Restlose Aufklärung des Verbrechens im Bürgerbräukeller - Der Täter: Der 36jährige Georg Elser - Sein Auftraggeber: Der britische Intelligence Service - Der Organisator: Emigrant Otto Strasser - Der Verbrecher voll geständig
Berlin, 21. September. Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei gibt bekannt: Sofort nach dem ruchlosen Anschlag im Bürgerbräukeller am 8. November 1939 wurden Maßnahmen getroffen, die zur Aufklärung des Verbrechens geeignet erschienen und die Festnahme des Täters oder der Täter ermöglichen konnten. Im Zuge dieser Fahndungsmaßnahmen fand eine augenblickliche Sperrung aller deutschen Grenzen in Verbindung mit einer verschärften Grenzkontrolle statt.
Unter den noch in dieser Nacht Verhafteten befand sich ein Mann, der versuchte, auf illegalem Wege über die deutsche Grenze in die Schweiz zu gelangen. Es handelte sich dabei um den 36 Jahre alten Georg Elser, zuletzt wohnhaft in München. Die inzwischen getroffenen Feststellungen der von der Sicherheitspolizei nach München entsandten Sonderkommission ergaben zahlreiche Hinweise auf die Vorbereitung und Ausführung der Tat. Als Täter schien eine Person in Frage zu kommen, von der bereits am 12. November eine genaue Beschreibung veröffentlicht werden konnte. Weitere Feststellungen verschärften den Verdacht, dass Georg Elser zumindest in irgendeiner Beziehung zu dem Attentat stehen musste.
Höllenmaschine auf 6 Tage eingestellt
Unter der Last des von der Sonderkommission sowohl am Tatort als auch in seinen inzwischen ermittelten Zufluchtsstätten sichergestellten Beweismaterials und nach mehreren Gegenüberstellungen legte Elser nach erst hartnäckigem Leugnen am 14. November 1939 ein volles Geständnis ab.
In einer in der Kriminalgeschichte einzig dastehenden Weise hatte er in wochenlanger Kleinarbeit in eine der Tragsäulen des Bürgerbräukellers eine Zeitzündeladung eingebaut, deren Uhrzeit auf sechs Tage oder 144 Stunden eingeteilt war. Die Planung des Verbrechens geht auf den September bzw. Oktober 1938 zurück. Im August 1939 fand der Einbau der Sprengkammer statt. Die Sprengladung brachte er am siebten Tage vor der Kundgebung im Bürgerbräukeller an. Sechs Tage vorher versuchte Elser zum ersten Mal, die unterdes eingestellte Zündmaschine in die Sprengkammer zu bringen. Dies misslang. Auch die fünfte Nacht vorher war ihm ungünstig und führte wieder zur Aufgabe des Unternehmens. Die Nacht vom vierten zum dritten Tag vor dem 8. November gab aber Elser die Gelegenheit, seine Zündmaschine in die vorbereitete Sprengkammer einzubauen.
Verbrecher erneut am Tatort
Der Täter fuhr daraufhin sofort ab, um sich über Stuttgart zu den in der Schweiz bereits auf ihn wartenden Auftraggebern zu begeben. Aus bestimmten Gründen fuhr Elser am Nachmittag des siebten noch einmal nach München zurück. Es gelang ihm, in der Nacht vom 7. zum 8. neuerdings in den Bürgerbräukeller einzudringen, um sich noch einmal durch persönliches Horchen von dem Ticken des Uhrwerks zu überzeugen.
Der Verbrecher hatte hier nicht vergessen, für eine Abdämpfung des Geräusches zu sorgen. Er wiederholte diese Probe in der Nacht vom 7. auf den 8. einige Male. Am 8. morgens frühstückte der Verbrecher dann in einer Münchner Wirtschaft in der Nähe des Isartores im Tal und begab sich daraufhin mit der Bahn über Ulm an die Grenze. In der Nacht vom 8. auf den 9. versuchte er nun, in der Nähe von Konstanz die Grenze nach der Schweiz hin zu überschreiten. Die unterdes eingetretene allgemeine Alarmierung machte ihm dies jedoch unmöglich und führte zu seiner Verhaftung.
