Am 19. Februar 2013 verstarb der Heidenheimer Journalist
Journalist, Diplomat, Weltbürger: Erwin Roth ist tot
Einer der ersten Journalisten, der die Geschichte von Georg Elser aufarbeitete
Am Donnerstag hätte Erwin Roth seinen 90. Geburtstag gefeiert, doch er hat ihn nicht mehr erlebt.
Am Dienstag ist der frühere Lokalchef der Heidenheimer Zeitung und später weit gereiste Diplomat verstorben – das Ende eines
extrem vielfältigen und reichen Lebenswegs.
VON HENDRIK RUPP
Souverän blieb Erwin Roth bis zuletzt: Vor zwei Jahren hatte der damals 88-Jährige seinen Haushalt im Mittelrain aufgelöst und war in
ein Seniorenheim umgezogen – und hatte dabei noch viele Schätze aus seinen Sammlungen der Redaktion der Heidenheimer Zeitung vermacht.
Die verfolgte Roth bis zuletzt mit professioneller Teilnahme – unvergessen sein reges Interesse am Erfolg des Jugendmagazins "Noise".
Und selbst für diesen Nachruf hat Erwin Roth noch Vorsorge getroffen – er stellte eigens noch einmal seine Vita zusammen.
Ein Profi, auch als Journalist, war Roth sein Leben lang geblieben.
Der Journalismus war nur die erste seiner Karriere
Dabei war der Journalismus nur die erste seiner beiden Karrieren: 1923 in Bellamont (Landkreis Biberach) geboren,
war Roth als 13-Jähriger nach Heidenheim gekommen – sein Vater fand hier als Lehrer Anstellung. Auf dem Weg zum Kriegsabitur 1942 hatte
Roth Nebensitzer wie Albrecht Kneer, seine lebendige Schreibe fiel schon in der Schule auf.
1948 begann Erwin Roth für die Heidenheimer Ausgabe der "Schwäbischen Post" zu schreiben, zum 1. Dezember
1948 wechselte er zur neu gegründeten Heidenheimer Zeitung. Roth schrieb über Sport, dann auch über Wirtschaft und schließlich über alles, in
seinen zehn HZ-Jahren stieg er zum "Chefredakteur des Lokalteils" auf.
Gefragt war Roth aber zunächst als Soldat: 1942 schickte man ihn an die Ostfront, Roth wurde mehrfach verwundet und verlor durch einen Granatsplitter
sein rechtes Auge. Immerhin konnte er schon 1945 wieder in einen Zivilberuf wechseln: Kurz war er in Heidenheim als Hilfslehrer
an der Volksschule tätig, 1947/48 studierte er an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Dillingen drei Semester Deutsch und Englisch.
Doch statt Lehrer wurde Roth Journalist – auch, um seine Familie zu ernähren: 1948 begann er, für die Heidenheimer Ausgabe der "Schwäbischen Post"
zu schreiben, zum 1. Dezember 1948 wechselte er zur neu gegründeten Heidenheimer Zeitung. Roth schrieb über Sport, dann auch über Wirtschaft
und schließlich über alles, in seinen zehn HZ-Jahren stieg er zum "Chefredakteur des Lokalteils" auf.
Einer der ersten Journalisten, der die Geschichte von Georg Elser aufarbeitete
An die Jahre bei der Zeitung hat sich Roth immer gerne erinnert. Spätere Größen wie Peter Härtling, Ulrich Renz oder Johnny Klein, Geert
Müller-Gerbes oder Dankwart Reissenberger arbeiten mit Roth oder erwarben unter seiner Ägide ihr journalistisches Handwerkszeug bei der HZ.
Roth selbst war in jenen Jahren einer der weltweit ersten Journalisten, der die Geschichte Georg Elsers aufarbeitete.
1958 wurde Roth die HZ zu eng: Er wechselte zu einer Agentur in die Bundeshauptstadt Bonn, kam als deren Leiter weit herum und
wurde schließlich vom Auswärtigen Amt abgeworben. 1963 trat Erwin Roth in den Diplomatischen Dienst ein und machte seinem späteren Ruf als
"Krisen-Roth" sofort alle Ehre: Als Nahost-Experte und Presse- und Kultur-Attaché arbeitete Roth in der Deutschen Botschaft in der
jordanischen Hauptstadt Amman. Fünf extrem ereignisreiche Jahre hat Roth in Jordanien erlebt – bei der Gründung der Palästinenser-Organisation
PLO war er 1963 als einziger westlicher Beobachter zugelassen, während des Sechstagekrieges mussten seine Frau Marianne und die beiden Söhne nach
Deutschland flüchten. Roth blieb in Amman – auch, als eine Rakete im Garten der Botschaft einschlug.
Eine Tropenkrankheit setzte dem Dienst in Jordanien ein Ende
Eine Tropenkrankheit setzte dem Dienst in Jordanien ein Ende: 1968 wurde Roth nach Wien versetzt und hatte sich um die Ostpolitik zu
kümmern – just, als nebenan in der CSSR die Sowjets dem Prager Frühling ein Ende machten. Der Krisen-Roth eben.
Bis zum Ruhestand 1983 blieb Roth im Diplomatischen Dienst, unter sechs Kanzlern hat er Außenpolitik gemacht. Roth wirkte in Bonn
wie in Los Angeles, schrieb Reden für Hans-Dietrich Genscher, verfasste Grundsatzpapiere, reiste mit Doku-Filmer Peter von Zahn an Brennpunkte
der Weltpolitik. 1973 ging er unter die Buchautoren ("Preußens Gloria im Heiligen Land – Die Deutschen und Jerusalem").
