Georg Elser: Berliner Verhörprotokoll
2.Tag – Montag, 20. November 1939

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Fortsetzung der Vernehmung am 20.11.1939 um 10 Uhr.

Wie ich gestern angegeben habe, bin ich Anfang 1930 in der Uhrenfabrikation in Meersburg als Schreinergeselle eingetreten. Inhaber dieser Fabrikation war der frühere Teilhaber der Oberrheinischen Uhrenfabrikation in Konstanz Rothmund. Es wurden dort die Gehäuse für Tischuhren hergestellt, ferner auch die Gehäuse für Küchenuhren. Die Werke für diese Uhren wurden von auswärts bezogen, woher, weiß ich nicht. Den Einbau der Uhrenwerke in die Gehäuse hat Rothmund mit seinem Bruder vorgenommen. Die Fabrikation war in der Werkstätte des Glasermeisters Wilhelm Matthes in Meersburg untergebracht. Neben Rothmund und seinem Bruder waren dort noch 5 Arbeiter und eine Frau beschäftigt. Hiervon waren bereits zwei Arbeiter in der Uhrenfabrikation in Konstanz früher tätig. Die Namen der Arbeiter und der Frau sind mir nicht mehr erinnerlich. Ich hatte bei Rothmund die Bretter zur Herstellung der Gehäuse auszuschneiden und die Uhrengehäuse zusammenzusetzen. Mit mir hat noch ein Mann zusammengeschafft, der früher Glasergeselle und, glaube ich, bei Matthes beschäftigt war. Der Name dieses Mannes ist mir heute ebenfalls nicht mehr bekannt. Ich wurde

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dort tarifmäßig entlohnt.

Bis zum Frühjahr 1932 war ich noch in Konstanz, zuletzt dort, Fürstenbergstraße 1 bei Niedermann wohnhaft. Ich fuhr täglich bis zu dieser Zeit mit der Fähre in der Frühe von Konstanz nach Meersburg und abends nach Arbeitsschluss wieder von Meersburg nach Konstanz zurück. Es wurde in der Uhrenfabrikation in Meersburg von 7-12 Uhr und von 13 - gegen 18 Uhr gearbeitet. Das Mittagessen nahm ich hier und da in der Werkstatt und hier und da in der Wirtschaft "Hirsch" in Meersburg ein. Von den bei Rothmund beschäftigten Arbeitern war die Frau und noch ein Arbeitskamerad ebenfalls in Konstanz wohnhaft; diese haben ebenfalls die Fähre von und nach Konstanz benutzt. Bei diesen Fahrten war ich größtenteils in Gesellschaft dieser beiden.

Zu dieser Zeit hatte ich mit der Hilda Lang, wohnhaft in Konstanz, Hussenstraße Nr. unbekannt, ein Verhältnis unterhalten. Die Freizeit brachte ich größtenteils bei Lang zu. Für diese habe ich auch in der Freizeit ein Nähtischchen und verschieden kleine Möbelstücke angefertigt. Weitere Bekanntschaften mit Frauenspersonen hatte ich seinerzeit nicht. Auch hatte ich damals keinerlei Freundschaften mit Arbeits-

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kameraden oder sonstigen Personen geschlossen. Ich war seinerzeit stets mit der Lang allein.

Im Frühjahr 1932 wurde ich mit 4 weiteren Arbeitskameraden von Rothmund entlassen. Soviel ich mich entsinne, wurde seinerzeit von Rothmund ein Vergleichsverfahren eingeleitet. Die bei ihm beschäftigte Frau und der Schreinergeselle aus Konstanz waren bereits einige Zeit vorher aus einem mir unbekannten Grunde entlassen worden. Ich vermute, dass dies auf einen schlechten Geschäftsgang zurückzuführen war. Über die weitere Tätigkeit des Rothmund bin ich nicht unterrichtet.

