Georg Elser: Berliner Verhörprotokoll
5.Tag – Donnerstag, 23. November 1939

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Weiterverhandelt mit E. am 23.11.1939, 9 Uhr.

[30 - 35 Nächte im Bürgerbräukeller (August - 6. November 1939)]

Während meines Aufenthaltes in München vom 5. August bis 6. November 1939 war ich insgesamt ungefähr 30 - 35 mal nachts im Bürgerbräukeller-Saal. Als ich meine Kleider in Ordnung gebracht, meine Werkzeuge, soweit ich sie als für den ersten Gebrauch notwendig schon mitgenommen hatte, zurechtgelegt hatte, bin ich vielleicht in der 3. oder 4. Nacht nach meiner Ankunft in München zum ersten Male

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im Saal an die Arbeit gegangen. An den Tagen, an denen ich nachts im Bürgerbräukeller gearbeitet habe, begab ich mich jedes Mal gegen 20-22 Uhr in den Wirtschaftsraum des Bürgerbräukellers, um dort mein Abendbrot einzunehmen. Ich nahm dort regelmäßig an dem mittleren Tisch des Wirtschaftsraumes Platz und wurde meistens von dem Servierfräulein Berta bedient. Ich aß nach der Karte und habe jedes Mal ein Glas Bier getrunken. Den früher von mir erwähnten Hausburschen habe ich um diese Zeit im Bürgerbräukeller nicht mehr angetroffen. Nach meinen Beobachtungen war dieser damals nicht mehr im Bürgerbräukeller tätig. Erst später - genaue Zeit nicht bekannt - habe ich von einer mir nicht mehr bekannten Person erfahren, dass er in der Zwischenzeit seinen Arbeitsplatz gewechselt hat. Ob der Direktor mich dort gesehen und wieder erkannt hat, ist mir nicht bekannt, gesprochen habe ich mit ihm nicht. Das Servierfräulein Ludwig und das Serviermädchen, das ich ebenfalls Ostern fotografiert habe, waren um diese Zeit ebenfalls im Bürgerbräukeller nicht mehr beschäftigt. Gegen 22 Uhr habe ich dort durchwegs bezahlt. Ich verließ anschließend den Wirtschaftsraum, begab mich von da aus durch den Garderobenraum in den nicht verschlossenen Saal, begab mich dort über den hinteren

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Treppenaufgang auf die Galerie, ging diese bis zur rückwärtigen Front entlang und versteckte mich dort in einem Abstellraum, der sich neben dem rückwärtigen Zugang zur Galerie befindet und der lediglich durch eine spanische Wand verdeckt war. In diesem Raum befanden sich leere Pappschachteln. Ähnliche Pappschachteln hatte ich in der im Bürgerbräukeller befindlichen Schießbude gesehen, als ich im Oktober dort einige Male sonntags Tanzunterhaltungen aufsuchte.

Ob das Betreten des Saales irgendeinmal beobachtet wurde, kann ich nicht angeben. Im Saal brannte anfangs die Notbeleuchtung, später, d. h. nach Kriegsbeginn, war dort keine Beleuchtung mehr eingeschaltet. Um diese Zeit fiel dorthin lediglich der Lichtschein, der aus der Küche und aus dem Garderobenraum kam. In dem erwähnten Versteck hielt ich mich solange auf, bis der Saal abgesperrt worden war. Es war dies stets in der Zeit zwischen 22.30 Uhr und 23.30 Uhr. Ehe der Saal abgeschlossen wurde, wurden dort von Frau Merkel - es ist dies die mir bekannte Zigarrenfrau im Bürgerbräukeller - im Saal die dort sich aufhaltenden Katzen gefüttert. Die Galerie hat sie dabei nicht betreten. Anschließend wurde dreimal abgesperrt, soviel ich durch das Geräusch gehört, war lediglich das Absperren des Haupteinganges erfolgt. Ob der Notausgang zum Garten verschlos-

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sen war, ist mir nicht bekannt. Nach dem Abschließen des Saales begab ich mich von meinem Versteck aus unmittelbar an die Säule, wo ich den Einbau meines Apparates vornahm. Ich habe mich lediglich hier und da noch kurze Zeit in dem Versteck aufgehalten, um mich tatsächlich davon zu vergewissern, dass sich niemand im Saal befand.

Ich verblieb ständig die ganze Nacht im Saal. Der Saal wurde in der Zeit zwischen 7 und 8 Uhr morgens wieder geöffnet. Es wurden von einer Person, die ich nie gesehen habe, der Saaleingang von der Garderobe aus und der Notausgang zum Garten, der sich neben der Schenke befindet, geöffnet. Meine Arbeiten hatte ich zwischen 2 und 3 Uhr stets beendet, anschließend hielt ich mich bis zum Verlassen des Saales wieder in dem bereits erwähnten Versteck auf, in dem sich auch ein Stuhl befand. Dort habe ich bis zum Verlassen des Versteckes gedöst. Im August 1939 habe ich nach Öffnung des Saales diesen teils durch den Notausgang zum Garten verlassen. Mit Kriegsbeginn war in den Bürgerbräukeller eine Luftschutzwache gelegt worden, die im Alt-Münchener Saal untergebracht war und die morgens zwischen 6.30 und 7.30 Uhr in der kleinen Küche, die sich in der Nähe der Bühne im Saal befindet,

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Kaffee gekocht hat. Aus wie viel Männern sich die Luftschutzwache zusammensetzte, kann ich nicht angeben. Mit dem Einzug der Luftschutzwache im Bürgerbräukeller wurde der erwähnte Notausgang bereits um 6 Uhr früh von einer mir unbekannten Person geöffnet. Von dieser Zeit ab verließ ich den Bürgerbräukeller bereits gegen 6.30 Uhr. Ob ich im August beim Verlassen des Saales von irgendjemand beobachtet wurde, weiß ich nicht. Ich habe wohl gesehen, dass seinerzeit im Garten des Bürgerbräukellers ein alter Mann sich aufgehalten hat, der den Garten in Ordnung brachte, ob dieser mich aber beobachtet hat, weiß ich nicht. Bestimmt weiß ich, dass ich ab September beim Verlassen des Notausganges von Männern der Luftschutzwache gesehen worden war. Ich wurde jedoch von diesen nie angehalten. Bekannt sind mir diese Männer nicht, auch bin ich nicht in der Lage, eine Beschreibung dieser Männer abzugeben. Beim Verlassen des Saales habe ich, um mich nicht irgendwie verdächtig zu machen, keinerlei besondere Vorsichten angewandt. Ich habe den Saal stets nur auf die angegebene Weise betreten und verlassen, eingestiegen bin ich nie. Es kam manchmal vor, dass der Saal bereits früher abgesperrt war, als ich ver-

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mutete. An diesen Tagen habe ich mich dann sofort, ohne den Saal zu betreten, nach Hause begeben. Dies tat ich auch, wenn manchmal ein zu lebhafter Verkehr im Garderobenraum war. Von und zum Bürgerbräukeller ging ich stets zu Fuß. Ich habe diesen immer von der Rosenheimer Straße aus betreten und auch zur Rosenheimer Straße verlassen. D. h. zur Rosenheimer Straße habe ich den Saal nur verlassen, wenn ich durch den Garderobenraum gegangen bin. Wenn ich den Notausgang beim Verlassen des Saales benutzt habe, habe ich den Bürgerbräukeller durch den rückwärtigen Ausgang, durch die Brauereianlagen zur Kellerstraße verlassen. Dort waren mehr Leute anwesend, aufgefallen bin ich da nie.

Ich trug damals durchweg einen dunkelblauen Kammgarnanzug mit langer Hose, schwarze Halbschuhe und einen kaffeebraunen Pullover. Ab Mitte September habe ich lediglich die Joppe gewechselt, von da ab trug ich braune Joppe, die aus einem rauhen Stoff angefertigt war. Einen Knickerbockeranzug trug ich in, München nur, wenn ich im Bürgerbräukeller keine Arbeiten vorhatte. Es war dies ein grauer Anzug. Ab Mitte Oktober trug ich auch einen grauen doppelreihigen Übergangsmantel, der rückwärts eine Falte hatte. Den Schnitt kann ich selbst nicht angeben. Eine Kopf-

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bedeckung habe ich nie mit mir geführt. Taschen, Mappen und dergl. führte ich nie mit mir.

Es kam sehr selten vor, dass der Saal nach Absperrung bis zur Öffnung von einer Person, die ich nie gesehen habe, für kurze Zeit betreten wurde. Es wurde auf- und wieder zugeschlossen. Die Galerie wurde dabei nicht betreten. Was diese Person in dem Saal gemacht hat, weiß ich nicht. In der ersten Woche kam es einmal vor, dass der Saal geöffnet wurde, wo habe ich nicht gesehen, und dass ein Mann mit einer Taschenlampe durch den Saal und durch die Galerie gegangen ist. Ich habe mich damals sofort in meinem Versteck versteckt gehalten. Von diesem Mann wurde ich nicht bemerkt. Mein Versteck wurde von diesem nicht kontrolliert. Bis Kriegsbeginn hielten sich in dem Saal auch 2 freilaufende Hunde auf, die in diesen durch die im ersten Stock befindlichen Räume gelangen konnten. Diese haben wohl manchmal gebellt, gestellt wurde ich von diesen jedoch nie. Später stellte ich vor die Türe, durch die sich die Hunde in den Saal begeben haben, einen Stuhl, damit sie nicht mehr in den Saal gelangen konnten.