Auftraggeber bzw. Geldgeber für das Unternehmen war der britische Intelligence Service. Organisator des Verbrechens
Otto Strasser. Die Ermittlungen nach seinen Auftraggebern und Komplizen hatten bisher Veröffentlichungen noch nicht angezeigt erscheinen lassen. Nunmehr aber ist jedenfalls ein Teil der mit dem Verbrechen in Zusammenhang stehenden Subjekte bereits verhaftet.
Zur weiteren Aufklärung werden an die Öffentlichkeit folgende Fragen gerichtet:
Wer kennt noch Elser?
Wer kann noch Angaben machen über seinen Umgang?
Wer kann noch Hinweise geben, mit wem Elser verkehrte?
Wo ist Elser in den letzten Jahren aufgetaucht?
Wo oder bei wem hat er Einkäufe getätigt oder Bestellungen aufgegeben?
Wer weiß noch, dass sich Elser mit Erfindungen, technischen Zeichnungen, Konstruktionen, Bauplänen usw. beschäftigte?
Wer hat bei anderen Personen Zeichnungen und Pläne des Bürgerbräukellers gesehen?
Wer hat Elser in Lokalen, auf Bahnhöfen, in Zügen, Autobussen usw. allein oder mit anderen gesehen?
Wer hat Elser noch im Auslande gesehen? Wann, wo und mit wem?
Der Täter wird eingekreist
Auf dieser Unterlage der Tatortskommission baute dann die Täterkommission der Sicherheitspolizei, aus Beamten der Geheimen Staatspolizei zusammengefasst, ihre weite Arbeit auf, und unter diesen gewonnenen Gesichtspunkten konnten nun die tausend und aber tausend Angaben aus dem ganzen deutschen Volk durchkämmt und abgesondert werden.
Der Kreis um den Verbrecher wurde enger und enger, das man nun ja jetzt in der Lage war, das Wesentliche vom Unwesentlichen, das Zugehörige vom Nichtzugehörigen, zu trennen. Alle Arbeit konnte darum in erster Linie sich auf den mutmaßlichen Täterkreis konzentrieren, um so dann systematisch auf den Täter, den Verbrecher selbst, zu stoßen und dann die von ihm ausgehenden Verbindungslinien zu verfolgen.
In Richtung der ersten Untersuchungsergebnisse wurden auf Weisung des Reichsführers SS aus dem ganzen Reichsgebiet und von den Grenzen her alle nun zu dem engeren Verdachtskreis gehörenden Personen zu Sonderkommission nach München überstellt, die wiederum nochmals nach den neuesten Befunden den Kreis nach eingehenden Vernehmungen immer weiter einengte.
Wer den Ausdruck "Kreuzpeilung" im Funk und in der Navigation beherrscht, der versteht am besten, wie klar und logisch zwingend die Überschneidung der Arbeitsergebnisse von Täter- und Tatortkommission im Kreise der verhafteten Verdächtigen dann den wirklichen Täter bezeichnete.
Die Vernehmung eines jeden Verbrechers bedingt Abtasten und Kennenlernen seiner psychologischen Substanz; als sich der Verdächtigenkreis um Elser dann geschlossen hatte, als sämtliche persönlichen Bindungen, sein Lebensweg, seine Kreise, bis auf die Sekunde genau festzulegen waren, konnte in wieder neuen, mehrfachen Vernehmungen und Gegenüberstellungen dann die Überzeugung gewonnen werden, den wirklichen Täter in Händen zu haben.
Ein satanisches Untier
Unter der Last des Beweismaterials und der inzwischen in seinen Zufluchtsstätten sichergestellten Einzelheiten konnte das Geständnis des Verbrechers dann nur noch das Untersuchungsergebnis bestätigen.
Wir haben diesen Mann gesehen. Das ist der Mörder der Opfer jenes furchtbaren Planes, das ist der Mann, der den Führer und mit ihm die Führerschaft des Reiches treffen wollte. Man muss sich das alles immer wieder von Augen halten, denn dieser Mann dort hat keine auffällige Verbrecherphysiognomie, sondern intelligente Augen, leise, vorsichtig abwägende Ausdrücke, die Vernehmungen dehnen sich endlos, jedes Wort überlegt er lange und genau, bis er antwortet, und wenn man ihn dabei beobachten kann, vergisst man im Augenblick, vor welchem fanatischen Untier man steht, welche Schuld, welche grausige Last dieses Gewissen dort scheinbar so leicht zu tragen imstande ist.
