Aus einer Rezension von Rainer Blasius in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
In seiner Rezension zweier Neuerscheinungen zum Thema Georg Elser, die am 30. November 2009 mit der Überschrift
"Nachknall - Georg Elsers Attentat" in der FAZ erschien, beginnt Rainer Blasius mit der These des Politikwissenschaftlers
Lothar Fritze im Jahre 1999, dem Elser-Attentat auf Hitler werde zu viel der Ehre zuteil. Der Attentäter habe
schließlich den Tod von acht Menschen schuldhaft verursacht.
Fritze sei es um die Frage nach dem Vorbildcharakter der Tat,
ja um die "Propagierung problematischer Vorbilder" durch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, die
Ende der neunziger Jahre eine Wanderausstellung über Elser veranstaltet hatte, gegangen.
Der Attentäter habe laut Fritze "Sorgfaltspflichten im Bereich des Denkens und Planens" verletzt. Dieses Urteil beziehe sich
"ausschließlich auf die Tatdurchführung", denn die Tat habe einem "gerechtfertigten Ziel" gegolten. Elsers
Vorgehen weise "Momente von Mitleids- und Gedankenlosigkeit" auf.
Für seine 1999 geäußerte These musste Fritze der Rezession zufolge viel Kritik einstecken,
insbesondere von den Leitern der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Peter Steinbach und Johannes Tuchel.
Seine Antwort sei nun die Publikation "Legitimer Widerstand?", die seine Beiträge zum "Fall
Elser" dokumentiert.
Im Rückblick auf die von ihm ausgelöste Kontroverse werfe er Steinbach und Tuchel vor, sie hätten 1999
einen Frontalangriff geführt, "der die Vernichtung der wissenschaftlichen Existenz eines Autors
beabsichtigte".
Der Rezensent zitiert Fritze: "Im Katalog zur Sonderausstellung, die die Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Georg Elser widmete, werden jedoch weder Maria Henle noch Maria Strobl namentlich erwähnt - ja es wird noch
nicht einmal mitgeteilt, dass unter den Toten und Verletzten überhaupt Menschen waren, die in jedem vernünftigen
Sinne als Unschuldige zu gelten haben. ,Acht Tote und über 60 Verletzte' - so bilanzieren Steinbach und Tuchel
lapidar! Während selbst das unbeteiligte und ahnungslose, nach dem Anschlag aber Verhören ausgesetzte Ehepaar,
bei dem Elser in München logierte, namentlich erwähnt und mit Bild und familiären Details vorgestellt
wird, bleibt für die unschuldigen Opfer kein Wort!"
Schließlich fahre Fritze ein starkes Geschütz auf: "Die systematische Ausblendung der Opfer ist vielmehr
das Geheimnis des Erfolgs, Elser als unbefleckten Helden der Öffentlichkeit vermitteln zu können. Wer die
Verhältnisse in der DDR kennt, fühlt sich an eine tendenziöse Geschichtsschreibung aus unseligen Tagen erinnert.
Man möchte es Tuchel und Steinbach hinter die Ohren schreiben, dass, wer seinen volkspädagogischen Neigungen
ungehemmt nachgibt, allemal Schwierigkeiten mit der Wahrheit bekommt."
Rainer Blasius geht in seinem Artikel anschließend auf die neue Biografie von Ulrich Renz ein, die von viel ruhigerer Art sei.
In dem Kapitel "Der lange Weg zum Ruhm" falle nicht einmal Fritzes Name. Dafür lasse der Autor
aber Steinbach und Tuchel hochleben - ohne wiederum zu erwähnen, dass beide Zeithistoriker bis Ende der achtziger
Jahre brauchten, um sich zu Elser-Bewunderern zu mausern. Ihnen sei Bundeskanzler Kohl längst vorangegangen, der
schon 1984 bei einer Gedenkrede verschiedene Widerstandskämpfer gewürdigt habe, darunter "einzelne
Widerstandskämpfer wie der erfolglose Attentäter Georg Elser".