Soeben fällt mir noch folgendes ein: In den ersten Tagen, in denen ich im Bürgerbräukeller gearbeitet habe, wurde einmal mein Versteck nach Öffnung des Saales von einem Mann betreten, und

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zwar in dem Augenblick, als ich das Versteck verlassen wollte. Dieser Mann wollte in meinem Versteck eine Pappschachtel holen und bemerkte mich dabei. Nachdem er eine Schachtel an sich genommen hatte, ging er, ohne irgendetwas zu mir zu sagen, weg, und kam anschließend mit dem Direktor auf die Galerie. Der Mann kam dorthin von links und der Direktor von rechts. In der Zwischenzeit hatte ich mein Versteck verlassen und an einem Tisch auf der östlichen Galerie Platz genommen, wo ich pro forma einen Brief schrieb. Auf Befragen des Direktors erklärte ich ihm, dass ich an einem Oberschenkel einen Furunkel habe, das ich mir ausdrücken möchte. Auf sein Befragen, was ich in dem rückwärtigen Raum gemacht hätte, gab ich ihm an, dass ich dort das Öffnen des Furunkels habe vornehmen wollen. Ferner sagte ich ihm, dass ich an dem Tisch einen Brief aufsetzen wollte. Der Direktor forderte mich lediglich auf, den Brief im Garten zu schreiben, nachdem ich auf der Galerie nichts zu suchen hätte. Ich habe mich darauf in den Garten des Bürgerbräukellers begeben, wo ich, um keinen Verdacht zu erregen, Kaffee getrunken habe. Es war der gleiche Direktor, mit dem ich bereits zu Ostern 1939 dort gesprochen habe. Ob er mich wieder erkannt hat, weiß ich nicht. Bei der Person, die mich in dem Versteck gesehen hat, handelt es sich um den

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mir nach meiner Festnahme bei einer Gegenüberstellung bekannt gewordenen Kreuzer.

Vermerk:

Zum besseren Verständnis der Vernehmungsniederschrift über die Art der Ausführung der Tat und den Bau der Höllenmaschine, bzw. deren Wirkungsweise werden dieser Niederschrift die Zeichnungen 1-5 beigefügt, die Elser in der Haft gefertigt hat. Die mit Rotstift vorgenommenen Eintragungen hat einer der vernehmenden Beamten (KK. Kappler) angebracht. Alle übrigen Beschriftungen stammen von Elser selbst. Bei der Zeichnung über die Gesamtanlage, die Elser in natürlichem Maßstab angefertigt hat, wurde das Original unverändert belassen und nur eine Lichtpause von demselben mit den Rotstifthinweisen versehen.

Die Zeichnung 1 stellt das frühere erwähnte Versuchsmodell dar, mit dem Elser ausprobiert hat, ob mit Hilfe einer Gewehrpatrone durch Aufschlag eines Stiftes auf dieselbe eine Sprengkapsel entzündet werden kann. Die Zeichnung 2 stellt einen perspektivisch gesehenen Ausschnitt aus der Säule, die E. geladen hat, dar. Die Zeichnung 3 (Lichtpause) gibt einen Überblick über die Anlage, den Einbau in die Säule und die Kon-

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struktion der Höllenmaschine. Auf der Zeichnung 4 hat E. die Wirkungsweise seines Apparates genauer dargelegt. Während auf diesem Bild neben der genauen Darstellung von 3 wichtigen Einzelteilen der Mechanismus in gespanntem d. h. noch nicht ausgelöstem Zustand gezeichnet ist, stellt die Zeichnung 5 denselben Mechanismus in ausgelöstem Zustand, also so dar, wie der Apparat nach der Zündung ausgesehen hätte, wenn er durch die Explosion nicht zerstört worden wäre.

Elser begab sich also mit dem vorläufig notwendigen kleineren Werkzeug, das er in den Kleidertaschen mit sich führte, in der ersten Nacht seines Aufenthaltes im Saal (Anfang August 1939) an die Arbeit.

Elser gibt hierzu an:

Zuerst löste ich vorsichtig den Holzstab an der Sockelleiste der Holzverkleidung an der Säule, dann den oberen Profilstab an der Holzverkleidung ab, d. h., ich musste von dem Sockelbrett den am oberen Teil dieses Bretts angefrästen Profilstab, der also mit dem übrigen Brett aus einem Stück bestanden hatte, abstechen. Der obere Profilstab war nur eine Leiste, die ich ohne weiteres lösen konnte. Dadurch konnte

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ich ein Teilbrett der Säulenverkleidung so aussägen, dass nach Wiederanbringung der Leisten keine Sägeschnittstellen zu sehen waren. Dieses zugeschnittene Brett richtete ich dadurch zu einer Türe ein, dass ich es im Säulenwinkel durch ein je oben und unten angebrachtes Zapfenband drehbar machte. Die andere Längsseite des Türenbrettes fiel deswegen nicht auf, weil sie sich mit einer natürlichen Fuge, an welche überall Profilstäbe angefräst waren, deckte. An dieser Türe brachte ich innen einen Riegel an. Diesen Riegel konnte ich, ohne dass ich irgendwelche Leisten oder Profilstäbe entfernte, jeweils mit einem flachen Messer, mit dem ich in die natürliche, vertikal verlaufende Fuge einfahren konnte, öffnen. Die Zeichnung 3 zeigt diesen Riegel und auch den Sitz der Türe. Die Art der Wandverkleidung und die Lage der Türe zeigte Zeichnung 2. Natürlich musste ich, um den Riegel von außen bewegen zu können, die sogenannte Feder, d. h. den vorspringenden Teil an dem Nachbarbrett, der unter dem Profilstab des abmontierten Bretts in dasselbe hineinragte, abstechen.

Zur Anfertigung der Türe brauchte ich ungefähr 3 Nächte. So konnte ich aber immer sofort mit meiner Arbeit beginnen, wenn ich

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nur die Türe geöffnet hatte, und brauchte nach Schluss einer Nachtarbeit nur die Türe zu verschließen, um eine Tätigkeit im Innern der Säule vollständig zu verbergen. Selbst wenn jemand die Säule tagsüber ganz genau betrachtet hätte, würde er an ihr keinerlei Veränderung bemerkt haben. Meine Arbeitsstelle war nicht mit Tischen oder Stühlen verstellt, solche standen allerdings direkt daneben.

Die weitere Arbeit an der mit Backsteinen aufgestellten Säule habe ich mit Meißel, Bohrwinde und Meißelbohrer ausgeführt. Um die Steine später bearbeiten, d. h. ausbrechen zu können, habe ich mir in München in einem Werkzeugladen um 0,30 M einen Maurermeißel gekauft. Den Namen dieses Geschäftes weiß ich nicht mehr, auch kann ich die Lage nicht beschreiben. Finden würde ich dieses Geschäft allerdings wieder. Für diesen Meißel habe ich mir später dreimal je ein weiteres Verlängerungsstück bei dem Schlosser Solleder in der Türkenstraße 59 anschweißen lassen. Außerdem brauchte ich noch einen Spezialmeißel zum Ausbrechen von seitlichen Fugen. Diesen Meißel ließ ich mir nach meinen Angaben bei dem ebengenannten Schlosser Solleder neu anfertigen. Den Preis für diese Anfertigung weiß ich nicht mehr.

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Zuerst hatte ich den Verputz, der auf dem Backstein lag, zu entfernen. Dies ging ziemlich leicht. Damit war ich in einer Nacht fertig. Die Backsteine konnte ich nur dadurch entfernen, dass ich in die mit hartem Mörtel ausgefüllten Backsteinfugen mittels Bohrwinde und Meißelbohrer nahe beieinander liegende Löcher bohrte, den stehengebliebenen Mörtel mit dem Meißel ausbrach und dann die Backsteine mittels längerem Meißel (Hebelarm) stückweise herausbrach. Da in dem Mörtel ziemlich grobe Steine enthalten waren, die jedes Mal, wenn auf sie der Bohrer traf, richtig krachten, habe ich, um den Schall etwas abzudämpfen, ein Stück Tuch um den hinteren Teil des Bohrers gewickelt und bei der Arbeit fest gegen den Stein gedrückt. Ich wollte so den Schall etwas abhalten, da der kleinste Laut in dem leeren Saal bei Nacht ziemlich stark widerhallte. Ich musste überhaupt sehr vorsichtig zu Werke gehen und deshalb hat die Arbeit auch so lange gedauert. Ich musste bei jedem Brechen und bei jeder Drehung des Bohrers aufpassen, möglichst kein Geräusch zu verursachen. Wenn ich z. B. einen Stein auszubrechen hatte, was immer das größte Geräusch verursach-

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te, habe ich immer gewartet, bis die absolute Ruhe von irgendeinem äußeren Geräusch unterbrochen wurde. Dabei kam mir sehr zustatten, dass ungefähr alle 10 Minuten in den Abortanlagen des Bürgerbräukellers die automatische Spülung einsetzte. Dieses wenige Sekunden anhaltende Geräusch musste ich abwarten, zur Arbeit ausnützen, um dann wiederum bis zur weiteren Tätigkeit zu warten, bis der Spülapparat das nächste Mal die Stille unterbrach.

Auf die oben beschriebene Weise brach ich im Laufe der Monate (Erst Ende Oktober war ich mit der Maurerarbeit fertig) den in Zeichnung 3 eingesetzten Raum aus der Säule aus. Je tiefer ich in die Säule eindrang, desto langsamer ging es natürlich. Ich musste mit verlängertem Meißel und zum Schuttausräumen mit einem selbst gefertigten Kratzer arbeiten.

Vermerk:

Die von E. bezüglich des in der Säule geschaffenen Hohlraumes abgegebenen Maße sind aus der von ihm gefertigten Originalzeichnung (natürlicher Maßstab) abzunehmen und soweit es sich um Höhenmaße

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handelt, in Zeichnung 3 für die einzelnen Raumteile eingetragen.