Die Kriminalgeschichte kennt keinen Parallelfall für dieses gemeinste und raffinierteste aller Verbrechen.
Wie genau und systematisch dieser Verbrecher gearbeitet hat, dafür spricht folgende Einzelheit, die sich im Laufe der Vernehmung ergab.
Nach seinem eigentlichen Geständnis sollte Elser zur Klärung einiger Fragen an den Tatort im Bürgerbräukeller nach München gebracht werden. Elser erklärte diesen Weg für überflüssig und fertigte zum Beweis dafür im Vernehmungsraum freihändig aus dem Kopf eine maßgerechte bis in die letzte Einzelheit gehende Tatortskizze an, die den gesamten technisch komplizierten Mordplan genau und wahrheitsgetreu enthielt.
Ein gelöstes Rätsel
Der Polizei war im Laufe der Fahndung ein Rätsel geblieben, das der Verbrecher dann zu lösen imstande war. Warum hatte der Täter im Anbetracht der langen Laufzeit der Uhr in seiner Höllenmaschine auf seinen Weg ins Ausland noch einmal kehrt gemacht?
Die erste öffentliche Bekanntgabe der Absage der Feierstunde im Bürgerbräukeller sowie die spätere Umlegung des Termins der Führerrede zum Abend des 8. November hatte den Täter bewogen, sich nochmals in die Nähe des Tatorts zu begeben. Die glückliche Fügung, die den Führer und damit uns alle vor einer entsetzlichen Katastrophe bewahrte, wurde dem Verbrecher zum Verhängnis. Er konnte gefasst werden, ehe er sich im Ausland dem deutschen Zugriff entziehen konnte.
Wir alle haben dieser Fügung doppelt dankbar zu sein, denn die Ergreifung dieses Mannes hat in allen ihren Konsequenzen eine Bedeutung, deren Tragweite überhaupt nicht abzuschätzen ist.
Zu den bereits vorhandenen klaren Anhaltspunkten für die Hintergründe dieses schändlichen Verbrechens wird nun die deutsche Öffentlichkeit unendlich viele kleine Fingerzeige und Einzelheiten im Verein mit der Sicherheitspolizei zusammentragen, damit zu aller eindeutiger Kenntnis auch die lückenlose, bis ins kleinste gehende Kette des Beweises allen jenen, die es angeht, zum Verhängnis wird.
Britische Agenten glaubten mit deutschen Revolutionären zu verhandeln
Berlin, 21. November. Amtlich wird verlautbar: Die in Den Haag befindliche Zentrale des britischen Intelligence Service für Westeuropa versuchte seit längerem, in Deutschland Komplotte anzuzetteln und Anschläge zu organisieren bzw. Verbindung mit von ihnen vermuteten revolutionären Organisationen aufzunehmen. Auf Grund einer ebenso verbrecherischen wie albernen Aufklärung durch deutsche Emigranten lebte man in der britischen Regierung und in dem ihr unterstellten Intelligence Service in der Meinung, es befände sich im Staat, in der Partei und in der Wehrmacht eine Opposition mit dem Ziel, im Reich eine Revolution herbeizuführen.
Unter diesen Umständen wurden Beamte des Sicherheitsdienstes der SS beauftragt, Verbindungen mit dieser britischen Terror- und Revolutionszentrale im Haag aufzunehmen. In dem Glauben, tatsächlich mit revolutionären deutschen Offizieren zu verhandeln, offenbarten Vertreter des Britischen Intelligence Service den deutschen Beamten ihre Absichten und Pläne, ja um eine dauernde Verbindung mit diesen vermeintlichen deutschen Offizieren aufrechterhalten zu können, lieferten sie ihnen außerdem ein bestimmtes englisches Funksende- und Empfanggerät, durch das die deutsche Geheime Staatspolizei bis zum heutigen Tage die Verbindung mit der britischen Regierung aufrechterhalten konnte.