[Schreinergeselle bei Zimmermann in Meersburg (Frühjahr - Mai 1932)]

Ich habe mich bald darauf in Meersburg nach Arbeit umgesehen und schließlich, die genaue Zeit kann ich nicht mehr angeben, bei einem Zimmermann in Meersburg, Name nicht mehr erinnerlich, dessen Werkstätte sich neben der Werkstätte des Glasermeisters Matthes befand, Arbeit gefunden. Bei diesem Zimmermann war ich schätzungsweise 4 bis 5 Wochen beschäftigt. Ich hatte dort in der Hauptsache Türrahmen und Türen für Wohnungsneubauten anzufertigen. Diese Arbeiten wurden von mir selbständig verrichtet. Die Entlohnung war ebenfalls tarifmäßig. Ich war dort der einzige Arbeiter. Nachdem dieser Zimmermann keinerlei Aufträge mehr erhielt und keine Arbeit für

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mich mehr hatte, wurde ich nach 4-5 Wochen entlassen. Es war dies ungefähr im Mai 1932.

[Meersburg (Mai - August 1932)]

Nachdem ich trotz meiner Bemühungen keinen neuen Arbeitsplatz mehr finden konnte, habe ich mein Zimmer in Konstanz aufgegeben und bin nach Meersburg umgesiedelt, wo ich bei Leuten gegen Unterkunft und Verpflegung Möbelstücke ausgebessert und kleine Neuanfertigungen gemacht habe.

[Gelegenheitsarbeiten als Schreiner (Mai - August 1932)]

Im Mai, Juni oder Juli 1932 habe ich bei der Familie Dreher in der Kunkelgasse, Hausnummer nicht mehr bekannt, gewohnt. Zu dieser Zeit habe ich für die Witwe Becker, die im Anwesen des Glasermeisters Matthes wohnhaft ist, gearbeitet. Ich hatte dort einen Sekretär zu reparieren und einen Tisch anzufertigen. An weitere Arbeiten bei Frau Becker kann ich mich zurzeit nicht erinnern. Von Frau Becker, die eine gute Bekannte der Familie Dreher war, habe ich damals die Verpflegung erhalten. Für das Übernachten musste ich bei Dreher nichts bezahlen. Anschließend hatte ich für eine Familie Heidorfer, die ebenfalls gute Bekannte der Familie Dreher waren, die Wohnung ist mir nicht mehr erinnerlich. Schränke zu reparieren. Die Wohnung, d. h. das Zimmer hatte ich damals noch bei Dreher inne, von Familie Heidorfer wurde ich seinerzeit verpflegt. Es fällt mir ein, dass ich auch für

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eine Familie Obser einen Schrank zu der gleichen Zeit reparieren musste. Auch bei der Familie Dreher hatte ich einen alten Schrank aufzurichten. Ende Juli oder Anfang August 1932 hatte ich bei Schnell eine Schlafstelle bezogen, wo ich deren Schlafzimmer zu richten hatte. Das Zimmer bei Dreher hatte ich lediglich deshalb aufgegeben, da mir Frau Schnell bei ihr eine Schlafstelle zur Verfügung gestellt hat. Ich hatte dort ein eigenes kleines Zimmer. Diese Arbeit bei Frau Schnell dauerte ungefähr bis Mitte August 1932. Wie bereits erwähnt, wurden mir von diesen sämtlichen Personen in der Hauptsache nur Verpflegung und Unterkunft kostenlos gewährt. Ich erhielt lediglich für diese Gelegenheitsarbeiten eine kleine finanzielle Entschädigung, deren Höhe ich aber nicht mehr angeben kann. Mit weiteren Personen kam ich damals nicht in Verbindung. Die Freizeit verbrachte ich auch seinerzeit in der Hauptsache mit der Lang, die ich einige Male in Konstanz aufgesucht habe. Auch wurde ich hier und da von Lang in Meersburg besucht. Mit Dannecker hatte ich keine Verbindung mehr.