Elser gibt weiter an:

Den beim Ausbrechen entstandenen Schutt, das Bohrmehl und die Steine habe ich in einem aus eigenem Handtuch selbstgefertigten Sack, in dessen Öffnung ich einen steifen Draht eingezogen habe, aufgefangen. Durch den Drahtring konnte ich den Sack in die Öffnung einklemmen, wo er dann während der Arbeit immer offen stand und der Schutt aufgefangen werden konnte. Wenn der Sack voll war, er war verhältnismäßig klein, habe ich den Inhalt in einen Pappkarton, der mit einem Pappdeckel zu verschließen war, geleert. Diesen Karton ließ ich immer in meinem Versteck auf der Galerie bei den dort stehenden anderen Schachteln stehen. Immer erst, wenn er voll war, bin ich um die Mittagszeit mit einem Handkoffer von der Kellerstraße aus durch den rückwärtigen Eingang in den Saal gegangen, begab mich in mein Versteck und schüttete den Inhalt des Kartons in den Koffer. Dann verließ ich mit dem Koffer den Saal auf dem gleichen Weg und begab mich damit zu Fuß in die Anlagen hinter dem Volksbad, wo ich im Hochwasserbett der Isar bei einem dort befindlichen Schutthaufen den Koffer entleerte. Dann ging ich wieder nach Hause. Ich konnte ungehindert in den Saal gelangen.

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Auf diese Weise habe ich ungefähr 2-3 mal den durch meine Arbeit anfallenden Schutt aus dem Bürgerbräu gebracht, obwohl sich in dem Saal Männer der Luftschutzwache befanden, glaube ich nicht, dass ich dabei irgendwie beobachtet wurde. Bei dem Koffer handelt es sich um einen gewöhnlichen braunen Vulkanfiber-Koffer, der mein Eigentum war und den ich zuhause stehen hatte. Einmal trug ich den Schutt aus dem Bürgerbräukeller auch in einem Stück meines blauen Arbeitsschurzes auf dem gleichen Wege fort.

Später habe ich dann die erwähnte Türe in der Holzverschalung innen mit einem Eisenblech, 2 mm stark, das ich in einer mir weder dem Namen noch der genauen Lage nach bekannten Schlosserei gekauft habe, ausgeschlagen. (Persönlich würde ich mich zu diesem Schlosser wieder hinfinden.) Dieses Blech hatte verschiedenen Zweck: Es sollte verhindern, dass man beim Abklopfen einen Hohlraum vermutet. Außerdem wollte ich vermeiden, dass durch einen etwa zufällig an dieser Stelle eingeschlagenen Nagel meine dahinter stehenden Uhrwerke beschädigt werden könnten. Ich hatte nämlich beobachtet, dass ganz in der Nähe in die Holzverschalung vermutlich für Zwecke gelegentlicher Dekoration ein Nagel eingeschlagen war. Den erwähnten Riegel für diese Türe habe ich aus demselben Stück Blech geschnitten, selbst gefertigt und

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angebracht. Die für die Tür verwendeten Zapfenbänder (Scharnierenersatz) habe ich als handelsübliches Zubehörteil in einer Eisenhandlung im Tal, ungefähr 300 Meter südlich vom Rathaus in München gekauft.

Solange ich mit den Maurerarbeiten beschäftigt war, habe ich das dazu benötigte Werkzeug in der Höhlung selber verborgen. Nur in den ersten Tagen, als der notwendige Raum dafür noch nicht vorhanden war, habe ich es unter eine der verschiedenen in meinem Versteck vorhandenen Schachteln gelegt.

Während der ganzen Zeit trug ich zu meiner Tätigkeit im Saal eine blaue Arbeitshose über die Straßenkleidung gezogen. Morgens legte ich die Hose immer in einer Ecke des Raumes ab, in dem die Schachteln standen, in dem ich mich gelegentlich versteckt hielt. Einmal hätte man ja auf meine Tätigkeit kommen können, denn kurz vor der Veranstaltung am 8.11.1939 wurde während meiner Abwesenheit tagsüber der erwähnte Raum ausgeräumt und die Schachteln alle weggebracht. Als ich eines abends kam, war der Raum leer, ich bin schon erschrocken, fand aber meine Arbeitshose schön zusammengelegt in einer Ecke liegen. Ich habe dann in dieser Nacht trotzdem gearbeitet, die Hose aber nicht mehr außen liegen lassen, sondern sie auch immer in den Säulenhohlraum gelegt.

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Den Anzug, der einige Jahre schon getragen war, und den ich während meiner Nachtarbeit immer trug, habe ich nicht besonders gereinigt. Er wurde nicht schmutzig, da ich die Jacke ausgezogen hatte und über die Hose eine Arbeitshose gezogen hatte.

Während meiner ganzen Tätigkeit, sowohl beim Ausbrechen, als auch später beim Einbauen meines Apparates verwendete ich immer eine Taschenlampe, die ich mit einem blauen Taschentuch verhängt hatte.

Um alles zu sagen, muss ich noch erwähnen, dass ich gleich am Anfang meiner Tätigkeit links vom Raum für die Uhrwerke plötzlich auf einen Hohlraum gestoßen bin, von dem ich nicht wusste, welche Bedeutung er hatte, ob es irgendein Schacht war. Für alle Fälle setzte ich den an dieser Stelle aufgebrochenen Stein wieder ein und vergipste die Öffnung. Den damals verwendeten und übrig gebliebenen Gips ließ ich in meinem Versteck ruhig stehen. Ich dachte, vielleicht kann ihn mal einer gebrauchen. Später wurde er mir dann nach meiner Festnahme durch die Polizei vorgezeigt.

Etwa neben den Sack gefallene Schuttreste, Staub usw. habe ich immer fein säuberlich weggeräumt. Dazu habe ich ein Tuch oder Taschentuch verwendet.

[Konstruktion der Bombe (August - Oktober 1939)]

Gleichzeitig habe ich auch meinen

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Apparat gebaut. Während ich nachts im Saal des Bürgerbräukellers arbeitete, habe ich tagsüber mich mit der endgültigen genauen Konstruktion meiner Maschine und dem Bau derselben beschäftigt.

Den Umbau und die Unterbringung der Uhrwerke konnte ich bald nach meiner Ankunft in München vornehmen. Mit dem Bau der übrigen Teile musste ich solange warten, bis ich wusste, wie weit ich den Raum in die Säule vortreiben konnte. Die genauen Größenverhältnisse meines gesamten Apparates konnte ich deshalb erst Anfang Oktober 1939 bestimmen. Die Einzelheiten, besonders die Wirkungsweise meiner Konstruktion, waren mir allerdings schon vorher klar. Den Gedanken, die Zündung mit Hilfe magnetischer Wirkung (Batterie und Autowinker) auszulösen, hatte ich schon früher, aber allerdings erst in München, fallengelassen.

Die Höllenmaschine war wie folgt konstruiert und entsprechend wirksam: An dem kleinen Zeiger (Stundenzeiger) einer Uhr hatte ich den Fortbewegungshebel D befestigt. Hinter dem Zifferblatt, nicht davor, lag der Hebel D. Auf einer besonderen Achse, die ich erst hinzubaute, hatte ich ein selbstgefertigtes Holzkammrad (Sperrholz mit Buchenholzzapfen) aufgezogen und so in das Gestell des Uhrwerks eingesetzt, dass der Hebel D alle zwölf Stunden einen der zwölf Zapfen B mitnahm, und dadurch das

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Kammrad A um eine zwölftel Umdrehung weiterdrehte. An dem Kammrad A hatte ich außerdem einen seitlich hervorschauenden Anschlag C angebracht, der zu einem vorauszuberechnenden Zeitpunkt bzgl. des Uhrablaufs einen gekrümmten Hebel E anhob, der im Punkt F gelagert war. Beim Anheben dieses Hebels, der sich bereits in der Uhr befand und eigentlich zur Auslösung des Schlags gehörte, wurde über den Stellen G und das Rädchen H das Laufwerk des Uhrschlagwerks frei. Die Feder des Schlagwerks konnte ablaufen. Das ebenfalls in der Uhr schon vorhandene Zahnrad J drehte sich, und zwar verhältnismäßig langsam und mit entsprechender Leistungsfähigkeit. Dieses Rad J trieb das von mir aufgesetzte Zahnrädchen H, das fest mit einer kleinen Seiltrommel verbunden war, und rollte so das 0,8 mm stark bei K angelötete Drahtseil über die Rolle L 1 und L 2 laufend auf. Dadurch wurde der Sperrbolzen N, der zwischen den Rollen M locker gehalten wurde, vor der Rolle 0 weggezogen. Beim Freiwerden der Rolle 0 konnte der Hebel P, der sich um Q drehte und unter Spannung der Feder V stand, wegschnellen. Das andere Ende dieses Hebels gab das lange Ende des Hebels R, der sich um S drehte, frei. Der Hebel R, der mit

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seinem kurzen gekrümmten Ende bisher den eisernen Schlagklotz in einem Schlitz, vor dem noch ein Steg stand, festgehalten hatte, gab diesen unter der Federspannung stehenden Klotz frei. Der Klotz mit den drei fest eingelassenen und spitz gefeilten Nägeln W schnellte auf den Bolzen Ü, über den er lose aufgezogen war, vor der Feder V vor. Die Spitzen W schlugen auf die gegenüberliegenden Patronenhülsen (Gewehrmunition ohne Bleikugeln) auf und entzündeten so durch den Aufschlag auf die Zündhütchen der Patronen die mit kleinem Abstand daran anschließend eingesetzten Sprengkapseln Y. Diese Sprengkapseln Y ragten mit ihrem freien Ende durch jeweilige Bohrungen in dem Deckel in die Sprengstoffbehälter. Als solche waren eine Granathülse und ein ehemaliges Uhrengewicht angebracht. Die dritte Sprengkapsel mündete in eine einfache Sprengstoffpatrone. Ein weiteres Uhrgewicht, mit Sprengstoff gefüllt, ebenfalls mit einfachem durchbohrten Deckel versehen, war neben dem Sprengstoffbehälter frei in den Raum gelegt. Aus der Deckelbohrung ragte frei eine Sprengkapsel, die durch Explosionsübertragung von der eisernen Sprengstoffpatrone aus entzündet werden sollte.

