Ein anderer Mitarbeiter der "Süddeutschen Zeitung", W. Maschner, konnte in München die beiden Handwerker feststellen, die Im Oktober 1939 im Auftrag von Georg Elser die Höllenmaschine gebaut haben, die dann am 9. November 1939 im Bürgerbräukeller explodierte. Es handelt sich um die Schlossermeister Niederhofer und Wechsler. Der letztere ist im Februar 1945 gestorben. Max Niederhofer arbeitet in einer Werkstatt in der Rumfordstraße. Er erzählt über seine erste Begegnung mit Elser folgendes:
"Ungefähr drei Wochen vor dem Attentat im Bürgerbräukeller erschien ein Herr Elser bei mir in der Werkstatt, brachte zwei Uhrengewichte mit und bat mich, diese auszutreiben. Mir fiel sofort auf, dass diese Gewichte für eine normale Pendeluhr etwas groß waren. Auch der Deckel hatte ein ungewöhnliches Format, und die Gewinde erschienen mir etwas eigenartig. Elser bat mich, die Gewichte mit Blei auszugießen und versprach mir dafür als Belohnung ein paar Feilen, wenn ich den Auftrag schnell erledigen würde.
Am gleichen Abend besuchte mich mein Berufskollege Wechsler in der Werkstatt, sah auf meinem Arbeitstisch Elsers Uhrenbestandteile liegen und sagte: 'Ich mach auch so etwas.' Dann erzählte er, dass ihm ein Herr am gleichen Tag eine Schlittenmechanik zur Ausarbeitung übergeben habe mit der Bemerkung: Das wird ein Patent! Ich sagte zu Wechsler sofort: 'Das wird eine Höllenmaschine für das Bürgerbräu!'
Wechsler bekam Angst und wollte die Finger davon lassen. Ich riet ihm, das Maul zu halten und den Auftrag zu übernehmen. Dabei erklärte ich ihm auch gleich: 'Vielleicht machen's die Nazis selber - wenn du aussteigst, kannst du noch schief gewickelt werden!' Dann gingen wir in seine Werkstatt hinüber. Ich sah mir das Material an, das Elser meinem Kollegen gebracht hatte. Es war ein Zahnrad, eine Schnecke und ein Schlitten mit Sperrbolzen. Ich meinte zu Wechsler: 'Wenn du das als Meister nicht gleich kennst, dann tust du mir leid! Das wird eine Höllenmaschine, und wenn's funkt, ist der Krieg gar.'
Dabei kam mir der Einfall, dass man den Nazis ein Schnäppchen schlagen könnte, und ich schlug Wechsler vor, das Zahnrad so zu konstruieren, dass die Bombe früher explodiert. Wechsler traute sich nicht, den Auftrag Elsers abzuändern, und ich schlug ihm daher vor, das Zahnrad selbst auszufeilen.
Noch in der gleichen Nacht sperrte ich mich - ohne dass jemand außer meinem Kollegen davon wusste - in Wechslers Werkstatt ein und fräste das Zahnrad für die Höllenmaschine. Die Arbeit dauerte von halb 11 Uhr abends bis 4 Uhr früh. Ich machte zwei Zähne weniger, als Elser angegeben hatte, sodass die Bombe viel früher explodieren musste, als es gewollt war. Die Füllung der Uhrengewichte hatte ich schon vorher in meiner eigenen Werkstatt beendet.
Am nächsten Tag erschien Elser in meiner Wohnung und holte die Gewichte ab. Er sagte: 'Wenn's gut geht, lass ich Sie mitkommen!', und fügte hinzu: 'Das wird nämlich ein Patent und ich werde viel Geld verdienen!' Elser bezahlte für die Arbeit 10 RM und ich schrieb in das Lieferbuch: Zwei Uhrengewichte ausgedreht."
Der Schlosser Max Niederhofer schilderte dann, wie er am Abend der Bürgerbräu-Kundgebung am Rundfunkgerät saß, und auf das Explodieren der Bombe wartete. Zu seiner größten Überraschung begann die Rede Hitlers schon eine halbe Stunde vor der üblichen Zeit, nämlich um 7 Uhr abends, und dauerte nur eine Stunde.
