Der Hitler-Attentäter Georg Elser

Von Florian Henning Setzen
Wollte man eine Rangliste geschichtlicher Ereignisse erstellen, deren Tatsachen mit Vermutungen, Gerüchten und Verfälschungen in der Folgezeit bis zur Unkenntlichkeit entstellt wurden, dann stünde das Bomben-Attentat des Königsbronner Schreiners Georg Elser vom 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller ganz weit oben auf der Liste.

Bereits kurz nach dem versuchten Anschlag auf die oberste Führungsspitze der Nationalsozialisten brachten die für die Medien verantwortlichen Nationalsozialisten bewusst falsche Tatsachen in Umlauf: So beschuldigte das Deutsche Nachrichten-Büro bereits am 21.11.1939 den britischen Geheimdienst als "Auftraggeber bzw. Geldgeber" sowie das ehemalige NSDAP-Mitglied Otto Strasser, das von 1925 bis 1930 der NSDAP angehörte, sich aber noch vor der sogenannten "Machtergreifung" Hitlers von den Nationalsozialisten abwandte, emigrierte und zur Zeit des Attentats in der Schweiz verweilte, als Organisator des Bombenanschlags und als Verbindungsmann zum britischen Geheimdienst."

Aus dem mit Deutschland verfeindeten und dem neutralen Ausland kamen entgegengesetzte Spekulationen, wonach das Attentat womöglich vom NS-Staat selbst geplant und durchgeführt worden sei, um den Führer-Mythos zu kräftigen, möglicherweise auch, um wieder einmal einen Vorwand zu bekommen, um gegen Oppositionelle besser vorgehen zu können. [...]

Vielen Deutschen blieb so Georg Elser ganz nach dem Wunsch der nationalsozialistischen Propagandamaschinerie als ein Handlanger Otto Strassers oder des britischen Geheimdienstes oder - sofern sie den Nationalsozialisten misstrauten - als Handlanger des NS-Staates in Erinnerung. [...]

Der ganzen Gerüchteküche wurde erst ein Ende gesetzt, nachdem der Historiker Lothar Gruchmann 1964 bei Nachforschungen für seine Arbeit "Justiz im Dritten Reich" das geheime Gestapo-Protokoll über das Verhör Elsers in der Gestapo-Zentrale in Berlin in den Akten des ehemaligen Reichsjustizministeriums fand und sein Kollege Anton Hoch vom Institut für Zeitgeschichte in München 1969 in einem Artikel in den Vierteljahresheften für Zeitgeschichte sehr detailliert und unter Miteinbezug von weiteren Quellen (Ermittlungsunterlagen der Staatsanwaltschaft München II, die 1950 in Sachen Ermordung Elsers ermittelte, Zeugenprotokollen, Zeitungsausschnitten und weiteren Materialien aus dem gesammelten Fundus des Instituts für Zeitgeschichte) zum einen die Echtheit des Protokolls bewies und zum andern eine Reihe von Gerüchten und falschen Behauptungen gründlich widerlegte. Hoch untermauerte die Einzeltäterschaft Elsers und widerlegte eindeutig Kontakte Elsers zu irgendwelchen Hintermännern oder dem britischen Geheimdienst, auch die Gegenthese der Selbstinszenierung des Anschlags durch die NSDAP brachte Hoch zu Fall. [...]

Quelle: Florian Henning Setzen, Der Hitler-Attentäter Georg Elser und die vermeintlichen "Hintermänner" in der Schweiz, in Jahrbuch 1997/98 des Heimat- und Altertumsvereins Heidenheim an der Brenz, Heidenheim 1998, S. 247 f


Florian Henning Setzen M.A. ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Europäische Politik in Bonn


Siehe auch: Georg-Elser-Arbeitskreis: Varianten falscher Gerüchte