Da ich es der Zuverlässigkeit einer einzigen Uhr nicht überlassen wollte, ob mein

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Plan gelang oder nicht, habe ich dieselben Vorkehrungen, die bereits an der ersten Uhr beschrieben, auch an einer zweiten Uhr angebracht. Das von der zweiten Uhr ausgehende Drahtseil habe ich ebenfalls über die Rolle L 2 zum Bolzen N geleitet und dort festgemacht. Kurz vor der Rolle L 2 habe ich die beiden Drahtseile miteinander verklemmt. Aus demselben Grunde einer doppelten bzw. dreifachen Sicherheit habe ich auch den Sprengstoff nicht nur in einen Behälter gepackt und nur mit einer Sprengkapsel und nur mit einem Zündhütchen entzündet, sondern drei Schlagbolzen über drei Zündhütchen auf drei Sprengkapseln wirken lassen.

Entsprechend den 12 Kämmen B des Kammrades A konnte ich also jede der beiden Uhren, die an und für sich eine Laufdauer von 14 Tagen hatten, 144 Stunden oder 6 Tage vorher ungefähr auf eine Viertelstunde genau den Zeitpunkt der Explosion einstellen in Gang setzen. Durch Ausprobieren hätte ich sogar die Einstellung auf 6 Tage voraus auf die Minute genau vornehmen können.

Da ich feststellte, dass die beiden Uhrwerke durch die Wandverkleidung hindurch gut zu hören sein würden, habe ich sie in einem doppelwandigen Kasten aus Sperrholz mit einer 1 cm starken Korkeinlage untergebracht. Bei der Korkeinlage handelt es sich

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um eine besondere Mischung von Teer, Karton und Kork, auf die ich durch eine Zeitungsannonce einer Firma für "Schalldichtung, Wärme- und Kältetechnik" aufmerksam geworden war. Ich bin in das in der Zeitung vermerkte Büro in der Wendel-Dietrich-Straße in München hineingegangen und ließ mir dort erklären, was für Materialien es zur Schalldichtung gibt. Ich sagte dem Mann, dass ich zu Hause eine Uhr hätte, die mir bei der Nacht zu laut ging und deswegen ich ein schalldichtes Gehäuse bauen wolle. Daraufhin verkaufte er mir die erforderliche Fläche der erwähnten Masse in Plattenform. Für ungefähr 5 Musterblätter in etwa der Größe 40 auf 20 cm zahlte ich ca. 1,- RM. Die beiden Uhren standen in einem allseits umschlossenen Kasten, aus dem nur durch zwei kleine Löcher die Drahtseile herausführten. Im Raum habe ich diesen Uhrenkasten mit Hilfe von 2 Eisenblechflanschen, d. h. Blechstreifen, die ich selbst fertigte, teils an der Holzverschalung, teils an einer stehen gebliebenen Latte, die vorher unter dem Verputz lag, festgemacht.

Die Sprengstoffbehälter sowie das in einer Hälfte aus Holz, in der anderen Hälfte aus Blech (als Deckel) bestehende Gehäuse, in dem die Auslösungsvorrichtung, die Spannfeder, der eiserne Schlagklotz untergebracht und am Deckel die Patronenhülsen und die Sprengkapseln eingesetzt waren, habe ich im Raum nicht

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besonders befestigt. Dagegen waren das zuletzt erwähnte Gehäuse sowie die Granathülse, die ihrerseits wieder mit dem einen der Uhrengewichte durch ein Eisenband verbunden war, fest miteinander verbunden durch zwei einerseits angenietete und andererseits festgeschraubte Blechstreifen.

Wie bereits erwähnt, waren die Uhren schon länger in meinem Besitz. Die Kammräder A für jede dieser beiden Uhren habe ich selbst angefertigt. Das Zahnrädchen K, das ich an beiden Uhren angebaut habe, stammt aus einem anderen Uhrwerk. (Ich hatte ja 5 oder 6 Uhrwerke mit nach München genommen.) Die Rollen L 1, L 2, M und 0 habe ich nach meinen Angaben beim Dreher Wechsler in München, Frauenstraße, aus Eisen drehen lassen. Bei diesem Handwerker habe ich im Laufe der Zeit noch folgende Teile anfertigen lassen, bzw. bearbeiten lassen:

Den Bolzen N, die Achsen für die verschiedenen Rollen, den Bolzen U, die Bohrungen in dem Klotz T, die Achse Q, sowie die Achse für das Kammrad A (doppelt), den Deckel mit Gewinde für die Granathülse, die Deckel mit Gewinde für die beiden Uhrengewichte, die Achse B.

Für alles zusammen bezahlte ich bei dem Dreher Wechsler ungefähr 18,- RM. Ich

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hatte ihm gesagt, dass ich etwas ausprobieren wolle.

In einem offenen Laden für Drahtseile, Hanfseile usw. kaufte ich, die beiden verwendeten 0,8 mm Drahtseile. Den Namen des Inhabers weiß ich nicht. Das Geschäft liegt in einer Parallelstraße zum Tal. (Vermerk: Nach der Beschreibung dürfte es sich um die Lederstraße handeln.) Dort kaufte ich sonst nichts. Preis: ca. 6-10 Pfg.

[Komponenten von Solleder, Brög und anderen (August - Oktober 1939)]

Bei dem Schlosser Solleder habe ich folgende Teile anfertigen bzw. bearbeiten lassen: Den 15 mm starken rechteckigen Deckel mit drei Bohrungen und einem breiten Rand aus starkem Eisenblech für das Gehäuse (halb Holz, halb Blech) des Zündapparates. Das Auflöten des Drahtseiles auf die Achse K (für eine Uhr. Für die andere Uhr war dies nicht notwendig. Dort habe ich es ohne Löten gut festmachen können.) Den Flacheisenrahmen um die Granathülse mit 3 Bohrungen, einer davon ein Gewinde. Preis: ca. 5,- DM.

Außerdem habe ich, wie bereits erwähnt, bei Solleder noch im Laufe der Monate meinen Meißel durch Anschweißen neuer Stücke dreimal verlängern lassen und außerdem einen Spezialmeißel (für seitliche Fugen) anfertigen lassen. Preis: ca. 1,- RM.

Bei der Firma Suckfüll, Eisenwaren-

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handlung, in München, Türkenstraße, habe ich folgende Teile fertig gekauft:

Die Spiralfeder V, 2 Schraubbolzen mit Mutter und eine Gewindeschraube für den Flacheisenrahmen und das Bandeisen an den Sprengstoffbehältern. Preis ca. 20-30 Pfg.

Eine Reihe von kleineren Schrauben habe ich in einem Schraubenspezialgeschäft in der Nähe des Viktualienmarktes (Name und genaue Lage des Geschäfts sind mir nicht mehr bekannt) zum ungefähren Preis von ca. RM 1,- gekauft.

In der Gießerei und Eisenhandlung Kustermann in München, Rosenheimer Straße, habe ich den Klotz T mit dem notwendigen Schlitz nach eigenen Angaben (ohne Bohrung) gießen lassen. Der Sicherheit halber, d. h. für den Fall, dass mir ein Gussstück zerspringt oder ich es sonst wie beschädige, habe ich mir gleich 3 Stücke zum ungefähren Preis von RM 4,- bis 5,- machen lassen. - Ich wurde nicht gefragt, zu welchem Zweck ich dieses Stück benötige.

Die beiden Uhrengewichte habe ich in einer Dreherei und Schlosserei in der Nähe der Baderstraße (das Haus liegt neben einer alten Mühle, daneben befindet sich die Werkstatt eines Messingdrehers) ausbohren lassen. Dort habe ich auch in die Öffnungen der beiden Uhrengewichte je ein inneres Gewinde schneiden lassen. Preis nicht mehr erinnerlich.

Das Roheisen (massives Rundeisen) für

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die beiden Deckel der Uhrengewichte, die ich später drehen und mit Gewinde versehen ließ, was, wie schon erwähnt, Wechsler gemacht hat, habe ich in einem Schraubengeschäft (Büroverkauf und Werkstatt) in der Reichenbachstraße (Hinterhaus) gekauft. Name nicht mehr erinnerlich. Neben dem Haus befindet sich ein Kassenschrankgeschäft. Preis ca. RM 0,80.

Das Roheisen (massives Rundeisen) für den Deckel der Granathülse, den ebenfalls Wechsler später weiter bearbeitet (Abdrehen und Gewindeschneiden), habe ich in einer Maschinenfabrik, deren Namen ich nicht mehr weiß, die aber am Glockenbach liegt, gekauft. Dorthin hatte mich Wechsler geschickt, da er kein so starkes Rundeisen hatte, wie ich es für diesen Zweck brauchte. In der Fabrik wurde ich ebenso wenig wie in sonstigen Geschäften, in denen ich irgendein Teil kaufte, gefragt, zu was ich dies benötige. Für das Roheisen habe ich ungefähr RM 1,30 bezahlt.

Sonstige Firmen oder Handwerker, außer den bis jetzt erwähnten, habe ich, soweit ich mich erinnern kann, nicht in Anspruch genommen.

Die Hebel P und K habe ich aus Resten des Türbeschlagbleches selbst geschnitten und zurechtgemacht. Die Nägel W habe ich eigenhändig in den Klotz T eingebohrt und in den Löchern

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etwas gestaucht. Die Bohrungen in den Deckeln der Granathülse und den beiden Uhrengewichten für die Sprengkapseln habe ich mit der Bohrwinde selbst gefertigt. Das Gehäuse für den Zündapparat, bestehend aus einer Holzrinne als unterer Teil und einem Blechdeckel als oberen Teil habe ich aus eigenem Holz bzw. Resten des Türblechs selbst gefertigt. Auch alle anderen, sonst für meinen Apparat benötigten Teile habe ich selbst gebaut.