Im Januar 1940 erst kam die Gestapo Niederhofer auf die Spur:
"Ich wurde vor meiner Werkstatt festgenommen und mit meinem Gesellen in das Gestapo-Gebäude Ecke Türken- und Brienner Straße gebracht. Wir wurden in einen großen Saal geführt. Wechsler war schon da. Ich wurde von 2 Uhr nachmittags bis 6.30 Uhr abends von sechs Kommissaren verhört und erhielt dann den Auftrag, ein Muster von den Gewichten zu machen, die Elser mir zum Austreiben gebracht hatte. Man zeigte mir ein Album, in dem Photographien von sämtlichen Bestandteilen der Höllenmaschine aneinandergefügt waren. Die Aufnahmen wurden nach dem Attentat gemacht und die einzelnen Teile waren schon beschädigt oder verbogen. Ich sollte 'meine Gewichte' herausfinden, und das ist mir auch gelungen. Wechsler hat übrigens nicht verraten, was ich in seiner Werkstatt mit dem Zahnrad gemacht habe."
Max Niederhofer erzählt, wie er bei den weiteren Vernehmungen von den Gestapo-Beamten gefesselt, geohrfeigt und geschlagen wurde. Man ließ ihn immer wieder nach Hause gehen und holte ihn immer wieder zu neuen Verhören zurück. Er hatte strenge Schweigepflicht und wurde eines Tages verdächtigt, etwas ausgeplaudert zu haben. Zur Strafe musste er wochenlang täglich um 9 Uhr früh bei der Gestapo erscheinen, sich in einem bestimmten Zimmer militärisch melden und folgenden Satz sprechen: "Heil Hitler! Ich kann schweigen! Heil Hitler!"
Niederhofer sagt wörtlich: "Ich bin an dreißig Tagen mindestens 25mal mit Fußtritten oder Ohrfeigen traktiert worden!"
Über sein eigenes Leben teilte Niederhofer mit, dass er - ebenso wie sein Bruder - in London geboren ist und ein "Feind der Nazis" war. Er verbrachte seine Jugend in München und war durch mehrere Jahre arbeitslos.
"Im Jahr 1936 hat mir ein Bekannter geraten, der SS beizutreten, damit ich eine Anstellung finde. Diesen Rat habe ich befolgt und erhielt auch sofort einen Posten als Schlosser bei BMW. Ich hatte nur einen Wunsch: nach England auszuwandern. Im Juli 1927 ist es mir gelungen, mir einen falschen Pass zu beschaffen. Ich hatte aber leider auf der Fahrt nach der Schweizer Grenze eine Motorrad-Karambolage und kam mit einem dreifachen Oberschenkelbruch ins Krankenhaus. Ich arbeitete dann wieder bei BMW weiter und wurde am 5. August 1939 zum Militär einberufen. Im Herbst verunglückte mein Lehrmeister Roith tödlich und seiner Frau gelang es, mich zur Übernahme der Werkstatt vom Militär freizubekommen.
Ich hatte eine Pfundswut auf den Krieg, und es hat mir damals leid getan, dass die Bombe nicht den Richtigen getroffen hat. Die Gestapo hat übrigens später herausbekommen, dass ich einen falschen englischen Pass hatte, stellte mich unter Aufsicht wegen Spionageverdacht und drehte in meiner Werkstatt alles um. Mein Geburtsort London war ihnen auch von Anfang an verdächtig. Die größte Schikane, die ich durchmachen musste, war, dass man mich immer dann, wenn schwere Luftangriffe erwartet wurden, in den Bombennächten in das Gestapogefängnis holte: dort wurde uns Häftlingen natürlich nicht gestattet, den Luftschutzkeller aufzusuchen."
Max Niederhofer betrieb in der
Rumfordstraße 32 in München eine Schlosserei.
Wissentlich (Aussage 1946) oder unwissentlich (Aussage 1959) fertigte er 1939 eine Komponente für Georg Elsers Höllenmaschine an.
Niederhofers Aussage von 1946 steht im Widerspruch zu späteren Aussagen von Max Niederhofer in der 1959 in der Bild am Sonntag
erschienenen Reportage
Zieh' dich aus, Georg Elser!.
Besonders abwegig an der Aussage von 1946 ist die angebliche Schlussfolgerung Niederhofer aus den
beiden Uhrengewichten in Verbindung mit Wechslers Erwähnung der Schlittenmechanik, dass es sich
a) um eine Höllenmaschine handle, die
b) drei Wochen später im Bürgerbräukeller eingesetzt werden würde.
Welchen Sinn die frühere Explosion hätte haben sollen, bleibt offen, da Niederhofer den
geplanten Explosionszeitpunkt nicht kannte. Niederhofers angebliche Modifikation des Zahnrads unterstellt,
dass sein Auftraggeber diese nicht bemerken und das Zahnrad unbesehen verwenden würde.
Tatsächlich ist die Bombe pünktlich zu dem von Elser geplanten Zeitpunkt
um 21:20 Uhr losgegangen.