Von Otto Günsche, Persönlicher Adjutant, und Heinz Linge, Kammerdiener Hitlers
Otto Günsche, Heinz Linge
Quelle: Bayerische Staatsbibliothek
Der Jahrestag des nationalsozialistischen Putsches, den Hitler im November 1923 in München organisiert hatte, wurde 1939 unter Kriegsbedingungen begangen. Dabei hatten weder Engländer noch Franzosen, die sich nun mit Deutschland im Kriegszustand befanden, irgendetwas unternommen, das auf Kampfhandlungen gegen Deutschland hindeutete.
Zu der Begegnung mit den "Alten Kämpfern" im Münchner Bürgerbräukeller wählte Hitler statt des für diesen Tag üblichen Braunhemds seinen grauen Militärrock, an den er den "Blutorden" heftete. Da er dringend nach Berlin zurückmusste, begann die Veranstaltung diesmal eine Stunde früher.
Vor den in dem Bierkeller Versammelten hielt er eine kurze Rede, in der er erklärte, wie glücklich er sei, den Kampf des deutschen Volkes anführen zu können. Unter donnernden "Heil!"-Rufen verließ Hitler die Versammlung und fuhr zum Bahnhof, wo sein Zug bereits unter Dampf stand.
Unterwegs, kurz vor Nürnberg, ging ein Funkspruch ein, dass es im Bürgerbräukeller nach Hitlers Abfahrt eine Explosion gegeben habe. Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt.
Auf dem Bahnhof in Nürnberg erwarteten der Nürnberger Bürgermeister Liebel und der Polizeipräsident der Stadt, Martin, voller Aufregung Hitlers Zug. Sie stiegen in seinen Wagen. Dort nahm sie Linge in Empfang. Martin bat Linge, dem Führer unverzüglich zu melden, dass er eine dringende Nachricht für ihn habe. Hitler, der gerade erst von dem eingegangenen Funkspruch gehört hatte, ging in den Gang hinaus und fragte Liebel und Martin sofort: "Was ist passiert?"
"Mein Führer", antwortete Martin, "ich habe gerade aus München die Nachricht bekommen, dass ein Anschlag auf Sie vorbereitet war. Ungefähr eine Stunde nachdem Sie die Versammlung im Bürgerbräukeller verlassen haben, hat es dort eine starke Explosion gegeben. Die Menschen, die noch im Saal waren, sind unter der einstürzenden Decke begraben worden."
Hitler erbleichte. Nach Luft ringend, fragte er: "Wo ist Himmler?"
Heinz Linge war als Kammerdiener gleichzeitig auch Bodyguard Hitlers. Im Fahrzeug v.l.n.r.: Joseph Goebbels, Heinz Linge, Robert Ley,
Adolf Hitler und Erich Kempa am
1. Mai 1939 in Berlin, Unter den Linden.
Quelle: Nationalarchiv Washington RG 242-HL
Martin antwortete, Himmler sei in München geblieben und leite persönlich die Ermittlungen. Hitler erregte sich noch mehr befahl, Himmler mitzuteilen, er möge so lange in München bleiben, bis alle an der Sache beteiligten Verbrecher dingfest gemacht seien. Dann, etwas gefasster, fügte er zornig hinzu: "Sagen Sie ihm, er soll rücksichtslos vorgehen und die ganze Bande mit Stumpf und Stiel ausrotten."
Liebel und Martin stiegen wieder aus. Die Nachricht dem misslungenen Anschlag auf Hitler lief in Windeseile durch den ganzen Zug. Man beglückwünschte den Führer zu seiner wunderbaren Rettung. Hitler erwiderte darauf, er stehe um dem besonderen Schutz der Vorsehung.
Die Ermittlungen ergaben, dass in einer Säule vor der Bühne des Bürgerbräukellers, von der aus Hitler seine Rede hielt, eine Höllenmaschine installiert war. Die Kellner sagten aus, in den letzten Tagen vor dem Anschlag sei ein ihnen unbekannter Mann mehrfach im Bürgerbräu gesehen worden. Seine Personenbeschreibung wurde unverzüglich an alle Grenzübergänge geschickt, was schließlich zur Verhaftung eines gewissen Elser führte, der in die Schweiz fahren wollte. Bei der Vernehmung sagte Elser aus, er habe die Höllenmaschine dort angebracht. Er tat das ohne Helfershelfer und wollte Hitler töten, um die politische Ordnung in Deutschland zu ändern. Obwohl es keine weiteren Hinweise gab, wollte Hitler nicht glauben, dass Elser den Anschlag allein organisiert hatte. Er gab Befehl zu Massenverhaftungen.
Der SD war der Meinung, der Anschlag auf Hitler sei das Werk des englischen Geheimdienstes gewesen. In diesem Zusammenhang dachten sich SD-Mitarbeiter ein Funkspiel mit einer Station des englischen Geheimdienstes in Holland aus, bei der sie sich als eine antifaschistische Widerstandsgruppe in Deutschland ausgaben.
Bei dieser Operation gelang es dem deutschen SD, den englischen Spion Captain Best an die holländisch-deutsche Grenze zu locken. Dort erschossen die SD-Leute ahnungslose holländische Grenzwachen und verschleppten Best auf deutsches Gebiet. Bei Bests Vernehmung konnte keine Beteiligung des englischen Geheimdienstes an Elsers Attentat auf Hitler festgestellt werden. Best verschwand in einem KZ, Elser aber wurde für den Bau von Höllenmaschinen in der Diversionsabteilung des SD eingesetzt.