Diese Arbeiten habe ich in der Schreinerwerkstatt des Schreinermeisters Brög, in der Türkenstraße 59, ausgeführt. Ich musste dafür nichts bezahlen. Schreinermeister Brög, der allein arbeitet, hatte gerade in dieser Zeit einen schweren Schrank anzufertigen. Dabei, besonders beim Ab- und Aufbauen der einzelnen schweren Teile, habe ich ihm immer geholfen. Auch beim Abliefern des Schrankes beim Auftraggeber war ich behilflich. Eine besondere Freundschaft hat mich mit Brög, den ich vorher nicht kannte, nicht verbunden. Er war ein guter Mann und sehr entgegenkommend. Später, vom 1. bis 6. November, hatte ich ja sogar bei ihm meine Sachen in seiner Werkstatt kostenlos untergestellt und auch einige Nächte in der Werkstatt geschlafen, d. h. natürlich mehr bei Tag, als bei Nacht. Brög hat mich natürlich im Laufe der Zeit öfter gefragt, an was ich denn arbeite oder zu

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was ich denn das eine oder das andere brauche. Ich sagte ihm immer, das gäbe eine Erfindung. Auf seine weiteren Fragen sagte ich ihm, das sei vorerst geheim. Auf eine spätere Frage von Brög, ob das, was ich mache, denn so ein Uhrwerk gäbe, das morgens beim Wecken gleichzeitig auch das Licht anzünde, sagte ich: "Ja, so ähnlich!"

[Einbau der Bombe (November 1939)]

Als ich alles zusammengebaut und die Einzelteile einschließlich der Uhren auf ihre Wirksamkeit und Funktionieren mehrmals ausprobiert hatte, ohne natürlich Zündhütchen und Sprengkapseln oder gar Sprengstoff einzusetzen, habe ich am Abend des 1. oder 2. November (dies weiß ich nicht mehr genau) die Sprengstoffbehälter (Granathülse und ausgebohrte Uhrengewichte) zu Hause mit dem Sprengstoff, d. h. nur mit dem Schwarzpulver gefüllt, die Deckel zugeschraubt, in die Bohrungen die Sprengkapseln eingesetzt und diese Sprengstoffbehälter sowie den Zündapparat (im Gehäuse) in meinen Handkoffer gepackt und so in den "Bürgerbräu-Saal" verbracht. Den Saal betrat ich seinerzeit von der Kellerstraße aus durch die mir bekannte hintere Eingangstür, die meistens nicht verschlossen war und die lediglich von innen mit einem Vorhängeschloss abgeschlossen werden konnte. Von da aus begab ich mich auf dem hinteren Treppenaufgang auf die Galerie. Es war dies gegen 22 oder 23 Uhr. Lichter haben seinerzeit

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im Saal nicht gebrannt. Personen waren dort nicht anwesend.

Die Packung des Koffers habe ich im Lagerraum neben der Werkstatt des Brög vorgenommen. Dort hatte ich meinen Holzkoffer, in dem bis dahin in Doppelboden und Geheimfächern immer noch Sprengstoff usw. verschlossen untergebracht war, hinterstellt. In dem Lagerraum war seinerzeit niemand anwesend. Es war dies nach Arbeitsschluss erfolgt. Ich hatte einen Schlüssel zu dem Lagerraum im Besitz, den mir Brög bei der Hinterstellung meiner Sachen ohne Verlangen ausgehändigt hatte. Diesen Schlüssel gab ich an Brög erst am 6.11. zurück, als ich München verließ. Auch beim Wegtragen des Koffers wurde ich von niemandem beobachtet.

Auf der Galerie des Bürgerbräukeller-Saales öffnete ich auf die übliche Weise und unter dem Schein meiner mit blauem Taschentuch verhängten Taschenlampe die Tür zu dem von mir geschaffenen Hohlraum. In die hinterste Ecke dieses Hohlraumes (siehe Zeichnung 3) legte ich zuerst die Granathülse, um die ich bereits zu Hause schon auch den Bandeisenrahmen gezogen hatte. Auf der Granathülse hatte ich auch bereits zu Hause schon mit einem Blechstreifen (nicht eingezeichnet) eines der gefüllten Uhrengewichte befestigt, so dass dieser zweite Sprengstoffbehälter auf der Granathülse lag. Mittels des

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Flacheisens mit 2 Schraubbolzen und Muttern und der Gewindeschraube war auch bereits durch die Blechstreifen der viereckige Deckel mit breitem Aufsteckrahmen des Zündapparatgehäuses festgemacht. Als weiteres Stück fügte ich dann das Gesamtgehäuse des Zündapparates durch Einstecken der Holzrinne samt Blechdeckel in den Aufsteckrahmen ein. Dann legte ich, wie eingezeichnet, das zweite gefüllte Uhrengewicht lose neben die anderen Sprengstoffbehälter auf den Boden des Hohlraumes. Die Schlagbolzenvorrichtung, die ich Zündvorrichtung nenne, war natürlich gespannt und über die Hebel R und P durch den Bolzen N festgehalten.

Die Arbeiten an diesem Abend nahmen ungefähr 2 Stunden in Anspruch. Die weitere Nacht verbrachte ich im Bürgerbräu-Saal in meinem alten Versteck. Den Saal habe ich am nächsten Tage gegen 6.30 Uhr durch den rückwärtigen Ausgang der Kellerstraße zu wieder verlassen. Ich verbrachte die Nacht deswegen im Bürgerbräukeller, da ich den Lagerraum des Brög infolge des dort versperrten Durchganges nicht mehr hätte betreten können. Den Koffer trug ich wieder bei mir. Auch bei meiner Rückkehr in den Lagerraum blieb ich unbeobachtet. Die Werkstatt musste ich nicht passieren, um in den Lagerraum zu gelangen.

Das übrig gebliebene Schwarzpulver, das in die Behälter nicht hineingegangen war, meinen

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gesamten Vorrat (104 Stück) Sprengpatronen sowie den Rest (ca. 119 Stück) an Sprengkapseln sowie den übrigen, zahlenmäßig nicht mehr festzustellenden Teil von Gewehrmunition mitsamt den Bleikugeln habe ich an diesem Tag, also am 2. November, wie ich mich jetzt genau erinnere, abends in den Lagerraum des Brög, wo niemand anwesend war, in meinem Handkoffer verpackt und von der Kellerstraße aus über den rückwärtigen Eingang des Bürgerbräukellers verbracht. Jeweils einige Patronen, einige Kapseln und Gewehrmunition hatte ich der Sicherheit halber in Zeitungspapier eingewickelt und so in den Koffer gelegt.

Auf der Galerie des Saales öffnete ich wieder die von mir geschaffene Tür, schob zuerst einige Päckchen der Schwarzpulvertabletten in einen Hohlraum unter dem Zündapparat, dann legte ich die Sprengkapseln in den Zwischenraum der Granathülse und der Wand und zum Schluss füllte ich den ganzen übrigen hinteren Raum der Höhle mit den Sprengpatronen samt der restlichen Gewehrmunition aus. Da ich von vornherein wusste, dass es mir nicht gelingen würde, diesen hinteren Hohlraum mit der Hand zu füllen, hatte ich schon vorher aus Holz eine ungefähr 50 cm lange löffelartige Zange selbst gefertigt. Auch dies geschah in der Werkstatt

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des Brög. Zur Zeit der Anfertigung und vor der Benutzung hat Brög diese Zange nicht gesehen, höchstens vielleicht nachher, da ich sie nach Gebrauch in der Werkstatt habe liegen lassen, wo sie vielleicht heute noch liegt. Mit dieser Zange gelang es mir, auch den kleinsten und letzten Hohlraum im hinteren Teil der Höhle auch mit Sprengpatronen auszufüllen. Zum Schluss war schließlich der gesamte Raum auch über dem Zündapparat mit Ausnahme des für meinen Uhrenkasten erforderlichen Raumes vollständig mit Sprengmitteln ausgefüllt. Inzwischen hatte ich bereits am Abend des 2. November (es dürfte vielleicht um 20 Uhr gewesen sein) die beiden Uhren auf genaue Uhrzeit gebracht und in Gang gesetzt. Es war nicht erforderlich, die Uhren etwa um dieselbe Stundenzeit in Gang zu setzen, zu der sie sechs Tage später den Zündmechanismus auslösen sollten. Da der Anschlag C ein für allemal so auf dem Kammrad montiert war, dass bei einer Übereinstimmung meiner Uhren mit der Normaluhrzeit eine Zündung überhaupt nur entweder um 9.30 Uhr morgens oder um 9.30 Uhr abends möglich war, war es einerlei, zu welcher Stunde ich am 2. November zwischen 10.30 Uhr morgens und ungefähr 21.00 Uhr die Uhren in Gang setzte. Die richtige Stelle (für diese Zeit) der Anbringung des Anschlages C zwischen zwei Zapfen

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B hatte ich längst vorher durch Versuche festgestellt.

Die Nacht vom 2. auf 3.11.1939, als ich meinen Sprengstoff eingefüllt hatte, verbrachte ich ebenfalls bis gegen 6.30 Uhr in meinem Versteck. Auch beim Verlassen des Saales benutzte ich wieder den rückwärtigen Eingang und ging durch die Brauereianlagen zur Kellerstraße ins Freie. Hier blieb ich unbeobachtet.

Am 3.11. abends verpackte ich sodann die Uhren in ein Packpapier, das ich verschnürt hatte, und wollte sie vom Lagerraum des Brög aus in den Bürgerbräukeller verbringen. Nachdem ich aber in den Saal nicht gelangen konnte, der von mir benutzte rückwärtige Eingang war an diesem Abend verschlossen, und nachdem mir ein Übernachten auch in dem Lagerraum des Brög wegen des nachts abgesperrten Durchganges nicht möglich war, blieb ich nachts im Garten des Bürgerbräukellers, wo ich mich unter einem Dach, wo die Bierfässer gelagert werden, aufhielt. Früh, 5.30 Uhr, ging ich dann in den Lagerraum des Brög zurück, die Uhr hatte ich bei mir. Zu Hause versicherte ich mich davon, dass an der Uhr nichts verrückt war.

Am 4.11.39 gegen 21. 30 Uhr begab ich mich mit den Uhren, die ich wieder in gleicher Weise verpackt hatte, zum Bürgerbräukeller.

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Nachdem mir bekannt war, dass an diesem Abend, es war ein Samstag, in dem Saal eine Tanzveranstaltung stattfindet, habe ich den Bürgerbräukeller von der Rosenheimer Str. aus betreten, löste mir eine Eintrittskarte, ging in den Saal und begab mich auf die Galerie, wo ich die mitgeführten Uhren in meinem Versteck hinterstellt habe.

