die Diktatur der DDR zum Einsturz brachten.VON MANFRED MAIER
Wie kam es zur Auswahl Elsers? Die Stuttgarter Agentur Milla + Partner erhielt 1998 von der
Bundesregierung den Auftrag, Menschen und Ideen zu benennen, die vor allem im 20. Jahrhundert
Deutschland vorwärts gebracht haben. Seitens der neuen Regierung stand fest, dass der
Widerstand gegen die Nazi-Diktatur nicht ausgeklammert werden dürfe.
Jeanette Rieger-Buhl, die als Projektleiterin freie Hand bei der Auswahl hatte, berichtet, es sei
ein spannender Prozess gewesen, bis aus 300 Persönlichkeiten 47 ausgewählt waren. Die letzte
Entscheidung trafen der Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, und Regierungssprecher Uwe-Carsten Heye.
Bis zum Schluss wurden die Namen geheim gehalten. Zivilcourage und Widerstandswillen in der Nazi-Zeit
sind durch drei Namen dokumentiert: Georg Elser, Sophie Scholl und Claus Graf Schenk von Stauffenberg.
Es sollte der Öffentlichkeit auf der Expo im Deutschen Pavillon die "Ideenwerkstatt Deutschland"
präsentiert werden. Es handelt sich um die Anmutung einer Werkstatt, eines Bildhauerateliers. Alles
ist in Arbeit, alles ist im Wandel. Unfertige Skulpturen, halbfertige Büsten. Sie stehen für Gedanken,
die das Land weiterbringen.
Die Auswahl der Persönlichkeiten zog teilweise Kritik auf sich, so zum Beispiel im "Stern", der
sich unter der Überschrift "Kuriose Köpfe" über die "merkwürdige Auswahl gar nicht so
bekannter Geistesgrößen" mokierte.
Vor den Köpfen sind am Geländer der Laufstege Rollen mit Informationen angebracht. In Elsers Fall
lautet die Inschrift: "Ganz allein zu Hause fasste der Schreiner den Entschluss, Adolf Hitler zu töten.
Am 8. November 1939 misslang Elsers Bombenattentat in München. Nach seiner Verhaftung über mehrere Jahre
im Konzentrationslager festgehalten, wurde er auf Befehl Himmlers einen Monat vor Kriegsende ermordet."
Wie bekannt ist eigentlich Georg Elser? Von 60 befragten Besuchern antworteten - erwartungsgemäß und
dennoch ernüchternd - 54 im Angesicht der Gipsbüste mit "nein", "keine Ahnung",
"nie gehört" oder "kann damit nichts anfangen". Für den Heidenheimer Elser-Arbeitskreis
ist es zumindest tröstlich, zu wissen, dass zumindest zehn Prozent der Besucher der Name und Widerstand Elsers
ein Begriff ist. Vor zehn Jahren wäre es zu einer Auswahl Elsers gar nicht gekommen. Zu diesem Zeitpunkt
waren der Name und die Tat Elsers bei höchstens einem Prozent der Bevölkerung im Bewusstsein angekommen.
Die Großplastik wurde von Kay Winkler, geb. 1956 in Kirchheim/Teck, geschaffen. Von ihm
ist auch die 2008 in Berlin eingeweihte
Georg-Elser-Büste in Berlin.
Am Ende kam die Säge
Das Schicksal, das die Büste nach dem Ende der Weltausstellung genommen hat, ist allerdings
eher traurig: "Die Elser-Büste ist entsorgt worden", bestätigte Henrike Zeller von der Stuttgarter
Agentur Milla + Partner auf Anfrage der HZ. Wegen seiner Größe wäre der "Umzug" des Kunstwerkes sehr
teuer geworden. Vor dem Transport hätte der acht Meter hohe Kopf "fachgerecht zerlegt" werden müssen.
Kleinere Büsten seien allerdings erhalten geblieben, so Henrike Zeller. Es sei versucht worden, diese an ihre
"Heimatorte" zu vermitteln. Die Agentur war von der Bundesregierung beauftragt worden, für die
"Ideenwerkstatt Deutschland" im deutschen Pavillon der Expo 46 herausragende Persönlichkeiten auszuwählen.
Unter anderem die Münchner Journalistin Dr. Hella Schlumberger hatte sich darum bemüht, die acht Meter hohe Büste
zu erhalten. Es schien bereits möglich, für den modellierten Kopf des Widerstandskämpfers einen neuen, dauerhaften
Standort im Bereich der Münchner Georg-Elser-Hallen zu finden. Es war geplant, den Gips wetterfest zu machen und
möglicherweise mit Zitaten Elsers künstlerisch zu verfremden. Für Auf- und Abbau sowie den Transport der Büste,
so berichtet Hella Schlumberger, wären laut einem Fax der Agentur 95000 Mark zu bezahlen gewesen. Eine Summe, die
zu übernehmen sich niemand in der Lage sah.