Quelle:
Das Buch Hitler, Geheimdossier des NKWD für Josef W. Stalin,
zusammengestellt aufgrund der Verhörprotokolle des Persönlichen Adjutanten Hitlers, Otto Günsche,
und des Kammerdieners Heinz Linge, Moskau 1948/49
Das Geheimdossier über Hitler wurde nach dem 2. Weltkrieg vom sowjetischen NKWD
(Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten) und dessen Nachfolgebehörde MWD
(Ministerium für innere Angelegenheiten)
im Rahmen der "Operation Mythos"
für den Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) Josef Stalin
persönlich erstellt.
Es basiert auf
Aussagen und Niederschriften zweier Männer, die Adolf Hitler jahrelang Tag für Tag aus nächster
Nähe erlebt hatten:
Heinz Linge, sein Kammerdiener und Otto Günsche, sein persönlicher Adjutant.
Diesen beiden SS-Offizieren befahl Hitler auch die Verbrennung von seiner Leiche und der seiner Ehefrau Eva.
Das 413 Seiten starke Dossier wurde Anfang der 1990-er Jahre im Rahmen eines Forschungsprojektes
des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) im Parteiarchiv der KPdSU in Moskau entdeckt.
Otto Günsche (* 24.9.1917 in Jena; 2.10.2003 in Lohmar)
war seit 1934 bei der SS-Leibstandarte "Adolf Hitler" und
kam 1936 ins Führer-Begleitkommando.
1943 ernannte ihn Hitler zum Persönlichen Adjutanten.
Nach kurzem Fronteinsatz als Kompaniechef in der
Panzerdivision der SS-Leibstandarte "Adolf Hitler" war er
ab Februar 1944 erneut Persönlicher Adjutant
Hitlers, zuletzt im Rang eines SS-Sturmbannführers.
Am 20. Juli 1944 wurde Günsche beim Attentat auf Hitler leicht verletzt.
Nach Hitlers Tod verbrannte Otto Günsche zusammen mit Martin Bormann, Otto Günsche
und einigen Leibwächtern die Leiche Adolf Hitlers und Eva Brauns im Garten der Reichskanzlei.
Heinz Linge (* 23.3.1913 in Bremen; 24.6.1980 in Bremen)
war seit 1933 bei der SS-Leibstandarte "Adolf Hitler" und
gehörte seit 1935 dem Begleitkommando des Führers als Ordonanz an.
1939 wurde er Hitlers persönlicher Diener,
später Chef des Persönlichen Dienstes bei Hitler,
zuletzt im im Rang eines SS-Sturmbannführers.
Die Memoiren Heinz Linges wurden 1980 von Werner Maser unter dem Titel "Bis zum Ende. Als Chef
des Persönlichen Dienstes bei Hitler." herausgegeben.
Günsche, Linge vor ihrer Entlassung 1955
Quelle: Russisches Staatliches Militärarchiv, Moskau
Günsche und Linge gerieten unabhängig voneinander Anfang Mai 1945 in sowjetische Gefangenschaft.
Vier Jahre lang, von 1946 bis 1949, mussten die beiden dem NKWD und MWD
Auskunft über Hitler geben. Am 29.12.1949 erhielt Josef Stalin den Abschlussbericht über das Leben Hitlers von 1933 bis 1945
unter dem Titel "Das Buch Hitler".
1950 wurden die beiden ehemaligen SS-Majore als Kriegsverbrecher zu je 25 Jahre Zwangsarbeit verurteilt.
1955 wurden sie nach dem Moskau-Besuch Konrad Adenauers mit den letzten Kriegsgefangenen aus sowjetischer Haft
entlassen. Linge kam direkt nach Westdeutschland. Günsche, zunächst in die DDR ins
Zuchthaus Bautzen verbracht, kam erst 1956 frei und flüchtete dann
in die BRD.
Nach der Lektüre ließ Stalin den Text Anfang der 1950er Jahre in sein persönliches Archiv, das
Archiv des Generalsekretärs der KPdSU, einordnen.
Nikita S. Chruschtschow ließ 1959 eine wortidentische Abschrift anfertigen, die nach der Öffnung des Parteiarchivs der KPdSU
für ausländische Historiker in den 1990er Jahren als Akte mit der Nr. 462a entdeckt wurde.
Die Darstellung der von Linge und Günsche in der Nacht
des Bürgerbräuattentats im Zug von München nach Berlin persönlich erlebten Ereignisse kann
als authentisch betrachtet werden. Zum Vergleich:
Tagebuch von Joseph Goebbels.
Die Ausführungen zu den Ermittlungen und Hintergründen des Attentats beruhen hingegen auf Hörensagen und stimmen nur
teilweise mit den heute bekannten Realitäten überein.
Heinz Linge und Otto Günsche als Zeitzeugen
Französische Kapitulation am 21.6.1940
im Eisenbahn-Salonwagen in Compiègne:
Oben: Linge rechts neben General Charles Huntzinger und Botschafter Léon Noël von der
französischen Delegation am Eingang zum Wagen.
Unten: Günsche (im Hintergrund mit Stahlhelm) hatte im Wagen den Auftrag, die französischen
Delegierten im Falle des geringsten Widerstands gegen Hitler (links sitzend) zu erschießen.