Ich nahm auf der Galerie Platz, in der Nähe des Musikpodiums, und sah von dort aus der Tanzveranstaltung zu. Gesellschaft hatte ich nicht. Bei Schluss der Tanzveranstaltung, es war dies am 5. 11. gegen 1 Uhr, begab ich mich von meinem Platz aus in mein Versteck und wartete dort ab, bis der Saal geleert und abgesperrt worden war. Durch ein noch etwa halbstündiges Warten habe ich mich davon vergewissert, dass sich tatsächlich niemand mehr im Saale befand. Ich wollte sodann in die Säule die Uhren einbauen, musste aber feststellen, dass der Vorraum, wo das Gehäuse eingesetzt werden sollte, zu schmal war. Trotzdem ich den Vorraum weiter ausgebrochen hatte, gelang es mir nicht, das Uhrgehäuse einzusetzen. Ich habe deshalb die Tür wieder geschlossen, verpackte wiederum meine Uhr und wartete in meinem Versteck den Taganbruch ab. Den Saal habe ich in der Frühe durch den seitlichen Notausgang bei der Küche, der inzwischen aufgesperrt worden war, verlassen. Ich ging durch die Brauhausanlagen zur Kellerstraße

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und von da aus in den Lagerraum des Brög. Dort habe ich die rückwärtigen Ecken des Uhrenkastens durch Absägen und Abraspeln abgerundet, meiner Schätzung nach musste somit der Uhrenkasten in den Vorraum der Höhlung in der Säule des Bürgerbräusaales passen.

[Abschluss der Arbeiten (5. November 1939)]

Am Sonntag Abend, 5.11.39, ging ich zwischen 21 und 22 Uhr mit dem verpackten Uhrengehäuse wiederum zum Bürgerbräu, den ich an diesem Tage ebenfalls vom Haupteingang in der Rosenheimer Str. aus betreten habe, nachdem auch an diesem Tage im Bürgerbräusaal eine Tanzveranstaltung stattfand. Auch diesmal löste ich mir eine Eintrittskarte und ging auf die Galerie, wo ich an dem gleichen Platz wie am Vortage der Veranstaltung zusah, nachdem ich das Gehäuse wieder in dem Versteck hinterlegt hatte. Bei Schluss der Tanzveranstaltung wartete ich in meinem Versteck wiederum die Leerung und Absperrung des Saales ab. Dabei war ich von niemand beobachtet worden. An diesem Tag war die Tanzveranstaltung bereits gegen 24 Uhr geschlossen worden. Nach ungefähr einer Stunde begab ich mich mit den Uhren von meinem Versteck aus an die Säule, öffnete die Türe und stellte durch Einsetzen des Uhrgehäuses in den Vorraum der Höhle fest, dass dieser nunmehr passend war. Das Uhrengehäuse habe ich, wie bezeichnet, mit Blechstreifen befestigt. Anschließend habe ich die Drahtseile, die ich bereits, wie schon erwähnt, in der Nähe ihrer Enden leicht zusammenge

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klemmt hatte, in die Öse des Haltebolzens N eingeführt und durch Zusammendrehen des freien Endes festgemacht. Die Drahtseile waren also leicht gespannt.

Zum Schluss musste ich noch die beiden Uhren, die auf dem Transport selbstverständlich stehen geblieben waren, wieder in Gang setzen und die Uhrzeit auf diesen Uhren durch Vergleich mit einer Taschenuhr wieder richtig stellen. Dazu habe ich die Vorderseite des Uhrenkastens, die ich vorsorglich ebenfalls als Türe ausgebaut hatte, geöffnet, später wieder verschlossen und damit der Sache ihren freien Lauf gelassen.

Ich hatte vergessen zu erwähnen und auf den Zeichnungen einzutragen, dass ich für diese Zwecke des Transportes in den letzten Tagen des Baues noch eine Sicherungsschraube eingebaut hatte. Diese Sicherungsschraube mit Muttern festgestellt, verhinderte für den Fall, dass sich der Bolzen N während des Transportes verschob, ein Zurückschnellen des Hebels P und damit eine Auslösung des Zündmechanismus. Diese Sicherungsschraube musste ich natürlich, nachdem ich die Drahtseile angeschlossen hatte, vorher lösen, ehe ich die äußere Tür zum letzten Male verschließen wollte.

Mit diesen Arbeiten war ich am 6.11.39 früh 6 Uhr zu Ende. Ich habe mich anschließend ungefähr noch 1/2 Stunde in meinem Versteck aufgehalten und

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dann den Saal durch den seitlichen Notausgang bei der Küche, der inzwischen aufgesperrt worden war, verlassen. Die Anlagen des Bürgerbräukellers habe ich durch die Kellerstraße verlassen, begab mich an den Isartorplatz, wo ich an dem dort befindlichen Kiosk eine oder zwei Tassen Kaffee getrunken habe, und von hier aus ging ich in den Lagerraum des Brög um dort meine Sachen für die Abreise in Ordnung zu bringen.

Wie ich bereits früher angegeben habe, ist mir bereits im Herbst 1938 bekannt geworden, dass alljährlich diese Veranstaltungen am 8. und 9. November in München stattfinden und dass an diesen Feierlichkeiten die Führung teilnimmt. Ich vermute, dass ich mein Wissen aus den Tageszeitungen habe. Es kann auch möglich sein, dass ich dies sonst irgendwie erfahren habe. Ich kann mich daraufhin nicht mehr besinnen. Es war mir nicht bekannt, dass eine Absage dieser Feiern in diesem Jahr geplant war, auch wusste ich nicht, dass ursprünglich der Führer [nicht] an dieser Feier teilnehmen sollte. Hierüber habe ich weder etwas gelesen, noch irgendetwas gehört. Während meines Aufenthaltes in München habe ich nur selten Zeitungen gelesen, hierzu hatte ich fast keine Zeit. Ich kann mich nicht entsinnen, ob ich im November 1939 noch eine Tageszeitung gelesen habe.

[Auszug bei Familie Lehmann (1.11.1939)]

Anfang Oktober 1939 war ich einige Tage bettlägerig. Aus unbekannten Gründen hatte damals mein

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rechtes Knie geeitert. Ich stand deswegen ungefähr 2-3 Wochen bei dem prakt. Arzt Dr. Hauer in der Wörthstr. in ärztlicher Behandlung. Diese Krankheit hat mich einige Zeit damals an der Vornahme von Arbeiten im Bürgerbräukeller gehindert. Gepflegt wurde ich s. Zt. von meiner Hausfrau Lehmann. Das Zimmer bei Lehmann habe ich am 1.11.39 aufgegeben, nachdem ein längerer Aufenthalt in München für mich nicht mehr in Frage kam. Wenn ich gewusst hätte, dass meine Vorarbeiten im Bürgerbräukeller am 1.11. noch nicht fertig waren, wäre ich noch länger dort wohnhaft geblieben. Am 15. 10. hatte ich bei Lehmann gekündigt. Diesem erklärte ich lediglich, dass ich wieder nach Hause gehen würde. Es kann möglich sein, dass sie sich erkundigt haben, ob ich mit meinen Erfindungen fertig bin, bestimmt weiß ich dies jedoch nicht mehr. Wenn dies der Fall war, so habe ich sicherlich mit "ja" geantwortet. Meine bei Lehmann untergebrachten Sachen brachte ich selbst am 1.11.39 mit dem Zweiräderhandwagen des Brög von Lehmann weg und stellte diese mit Einverständnis des Brög in seinem Lagerraum unter. Brög hatte ich mitgeteilt, dass ich bei Lehmann zum 1.11. gekündigt habe, dass ich aber erst in ein paar Tagen heimfahren könne. Einen Grund habe ich nicht angegeben. Auf mein Bitten hin hat er ohne weiteres gestattet, die Sachen in seinem Lagerraum zu hinterstellen. Er hat mir hierzu, wie bereits erwähnt, auch einen Schlüssel ausgehändigt. Meine

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Wäsche, Kleidung und mein Werkzeug habe ich bereits bei Lehmann in 3 Kisten verpackt und am 1.11. zur Bahn gebracht, wo ich sie am 2. 11. an meine Schwester Maria in Stuttgart abgesandt habe. Ich hatte also nur noch den Holzkoffer bei mir, in dem sich Kleidungsstücke von mir befanden.

[Stuttgart (6.-7. November 1939)]

Am 6.11.39 habe ich München verlassen. Ich fuhr nach 10 Uhr mit dem Personenzug vom Hauptbahnhof in München nach Ulm ab, stieg dort in einen Schnellzug um. Ich hatte sofort Anschluss und fuhr nach Stuttgart weiter. Ich trug einen graublauen Anzug mit langer Hose und einen schwarzgrauen doppelreihigen Mantel und einen grauen Hut mit schwarzem Band. Als Handgepäck führte ich den braunen Reisekoffer und 2 Pakete mit mir, den Holzkoffer hatte ich als Reisegepäck noch aufgegeben. Brög habe ich erklärt, dass ich nach Hause fahre. Ich habe mich bei ihm für sein Entgegenkommen bedankt und er sagte auch mir Dank für die Hilfe, die ich ihm bei den Arbeiten geleistet habe.

Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich mit weiteren als den genannten Personen während meines Aufenthaltes in München in Verbindung gekommen bin.

[Hausbursche Renner] Den Hausburschen Renner und das Servierfräulein Ludwig habe ich in dieser Zeit ebenfalls nie zu Gesicht bekommen. Von diesen habe ich auch nie mehr etwas gehört. Post habe ich während meines Aufenthaltes in München lediglich von Georg Schmauder und Frau Härlen,

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d. h., die Briefe waren nicht von Georg, sondern von Ruth geschrieben. Es handelte sich um einen belanglosen Briefwechsel. Die Briefe der Härlen waren Liebesbriefe. Ferner habe ich, wie bereits erwähnt, an meine Schwester Maria nach Stuttgart einen Brief gesandt, auf den sie mir nach München geantwortet hat. Postlagernd habe ich in München keine Sendungen empfangen.