[Königsbronn (August 1932 - Mai 1939)]

Mitte August 1932 fuhr ich dann von Meersburg nach Hause. Um einen weiteren Arbeitsplatz in Meersburg hatte ich mich nicht mehr gekümmert. Ich hatte bereits glaublich

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im Mai 1932 den Entschluss gefasst, zu meinen Eltern zu fahren, nachdem mir damals meine Mutter schriftlich mitgeteilt hatte, dass mein Vater immer mehr und mehr saufe und dass er einen Acker um den anderen verkaufe, um seine Schulden zu bezahlen, die vom Holzhandel und von den ewigen Saufereien herrührten. Von meinem Kommen erwartete meine Mutter eine Besserung in dem Verhalten meines Vaters. Ich bin seinerzeit mit der Bahn nach Königsbronn zu meinen Eltern gefahren. Dort hatte ich mit meinem Bruder ein Zimmer inne. Über die Rückkehr waren meine Mutter und mein Bruder sehr erfreut. Mein Vater hat diese Rückkehr mit Gleichgültigkeit hingenommen. Ich musste feststellen, dass meine Eltern durch den Holzhandel meines Vaters stark verschuldet waren. Die Höhe der Schulden kann ich nicht angeben. Die Schulden sind insbesondere darauf zurückzuführen, dass mein Vater Holz zu hoch eingesteigert hat und dieses nur mit Verlust wieder weiterverkaufen konnte. Durch meinen Onkel Eugen Elser in Königsbronn habe ich erfahren, dass mein Vater bei den Holzversteigerungen stets unter Alkoholeinfluss gestanden und nur deshalb hohe Preise geboten hat. Mein Vater hat fast täglich in Königsbronn und Umgebung, wo er geschäftlich zu tun hatte, Bier und Wein getrunken. Die Mengen kann ich nicht angeben. Ei-

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nen Einfluss konnten weder meine Mutter noch mein Bruder auf ihn ausüben. Mir ist bekannt, dass mein Vater schon in meiner Jugendzeit sehr viel Alkohol zu sich genommen hat. Meine Mutter erledigte nach wie vor die landwirtschaftlichen Arbeiten und mein Bruder war Schreinergeselle bei dem Schreinermeister Sapper in Königsbronn.

[Landwirtschaftsgehilfe bei den Eltern, Schreiner (August 1932 - Frühjahr 1936)]

Ich war wie früher nach meiner Rückkehr nach Königsbronn meiner Mutter bei der Erledigung der landwirtschaftlichen Arbeiten behilflich. Ferner hatte ich mir im elterlichen Anwesen eine kleine Schreinerwerkstätte eingerichtet, wo ich für verschiedene Leute in Königsbronn einzelne Möbelstücke angefertigt habe. Hierzu hatte ich das Werkzeug benutzt, das ich mir früher aus meinem Verdienst angeschafft habe. Hier und da war ich ebenfalls wie früher meinem Vater bei den Waldarbeiten, Stangen putzen und absägen, behilflich. Eine Entschädigung erhielt ich hierfür nicht. Ich habe zu Hause unentgeltlich gewohnt und gegessen.

Die Saufereien meines Vaters nahmen immer mehr zu. Die Folge davon war, dass die Schulden immer höher wurden und dass er immer wieder Acker verkaufen musste, um seinen Verpflichtungen nachzukommen. Ich hatte wiederholt versucht, meinen Vater im günstigen Sinne zu beeinflussen, hatte damit aber keinen Erfolg. Mein Vater ließ sich

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von niemandem, auch von mir nicht, etwas sagen. Der Haushalt wurde aus dem Erlös der Ernte bestritten.

Mein Vater kam durchwegs immer sehr spät nach Hause. Wenn er betrunken war, hat er zu Hause stets Krach geschlagen und über mich, meine Mutter und meinen Bruder ohne jede Veranlassung geschimpft. Er erklärte dabei immer, dass wir schuldig seien, dass es immer mehr abwärts gehe. Misshandlungen sind dabei nicht vorgekommen. Auch hat er im Gegensatz zu früher nichts demoliert.

Ende 1935 waren die Schulden bereits so groß, dass mein Vater das Anwesen verkaufen musste. Er hat das Anwesen, das meiner Schätzung nach 10 bis 11000,- RM wert war, mit 6500,- RM an den Viehhändler Maurer in Königsbronn veräußert. Maurer war stets mit meinem Vater in Wirtschaften beisammen, wo sie zusammen getrunken haben. Von dem Erlös des Anwesens erhielt meine Mutter auf Verlangen 2000,- RM. Den Restbetrag verwandte mein Vater zum Bezahlen seiner Schulden und zu weiteren Trinkereien. Das Anwesen wurde dann auch verkauft und von dem Viehhändler Maurer bezogen. Bei dem Verkauf war vereinbart worden, dass ein kleines Zimmer meinem Vater weiterhin zur Verfügung steht. Er hat dies weiter bewohnt. Meine Mutter musste sich nach Schnaitheim zu meiner Schwester Friederike begeben, mein