Am 9. November versuchten nun die Leiter des britischen Intelligence Service für Westeuropa, M. Best und Kapitän Stevens, die holländische Grenze bei Venlo nach Deutschland zu überschreiten. Sie wurden dabei von den sie überwachenden deutschen Organen überwältigt und als Gefangene der Staatspolizei eingeliefert. Die widersprechenden Angaben über ihre Gefangennahme, ob auf noch holländischen oder deutschem Boden, werden zur Zeit geprüft.
Zu der Aufdeckung des Münchner Attentats erfährt der Deutsche Dienst noch folgende Einzelheiten:
Sofort nach der furchtbaren Untat am Abend des 8. November im Münchener Bürgerbräukeller traten durch Befehle des Reichsführers SS sämtliche Teile der deutschen Polizei mit höchster Alarmstufe in Tätigkeit. Es begann in der Stunde des Verbrechens bereits von außen nach innen gleichsam schon eine Einkreisung des Täters.
Sämtliche Grenzübergänge wurden gesperrt, offene Grenzabschnitte besonders scharf überwacht, keiner auch nur in irgendwie verdächtig scheinenden Person wurde der Grenzüberschritt gestattet, ehe nicht die besondere Genehmigung des Chefs der Sicherheitspolizei (Reichssicherheits-Hauptamt) dazu vorlag. In einem äußerst knappen Zeitraum waren damit also die Türen, die aus dem Reich führen konnten, hermetisch verschlossen.
Gleichzeitig begab sich eine kriminalpolizeiliche Spezialkommission (Tatortkommission), besondere Fachleute und Spezialisten der Sicherheitspolizei, nach München, wo ebenfalls sofort nach dem Abtransport der Toten und Verwundeten der eigentliche Tatort völlig abgeriegelt wurde. Es begann dann hier noch in den Nachtstunden zum 9. November eine besonders mühevolle Arbeit; der ganze Sprengschutt wurde sorgfältig gesichtet und systematisch durchgesiebt und geordnet.
Nach tage- und nächtelangem methodischem Suchen unter genauester Durchberechnung und Beachtung der Eigenart dieser entsetzlichen Sprengung kam die Sicherheitspolizei in den Besitz einzelner, teils geringfügig scheinender Splitter, Schräubchen und Federteile, die zur ersten Rekonstruktion des objektiven Tatbestandes die notwendige Voraussetzung waren. Es konnte nunmehr ein klares Bild gewonnen werden über das Uhrwerk, das die Explosion auslöste, über die Art des Sprengstoffes und den ungefähren Umfang des zu diesem Verbrechen benötigten Sprengmaterials sowie über den mutmaßlichen Anbringungsort der Höllenmaschine sowie deren eigentliche Bauart.
Vorgefundene Teile eines Spezialuhrwerks machten wichtige Schlüsse auf deren Herstellerfirmen möglich und gaben damit ganz besonders wertvolle Fingerzeige für die Fahndung nach dem Täter.
Schon wieder ein Fleck auf Ihrer weißen Weste, John Bull!
Auch das Münchener Attentat geht, wie die amtlichen Ermittlungen nunmehr ergeben, auf die Anstiftung des berüchtigten Britischen Geheimdienstes zurück!
Diese Berichte vom Deutsche Nachrichtenbüro (DNB) erschienen an diesem Tag in allen deutschen Zeitungen
auf den Titelseiten. Über das DNB verbreitete des NS-Regime alle Nachrichten amtlichen Charakters.
Diese Berichterstattung - 13 Tage nach dem Attentat - widersprach in vielen Details
den inzwischen vorliegenden Ermittlungsergebnissen. Die Einzeltäterschaft Elsers lag jedoch völlig außerhalb der Vorstellungskraft
der Nazis. Auch Hitler selbst war felsenfest davon überzeugt, dass der britische Geheimdienst hinter dem Anschlag
stecken musste. Daher wurde Elser im Gegensatz zu anderen Regimegegnern nicht umgehend hingerichtet, sondern
im KZ Sachsenhausen für einen Schauprozess nach dem Sieg über England, bei dem die vermeintliche Wahrheit in vollem Umfang
enthüllt werden sollte, aufbewahrt.
Spiegelbildlich dazu glaubten auch die Hitlergegner im In- und Ausland nicht an die Einzeltäterschaft Elsers.
Man nahm an, die Nazis hätten das Attentat - ähnlich wie den Reichstagsbrand im Jahre 1933 - selbst inszeniert.