Das einzige Postamt, an das ich mir Postlagersendungen schicken ließ, war in Heidenheim. Dort habe ich, als ich im August nach München verzog, keinen Nachsendeantrag gestellt. Ich kann mich wenigstens, trotzdem mir die Aussagen der Postbeamten in Heidenheim vorgehalten werden, mit dem besten Willen nicht daran erinnern. Während meines damaligen Aufenthaltes in der Heimat ließ ich mir von der Frau Härlen, die mir ungefähr alle 3 Wochen einmal geschrieben hat, die Post deswegen nicht nach Hause schicken, weil ich vor der Maria Schmauder und früher vor meinen Eltern es nicht gerne wahrhaben wollte, dass ich mit der Frau, die meinetwegen geschieden worden ist, noch im Verkehr stehe. Während der Zeit, in der ich nicht mehr in Heidenheim beschäftigt war, habe ich immer wieder bei Besuchen in Heidenheim mit dem Fahrrad auf dem dortigen Postamt nach Eingängen für mich gefragt. Außer den Briefen von Frau Härlen habe ich unter der Postlageradresse noch ziemlich regelmäßige Sendungen von einem Lotteriegeschäft in Hamburg bekommen, bei dem ich schon längere Zeit mit einem

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Achtellos in der Klassenlotterie spielte. In dieser Lotterie bin ich übrigens meistens gerade herausgekommen. Einige Male gewann ich den Einsatz, andere Male 15,- RM, 30,- RM und 38,- RM.

Es fällt mir übrigens noch ein, dass ich auch noch andere Briefe postlagernd in Heidenheim erhalten habe. Als ich mich, noch in der Armaturenfabrik Heidenheim beschäftigt, schon mit dem Gedanken trug, in einiger Zeit nach München zu übersiedeln, dachte ich daran, dass ich unter Umständen durch das Arbeitsamt bei der Aufgabe meiner Stellung in Heidenheim Schwierigkeiten bekommen könnte. Es ist ja heute so, dass man nicht mehr ohne weiteres irgendwo anders Arbeit nehmen kann, wenn man will. Ich habe deshalb seinerzeit und nur aus diesen Gründen brieflich bei den "Münchener Neuesten Nachrichten" eine Heiratsanzeige des Inhalts aufgegeben, dass ein "Herr Fräulein oder Witwe mit eigener Wohnung suche". Ich dachte nicht daran, tatsächlich zu heiraten oder gar eine Braut etwa später mit in die Schweiz zu nehmen. Ich wollte lediglich, falls ich Schwierigkeiten beim Arbeitsamt wegen meines Umzugs nach München bekommen sollte, irgendeinen Brief vorzeigen können, aus dem hervorgegangen wäre, dass ich mich in München mit einer Frau zu verheiraten gedenke, die dort eine Wohnung hat, in der wir beide wohnen können.

Ich erhielt seinerzeit tatsächlich zwei Briefe, die unter Chiffre bei der Zeitung eingegangen waren. Vorsorglich habe ich auf beide Briefe geantwortet.

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Beide Frauen, deren Namen ich bestimmt nicht mehr weiß, schrieben mir zurück. Ich antwortete aber dann nicht mehr, weil ich inzwischen erfahren hatte, dass mir bei dem beabsichtigten Umzug nach München keine Schwierigkeiten gemacht würden und damit die Sache für mich bedeutungslos war. Der Briefwechsel erfolgte meinerseits unter der Adresse: Georg Elser, postlagernd Heidenheim. Auch ein Brief der Anzeigenabteilung der Zeitung ging in dieser Sache unter der Postlageradresse bei mir ein.

[Karl Kuch]

Sonstige Sendungen außer den oben genannten habe ich nie, weder in Heidenheim, noch sonst irgendwo postlagernd erhalten. Wenn ich in diesem Zusammenhang danach gefragt werde, ob ich einen gewissen Kuch in Königsbronn gekannt hätte, so kann ich nur sagen, dass er mir nur dem Namen nach und von seinem Autounfall her, bei dem er glaublich mit seiner Frau zusammen tödlich verunglückt ist, bekannt war. Ich glaube nicht, dass ich ihn jemals gesehen hatte. Gesprochen hatte ich jedenfalls mit ihm nie.

Vom Postamt Heidenheim wurden mir später keine Briefe nachgesandt. Ich hätte auch gar nicht gewusst, von wem, denn in der Klassenlotterie spielte ich nicht mehr, und Frau Härlen hatte ich von meinem Umzug nach München mit der Angabe der dortigen Adresse verständigt. Was ich der Frau Härlen seinerzeit über den Grund der Übersiedlung nach München gesagt habe, fällt mir nicht ein. Den

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wahren Grund jedenfalls nicht.

In Stuttgart habe ich mich am 6. und 7.11.1939, wie bereits angegeben, bei meiner Schwester Maria aufgehalten. Die Angaben, die ich über diesen Besuch bereits im Zusammenhang mit den Angaben über die Beziehungen zu meinen Geschwistern gemacht habe, sind mir noch erinnerlich und entsprechen den Tatsachen. Diese Angaben wurden mir soeben vorgelesen. Ich halte sie auch heute noch aufrecht. Mehr habe ich diesen nicht hinzuzufügen.

[München (7.-8. November 1939)]

Wie bereits erwähnt, hatte ich den Entschluss, nochmals nach München zurückzufahren, bereits einige Tage früher, nämlich schon in München, ehe ich nach Stuttgart fuhr, gefasst. Ich wollte unter allen Umständen, nachdem ich mit dem Einbau der Uhr so spät, nämlich 2 Tage später als ich ursprünglich geglaubt hatte, fertig geworden war, noch einmal nachsehen, ob die Uhr nicht vielleicht doch stehen geblieben war. Nach dem Aufstellen der Uhren hatte ich ja am 6.11.1939, nachdem ich sie wieder in Gang gesetzt und gerichtet hatte, nur noch eine halbe Stunde Zeit, ehe ich den Saal des Bürgerbräukellers wieder verlassen musste. Ich wollte aber sicher gehen und bin deswegen nochmals nach München gefahren.

Um die Fahrt nach München antreten zu können, bat ich meine Schwester Maria am 7.11. um Überlassung von 15,- RM, worauf sie mir 30,- RM geschenkt hat. Von meinen ganzen Ersparnissen hatte ich zu dieser Zeit

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nur noch 10,- RM. Diese waren bei meinem Münchener Aufenthalt durch die Lebenshaltung und die Anschaffung der Gegenstände für meinen Apparat bis auf die 10,- RM restlos aufgegangen. Verdienst hatte ich in München keinen. Mit Ausnahme des Trinkgeldes von Frau Baumann erhielt ich von niemandem irgendwelche Zuwendungen. Solche wurden mir auch von niemandem in Aussicht gestellt.

Ich fuhr am 7.11.1939 gegen 16 Uhr mit dem Schnellzug von Stuttgart nach München, wo ich gegen 21 oder 21 Uhr 30 im Hauptbahnhof ankam. Ich trug auch die gleiche Kleidung wie auf der Fahrt nach Stuttgart. Ich war allein und habe keinerlei Reisebekanntschaften gemacht. Ich führte lediglich eine Beißzange, das Kippmesser und die Sachen, die bei meiner Festnahme vorgefunden wurden, bei mir. Diese Sachen hatte ich in den Taschen meiner Kleidung verborgen. Ferner hatte ich noch ein Paket, in dem sich ungefähr ein halbes Pfund Wurst befand. Vom Hauptbahnhof München aus begab ich mich direkt zum Bürgerbräukeller. Ich bin dorthin mit der Straßenbahn gefahren. Es war ungefähr 22 Uhr, als ich dort eingetroffen bin. Durch den Haupteingang in der Rosenheimer Straße ging ich durch den Garderobenraum in den Saal, der leer und nicht beleuchtet war. Ich bemerkte nicht, dass

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ich dabei von irgendjemand beobachtet worden wäre. Ich habe niemanden gesehen. Die Saaltür war nicht versperrt. Im Saal begab ich mich sofort auf die Galerie und horchte an der Türe der Säule, ob die Uhrwerke sich noch im Gang befinden. Das Ticken der Uhren konnte ich dadurch, dass ich mein Ohr an die Tür gepresst hatte, ganz leise hören. Darauf öffnete ich mit dem Kippmesser die Türen, öffnete die Tür zu dem Uhrgehäuse und vergewisserte mich mit meiner Taschenuhr, ob die Uhrwerke nicht vor- oder nachgehen. Die Uhr ging richtig. Ich hatte also an den Werken nichts zu richten. Daraufhin verschloss ich beide Türen und die Nacht verbrachte ich wieder in meinem alten Versteck. Während dieser Nacht hat eine Kontrolle des Saales durch irgendeine Person nicht stattgefunden. Nach dem Aufsperren der Saaltüren, das ich durch die Aufsperrgeräusche vernehmen konnte, habe ich am 8.11.1939 gegen 6 Uhr 30 den Saal durch den seitlichen Notausgang bei der Küche verlassen. Ich habe mich durch die Kellerstraße wieder in das Innere der Stadt begeben, trank am Kiosk am Isartor 2 Tassen Kaffee und begab mich darauf in die Türkenstraße zu dem Schreinermeister Brög, von dem ich mich nochmals verabschieden wollte. Es war dies gegen 8 Uhr früh. Nachdem Schreinermeister Brög nicht

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zu Hause war, ging ich zu meiner ehemaligen Hausfrau Lehmann und erkundigte mich dort, ob noch Post für mich eingegangen war. Dies war nicht der Fall. Über den Zweck meines Aufenthaltes in München wurde dabei nichts gesprochen. Ich glaube auch nicht, dass ich ihr über meine Reiseabsichten irgendetwas gesagt habe. Von der Frau Lehmann aus begab ich mich direkt zum Hauptbahnhof München, wo ich mir eine Fahrkarte 3. Klasse für die Strecke München-Ulm-Friedrichshafen-Konstanz löste. Die Fahrt kostete ungefähr 11,- RM. Bis Ulm bin ich im Personenzug gefahren, ab Ulm habe ich den Schnellzug benutzt. Die Abfahrt war in München gegen 10 Uhr erfolgt. Irgendwelche Bekanntschaften habe ich auch an diesem Tage nicht gemacht.