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Bruder ging damals zum Arbeitsdienst und ich habe mich bei Frau Härlen eingemietet. Das Inventar meiner Werkstätte behielt ich bei mir. Ich hatte dies bei der Härlen im Keller untergestellt. Die Wohnungseinrichtung hat meine Mutter mit nach Schnaitheim genommen. Wir besaßen lediglich noch einen Obstgarten, der heute noch Eigentum meiner Eltern in Königsbronn ist. Was meine Mutter in Schnaitheim gemacht und wovon sie dort gelebt hat, ist mir nicht bekannt.

[Wohnung bei der Familie Härlen in Königsbronn (1936-1937)]

Im elterlichen Anwesen war ich noch bis Frühjahr 1936 wohnhaft. Ich habe dies erst verlassen, nachdem ich von dem neuen Eigentümer Maurer hierzu aufgefordert worden war. Erst dann habe ich mich bei Frau Härlen in Königsbronn eingemietet. Meine Mutter hatte ungefähr ein Vierteljahr vorher sich nach Schnaitheim begeben. Ich fertigte nach wie vor bis zu dieser Zeit für Leute in Königsbronn Möbelstücke an. Mein Vater hat nach wie vor in dem Anwesen gewohnt.

[Schreinergeselle bei Friedrich Grupp in Königsbronn (Frühjahr - Herbst 1936)]

Nachdem ich das Anwesen verlassen musste und keine Gelegenheitsarbeiten mehr verrichten konnte, bin ich anschließend bei dem Schreinermeister Grupp in Königsbronn in Arbeit getreten. Ich wurde dort als Schreinergeselle eingestellt, ferner waren dort noch ein Geselle und ein Lehrbub beschäftigt. Auch bei Grupp

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hatte ich Wohnungseinrichtungen anzufertigen. Ich hatte dort einen Stundenlohn von 0,55 RM. Es wurde täglich von 7-12 und von 13-18 Uhr gearbeitet. Die Freizeit vertrieb ich mir seinerzeit in der Hauptsache mit Musizieren.

[Musizieren: Flöte, Ziehharmonika, Zither, Streichbass]

Ich bin von Natur aus musikalisch veranlagt, schon während meiner Schulzeit habe ich Flöte und Ziehharmonika gespielt. Nach meiner Schulzeit habe ich nur mehr Ziehharmonika gespielt. In kleineren Gesellschaften habe ich für musikalische Unterhaltung gesorgt. So habe ich etwa im Jahre 1924 in Ochsenberg bei Königsbronn in einer Tanzstunde Ziehharmonika gespielt. Eine besondere Fertigkeit hatte ich nicht. Ich war, wie man so sagt. Durchschnittsspieler. Gespielt habe ich nur nach Gehör. Noten habe ich seinerzeit nicht gekannt, d. h. nicht mehr, als ich von der Schule her noch wusste. Die Ziehharmonika habe ich Anfang 1927, bevor ich von Königsbronn wegging, an einen Bekannten von mir, namens Maurer vom Zaunberg, einem Bauernhof bei Königsbronn, verkauft. Dieses Instrument hatte ich, soviel ich mich noch erinnere, während meiner Tätigkeit als Schreinergeselle zum Preis von etwa 25,- RM von einer Instrumentenfabrik schicken lassen. Das Geld stammt von meinem Lohn, den ich damals zum Teil an meine Mutter abgab, zum anderen Teil für meine persönlichen Bedürfnisse behalten durfte.

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Um welchen Preis ich es wieder verkaufte, weiß ich heute nicht mehr. Ich hatte die Ziehharmonika jedenfalls sehr gut gepflegt.

