Es fehlte ihm nichts

Von Oswald Bumke, Psychiater und Neurologe
Oswald Bumke  
Am 8. November 1939 erfolgte das Attentat im Bürgerbräukeller. Hitler und die anderen Führer waren kurz vorher aufgebrochen, von den übrigen Teilnehmern am Putsch des 9. November 1923 waren viele tot oder verwundet.

Kurz danach wurde ich nach Berlin geholt, wo ich den "Attentäter" begutachten musste. Es fehlte ihm nichts. Er wäre Kommunist und Pazifist, erklärte er, und deshalb hätte er Hitler und seine Leute beseitigen wollen, weil sich nur dadurch der Krieg hätte vermeiden oder schnell beendigen lassen.

Ich fragte wohl, wieso sich Elser monatelang jede Nacht im Bürgerbräukeller hätte einschließen lassen und arbeiten können, ohne Verdacht zu erregen. Man antwortete, ja man hätte jetzt alle Beteiligten verhaftet. Auf den Gedanken, Elser hätte das Attentat im Auftrag der Gestapo begangen, bin ich nicht gekommen, ja als Gerüchte dieser Art aufgetaucht sind, habe ich ihnen widersprochen. So viel Verworfenheit hatte ich nicht für möglich gehalten, bis ich erst mehrere Monate nach dem Zusammenbruch durch eine Äußerung des Pfarrers Niemöller aufgeklärt worden bin.

Quelle: Oswald Bumke, Erinnerungen und Betrachtungen - Der Weg eines deutschen Psychiaters, München 1952 S. 181


Oswald Bumke (* 25. September 1877 in Stolp, Pommern; † 5. Januar 1950 in München) war ein bedeutender deutscher Psychiater und Neurologe. Seine Hand- und Lehrbücher fanden in aller Welt Verbreitung. In einer erfolgreichen und raschen Karriere wurde er, nach Lehrstühlen in Rostock (1914), Breslau (1916) und Leipzig (1921), 1924 Nachfolger Emil Kraepelins auf dem Psychiatrie-Lehrstuhl in München. In den Jahren 1928/29 war er Rektor der Universität München und für 22 Jahre leitete er die Münchner Nervenklinik. 1946 wurde Bumke vom Amt suspendiert. 1947 folgte seine Wiedereinsetzung und Emeritierung.

Gerüchte, dass Professor Bumke Leibarzt Hitlers gewesen sei, haben sich als haltlos erwiesen. Bumke ist Hitler eigenen Aussagen nach nie begegnet. In seiner Autobiographie "Erinnerungen und Betrachtungen" findet sich allerdings eine aufschlussreiche Analyse Hitlers. Ungeklärt ist trotz seiner vollständigen Rehabilitierung nach dem Krieg seine Rolle während des Dritten Reiches. Sein Aufsatz "Der Staat und die Geisteskrankheiten" von 1939 stellt möglicherweise den Versuch dar, einen Leitfaden für Ärzte zu entwickeln, um die Auswirkungen der NS-Politik abzuschwächen.

Bumke ging fälschlich davon aus, dass die Behauptungen von Martin Niemöller, Georg Elser sei ein SS-Unterscharführer gewesen, den Tatsachen entsprachen.

Rolf Hochhuth erwähnt Bumke 1989 in seinem Aufsatz über Georg Elser.