Hochdekoriert (unter anderem das Verdienstkreuz am Bande und der Orden Al-Isriqlal des Haschemitischen Königreiches Jordanien) und
buchstäblich welterfahren kehrte Roth im Ruhestand nach Heidenheim zurück. Seine beeindruckenden Erfahrungen und Einblicke konnte der prominente Diplomat
stets ungeheuer lebendig und greifbar vermitteln – legendär seine Vorträge oder sein Auftritt bei der Reihe "Out of Heidenheim". Und den
Bezug zur Politik verlor Roth schon aus familiären Gründen nie – Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Grünen, ist seine Nichte.
Die moderne HZ hat einen Mann ihrer ersten Stunde verloren, Heidenheim einen seiner international prominentesten Bürger.
In der vergangenen Woche, wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag, verstarb der Heidenheimer Journalist Erwin Roth. Mit ihm verlieren die
Gemeinde Königsbronn und die Georg Elser Gedenkstätte einen Freund und wertvollen Berater der ersten Stunde.VON MICHAEL STÜTZ, BÜRGERMEISTER VON KÖNIGSBRONN
Bahnbrechend waren die Recherchen und Veröffentlichungen Roths für die Elser-Forschung. In einer Zeit, in der Unklarheit herrschte und
zahlreiche Gerüchte über Georg Elser grassierten, recherchierte der Journalist in Königsbronn und veröffentlichte am 21. April 1956 in der
"Heidenheimer Zeitung" einen bemerkenswerten fünfspaltigen Artikel unter der Überschrift "
Georg Elser - die Hand am Rad der Geschichte".
Sein damaliger Volontär Ulrich Renz berichtete über diesen Artikel und die umfangreichen Recherchen im Band Nr. 2 der Schriftenreihe der
Gedenkstätte und wählte den Titel: "Gebt ihm seine Tat zurück - Erwin Roth findet die Wahrheit über Georg Elser". Renz bezeichnet Roth darin
als einen Pionier der Elser-Forschung. In einer Zeit, da Verwirrung, Gleichgültigkeit oder Schweigen herrschten, machte er sich auf die
Suche nach der einfachen Wahrheit. Zum einen meldeten sich nach dem Krieg Scharlatane und Wichtigtuer mit falschen Informationen über Elser zu
Wort, zum anderen ignorierten Historiker und andere Bürger die Tat des Widerstandskämpfers. Roth fand, von einigen Details abgesehen, die Wahrheit.
Gemeinsam mit dem bekannten Autor Peter Härtling besuchte Erwin Roth vor einigen Monaten die Elser Gedenkstätte.
Unser Bild zeigt von links den Karlsruher Journalisten und ehrenamtlichen Mitarbeiter der Elser Gedenkstätte Ulrich Renz, Erwin Roth,
Peter Härtling und den ehemaligen Vertriebsleiter der Heidenheimer Zeitung Alfred Eiberger bei einem Besuch in der Königsbronner Gedenkstätte.
Bei seinen Recherchen 1956 in Königsbronn gelang es dem hartnäckigen Redakteur, Türen zu öffnen und Gespräche in Gang zu bringen. So
hat er - abgesehen von einem Staatsanwalt in München - als einziger die Mutter Elsers zum Attentat befragt. Sein Resümee zur geschichtlichen
Wahrheit über Elser: "Er war, das steht eindeutig fest, ein Gegner des Dritten Reiches und hasste abgrundtief den Krieg."
Roth begann seine berufliche Laufbahn 1948 als Bezirksredakteur bei der "Schwäbischen Post", wurde später Redakteur und schließlich
Chefredakteur der neu gegründeten "Heidenheimer Zeitung". Später bekannte Vertreter der schreibenden Zunft wie Peter Härtling, Ulrich Renz,
Jonny Klein, Geert Müller-Gerbes oder Dankwart Reissenberger arbeiteten mit Roth oder erwarben unter ihm ihr journalistisches Handwerkszeug.
1959 wechselte er zu einer Presseagentur nach Bonn und trat 1963 in das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland ein. In den
Folgejahren war er Presse- und Kulturreferent in Jordanien, Referent für Öffentlichkeitsarbeit in Wien und Konsul für Presse und
Wirtschaft in Los Angeles. Von 1975 bis 1983 arbeitete er im Leitungsstab des Auswärtigen Amtes und war den Außenministern direkt unterstellt.
Georg Elser lag ihm immer am Herzen, und so arbeitete er stets eng mit der Elser- Gedenkstätte zusammen. In allen Fragen des Protokolls
und der Pressearbeit war er stetiger wichtiger Ratgeber der Gedenkstätte. Redaktionell arbeitete er an zahlreichen von Ulrich Renz geschriebenen
und heute in der Elser-Forschung vielbeachteten Broschüren der Gedenkstätte mit.
Die Mitarbeiter der Gedenkstätte sind dankbar, dass sie über Jahre hinweg mit Erwin Roth zusammenarbeiten durften und von ihm
wertvolle Tipps und Hinweise erhielten. Die Gemeinde dankt dem Verstorbenen, dessen Namen stets mit der Gedenkstätte verbunden sein wird.