[Trachtenverein "Oberrheintaler"]

Während meines Aufenthaltes in Konstanz habe ich mir etwa 1926 eine Konzertzither von dem Schreiner Daßler in Konstanz zum Preise von 20,- RM gekauft. Wo Daßler in Konstanz wohnhaft war, weiß ich nicht mehr. Daßler habe ich im Jahre 1926 im Trachtenverein "Oberrheintaler" kennengelernt. Diesem Verein bin ich ebenfalls 1926 als Mitglied beigetreten. Durch irgendwelche Bekannte bin ich nicht auf diesen Verein aufmerksam geworden, sondern, soviel ich mich erinnere, habe ich gelegentlich eines Wirtshausbesuches von dem Bestehen dieses Vereins Kenntnis erhalten. Der Verein hat in jeder Woche am Samstagabend im Gasthaus "Zum Kratzer" in Konstanz seine Übungsabende abgehalten. Geübt wurden Musik und Tanz. Bei diesen Unterhaltungsabenden waren immer auch die Familienangehörigen der Mitglieder und Bekannte derselben anwesend. Die Leitung der Übungsstunden hatte der Vorstand des Trachtenvereins namens Klingler. Wo Klingler in Konstanz gewohnt hat und was er von Beruf war, weiß ich heute nicht mehr. Er hat, soviel ich noch weiß, zweimal seine Wohnung gewechselt. Außer Klingler habe ich im Trachtenverein die Familie Daßler aus Konstanz kennengelernt. Daßlers

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hatten eine Tochter Rosa, mit der ich aber kein Verhältnis hatte. Die Rosa hatte bereits eine Bekanntschaft. Wenn ich noch nach anderen Familien, die ich damals kennengelernt habe, gefragt werde, so kann ich noch nennen Familie Stöhr (Schreibweise des Namens vielleicht auch anders), der glaublich Schriftsetzer war und zwei Mädchen hatte, die damals noch in die Schule gingen. Mit Ausnahme eines gewissen Keuterer (?) kann ich mich an weitere Familien, die seinerzeit im Trachtenverein verkehrten und die ich kennengelernt habe, dem Namen nach nicht erinnern.

Es ist nicht so, dass ich der Mädchen wegen dem Trachtenverein beigetreten wäre. Mädels kann man ja auch irgendwo anders finden. Irgendein engeres Verhältnis mit Mädchen aus dem Verein hatte ich nicht. Es kam natürlich vor, dass man auf dem Heimweg mal die eine oder andere küsste.

In Konstanz nahm ich bereits aus reinem Interesse an der Musik und besonders am Zitherspiel Privatstunden, um dieses Instrument zu erlernen. Ich ging zu einem Musiklehrer, der, wenn ich mich nicht täusche, Hardegen oder so ähnlich hieß, bezahlte für Alleinstunden 1,50 RM und habe bei ihm vielleicht 25-30 Stunden genommen. Dann habe ich den Lehrer gewechselt. Warum ich dies getan habe,

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weiß ich heute nicht mehr genau. Ich habe jedenfalls von da ab meine Zitherstunden beim Vorstand des Zitherclubs, Stössel, genommen. Es kann sein, dass ich in dem Augenblick gewechselt habe, als ich in den Zitherclub eingetreten war. Auch bei Stössel, bei dem die Stunde 2,- RM kostete, habe ich ungefähr 25-30 Stunden genommen. Dann habe ich, trotzdem ich weiter im Zitherclub blieb, keine Stunden mehr genommen, da es mir um das Geld war.

So ist es verständlich, dass ich vielleicht Anfang 1933 in Königsbronn in den Zitherclub eingetreten bin. Ich suchte von den häuslichen Verhältnissen Ablenkung in der Musik. Vorstand dieses Musikvereins war der Eisengießer Heinrich Hiermann. Der Klub setzte sich erst aus 12 und später aus 8 Mitgliedern zusammen. Es waren dies: Schlosser oder Dreher Fritz Huber aus Königsbronn, damals etwa 24 oder 25 Jahre alt, dann Georg Elser, ein weitläufiger Verwandter von mir, Schlosser von Königsbronn, dann mein Bruder Leonhard, Anton Egetemeier, Schneider von Königsbronn, weiter Paul Huber, ein Bruder des vorgenannten Fritz Huber, ferner zwei Brüder Staudelmeier, Vornamen sind mir nicht erinnerlich, außerdem 3 Fräulein: Hartmann, Vorname nicht mehr erinnerlich und zwei weitere Damen, deren Namen ich nicht