[Friedrichshafen und Konstanz (8. November 1939)]

Etwa um 18 Uhr kam ich auf dem Hauptbahnhof Friedrichshafen an. Bis zum Abgang des Anschlussdampfers nach Konstanz hatte ich dort dreiviertel Stunden Aufenthalt. In der Zwischenzeit suchte ich einen Friseur auf, um mich dort rasieren zu lassen. Ich begab mich vom Hauptbahnhof rechts die Straße entlang und fand in der ersten oder zweiten Quergasse rechts, etwa 60 m von der Hauptstraße entfernt, einen Friseurladen. Dort habe ich mich rasieren lassen. Da außer mir noch einige Kunden in dem Laden waren, kam ich erst nach

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einer halben Stunde wieder raus. Von da ging ich direkt zum Hafenbahnhof zurück und fuhr mit dem Dampfer weiter nach Konstanz. Weder im Zug noch auf dem Dampfer habe ich Reisebekanntschaften gemacht. Auch während meines Aufenthaltes in Friedrichshafen habe ich keine Bekannten getroffen und mich mit niemand unterhalten.

Etwa um 21 Uhr kam der Dampfer, der wegen Nebels Verspätung hatte, in Konstanz an. Ich wollte, ohne irgendwelchen Aufenthalt zu nehmen, auf dem möglichst direkten Wege die Grenze nach der Schweiz überschreiten.

In diesem Zusammenhang muss ich erwähnen, was ich früher bei meiner Vernehmung nicht gesagt hatte, dass ich im Herbst 1938, kurz nach dem Entschluss zur Tat, bereits einmal von Königsbronn aus direkt nach Konstanz und wieder zurück nach Königsbronn nur zu dem Zwecke gefahren war, um festzustellen, ob die Grenze etwa stärker besetzt sei wie in jenen Jahren, in denen ich in Konstanz gelebt habe. Wenn ich gefragt werde, ob ich meinen Entschluss aufgegeben oder trotzdem die Tat ausgeführt hätte, falls ich die Grenze so stark besetzt gefunden hätte, dass mir ein illegaler Übertritt fast unmöglich erschienen wäre, so kann ich diese Frage nicht beantworten, d. h., ich weiß das nicht,

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was ich dann gemacht hätte. Tatsächlich beobachtete ich aber im Herbst 1938, dass die Grenze nicht stärker besetzt war wie in den Jahren 1925 bis 1930.

[Verhaftung an der Grenze zur Schweiz]

Auf meiner Flucht habe ich von der Dampfer-Anlegestelle aus folgenden Weg genommen: Marktstätte, Rosengartenstraße, vorbei an der Dreifaltigkeitskirche zum Bodanplatz, dann weiter durch die Hüetlingstraße, Kreuzlingerstraße, Schwedenschanze, Wesenberggarten. Irgendwelche Hindernisse hatte ich auf diesem Wege nicht zu überwinden. Beim Eingang von der Schwedenschanze aus in den Wesenberggarten habe ich ein kleines Gartentor, das aber nicht versperrt war, durchschritten. Als ich in diesem Garten auf der Höhe des Wesenberghauses war, wurde ich angerufen, habe daraufhin auch sofort gehalten und wurde dann von einem Beamten, der mir zuerst alles abnahm, was ich in der Tasche hatte, in ein Dienstzimmer verbracht, wo ich festgenommen wurde.

Wenn ich gefragt werde, was mein erster Gedanke in diesem Augenblick war, so muss ich zugeben, dass ich mich im ersten Augenblick über mich selbst und meinen Leichtsinn geärgert habe. Ich dachte, wäre ich doch nicht einfach so darauf zugelaufen, sondern hätte ich doch wenigstens zuerst genau Umschau gehalten, ehe ich

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auf die Grenze zuging.

Welches meine weiteren Gedanken waren, weiß ich wirklich nicht mehr.

Die bereits erwähnten Zünderteile, die ich bei meiner Festnahme in der Tasche hatte, waren wirklich nur zufällig darin. Ich hatte sie in München einmal in der Tasche meines blauen Arbeitsanzuges gefunden, wo sie offenbar noch ohne mein Wissen seit meiner Beschäftigung in der Armaturenfabrik Heidenheim sich befanden. Ich habe diese kleinen Teile damals in die Tasche meines Anzuges gesteckt, in der Absicht, sie wegzuwerfen. Bei meiner letzten Abreise aus München dachte ich noch daran, sie in die Isar zu werfen, vergaß dies aber und wollte sie dann in den Bodensee werfen. Aber auch dort hatte ich dies vergessen und so befanden sie sich noch in meiner Tasche.

Die Beißzange, die bei mir gefunden wurde, hatte ich mit voller Absicht zu mir gesteckt, um etwaige Stacheldrahthindernisse an der Grenze durchschneiden zu können.

Vermerk:

Bezüglich der Notizblätter wird auf die bereits gemachten Angaben verwiesen. Diese Angaben wurden dem E. nochmals vorgelesen.

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Er gibt an:

Ich erkenne diese Angaben, die mir eben verlesen worden sind, auch heute noch als richtig an.

Das RFB-Abzeichen, das ich bei meiner Festnahme unter dem Rockaufschlag angesteckt trug, stammt aus der Zeit meiner Zugehörigkeit zum RFB. während meiner Konstanzer Zeit. (Fiebig, der mich damals in den RFB. gebracht hat, ist übrigens vor 1930 schon verstorben.) Das Abzeichen befand sich offenbar seit jener Zeit, ohne dass ich es zwischendurch gesehen hatte, bei meinen alten Sachen. Erst beim Aufräumen in München habe ich es wieder gefunden. Wenn ich gefragt werde, warum ich es nicht weggeworfen habe, so erinnere ich mich, gedacht zu haben "das steckst aus alter Erinnerung an". Ob dies bereits kurz vor dem 6. November oder erst am 8.11.1939 war, weiß ich nicht mehr bestimmt. Es muss aber eigentlich in den letzten Tagen vor dem 6.11.1939 gewesen sein, denn am 8.11.1939 hatte ich ja bereits meine Sachen, außer dem, was ich über die Grenze nehmen wollte, nicht mehr bei mir. Irgendwelchen bestimmten Zweck, etwa der besseren Aufnahme in der Schweiz, verfolgte ich mit dem Anstecken des Abzeichens nicht.

Seit meiner Festnahme bis heute habe ich an Flucht nicht gedacht, ich hielt dies für aussichts-

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los. Ich gebe allerdings zu, dass ich in München in der Zelle die Gitterstäbe angesehen habe, aber ernstliche Fluchtgedanken hatte ich dort auch nicht.

Auch Selbstmordgedanken hatte ich bis heute keine und habe auch im Augenblick keine.

C) Einstellung zur Tat

Frage: "Was haben Sie gedacht, als Sie in der Nacht vom 7. auf 8. November zum letzten Mal Ihr Werk in Augenschein genommen und die Türen verschlossen haben?"
Antwort: "Da kann ich mich nicht mehr daran erinnern."
Frage: "Wie hatten Sie sich damals die Auswirkungen des Anschlags vorgestellt?"
Antwort: "Das hatte ich mir schon vorher einige Male überlegt."
Frage: "Dachten Sie daran, dass eine Reihe von Personen getötet werden könnten?"
Antwort: "Ja."

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Frage: "Wollten Sie das? Und wen wollten Sie treffen?"
Antwort: "Ja. Ich wollte die Führung treffen."
Frage: "Blieb in Ihnen dieser Wille während der ganzen Ausführung bzw. Vorbereitung der Tat bestehen, oder kamen Ihnen zwischendurch auch Zweifel über ihre Handlungsweise?"
Antwort: (Nach langem Überlegen.) "Das weiß ich nicht mehr, ob mir einmal Zweifel kamen oder nicht. Ich glaube aber, es kamen mir keine."

[8 Menschen getötet]

Frage: "Wie stellen Sie sich heute zu dem, was Sie getan haben, nachdem Sie, obwohl Ihr Plan fehlschlug, 8 Menschen getötet haben?"
Antwort: "Ich würde das nie mehr tun."
Vorhalt: "Das ist keine Antwort auf meine Frage."
Antwort: "Der Zweck ist nicht erreicht."

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Frage: "Ist es Ihnen denn gleichgültig, ob Sie 8 Menschen vom Leben zum Tode gebracht haben?"
Antwort: "Nein, das ist mir nicht gleichgültig."
Frage: "Was würden Sie machen, wenn Sie heute aus irgendeinem Grunde freigelassen würden?"
Antwort: "Ich würde versuchen, wieder gut zu machen, das, was ich Schlechtes getan habe."
Frage: "Wodurch und wie?"
Antwort: "Indem ich mich bemühen würde, mich in die Volksgemeinschaft zu finden und mitzuarbeiten."
Frage: "Könnten Sie das?"
Antwort: "Ich habe meine Absicht geändert."
Frage: "Dadurch, dass Sie festgenommen worden sind?"
Antwort: "Nein, ich glaube bestimmt, dass mein Plan gelungen wäre, wenn meine Auffassung richtig

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gewesen wäre. Nachdem er nicht gelungen ist, bin ich überzeugt, dass es nicht gelingen sollte und dass meine Ansicht falsch war."

Selbst gelesen, genehmigt und unterschrieben:

gez. Georg Elser.

Geschlossen:

gez. Kappler. gez. Schmidt. gez. Seibold.
Kriminalkommissare.


Quelle: Bundesarchiv Berlin


Zum ersten Tag: Verhörprotokoll 19.11.1939

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