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mehr weiß. Soviel ich weiß, war dieser Zitherclub bei der Polizei in Königsbronn angemeldet. Die Klubabende fanden wöchentlich am Freitag oder Samstag in der Gastwirtschaft "Hecht" in Königsbronn statt. Diese wurden im Nebenzimmer der bezeichneten Wirtschaft abgehalten. An den Klubabenden wurde lediglich musiziert. Hier und da wurden im Hösselsaal in Königsbronn von diesem Klub Konzert- und Tanzabende veranstaltet. An diesen Veranstaltungen und Klubabenden habe ich mich regelmäßig beteiligt. Die Konzertzither befand sich bei Georg Schmauder, Schnaitheim, Benzstr. 18. Ich habe sie dort zur Aufbewahrung übergeben. Den Streichbass habe ich im Frühjahr 1939 in Schnaitheim an einen vom Sehen Bekannten für 80,- RM verkauft. Der Verkauf ist deshalb erfolgt, weil ich für diesen Streichbass keine Verwendung mehr hatte. Den Streichbass hatte ich mir aus meinen Ersparnissen im Jahre 1934 in Schwenningen oder sonst von irgendeiner Musikhandlung - Näheres kann ich zur Zeit nicht angeben - angeschafft, nachdem um diese Zeit der Zitherclub Tanzmusik veranstaltet hat, zu welcher der Bassbenötigt wurde. Unterricht im Streichbassspielen wurde mir von einem Ohnewald in Heidenheim erteilt. Der Vorname und die Wohnung dieses 0hnewald ist mir nicht mehr erinnerlich.

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Dieser Ohnewald ist mir von einem Mitglied des Zitherclubs als Streichbasslehrer empfohlen worden, wer dies war, ist mir ebenfalls nicht mehr bekannt.

Bei dem Schreinermeister Grupp war ich bis Herbst 1936 in Arbeit. Er hatte im Frühjahr 1936 für die Wehrmacht Schreibtische anzufertigen, die zu einer bestimmten Zeit geliefert werden mussten. Aus diesem Grunde hat mich Grupp damals auch angegangen, bei ihm in Arbeit zu treten. Nach Abschluss dieser Lieferung war ich dort mit der Anfertigung von Wohnungseinrichtungen und Einsetzen von Fensterrahmen in einem Umbau beschäftigt. Im Herbst 1936 habe ich bei Grupp selbst gekündigt, nachdem mir einesteils die Entlohnung zu gering war, andernteils er mich immer belehren wollte, obwohl er nicht die Fähigkeiten wie ich besaß. Ich bin im Guten von Grupp geschieden. Ich habe deshalb bei Grupp gekündigt aus den angegebenen Gründen, weil ich der bestimmten Ansicht war, dass ich bald wieder Arbeit finde.

[Elsa Härlen]

Zunächst habe ich im Keller meiner Hausfrau Härlen eine notdürftige Werkstatt mit meinem Material eingerichtet, wo ich im Auftrage der Frau Greta Rose eine Puppenstube und für die Hausfrau Härlen Küchenstühle angefertigt habe. Der Auftrag zur Anfertigung des Küchenschrankes und der Küchenstühle war mir von Frau Härlen

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bereits zu der Zeit erteilt worden, wo ich noch bei Grupp in Arbeit stand. Für die Puppenstube habe ich ungefähr 5,- RM erhalten. Die Anfertigungskosten für die Stühle der Frau Härlen wurden als Miete verrechnet. Der Küchenschrank wurde von mir nicht mehr fertiggestellt, nachdem die Fertigstellung von dem Ehemann der Frau Härlen im Dezember 1936 aus einem mir unbekannten Grunde abgelehnt wurde. Mit Frau Härlen habe ich seit Frühjahr 1936 ein Liebesverhältnis unterhalten, ob ihr Ehemann damals hiervon Kenntnis hatte, ist mir nicht bekannt. Die Ehe der Eheleute Härlen wurde im Herbst 1938 aus diesem Grunde geschieden. Ich selbst war Zeuge vor Gericht und habe, ebenso wie die Frau Härlen, die Aussage verweigert.

[Hilfsarbeiter bei der Armaturenfabrik Heidenheim (Dezember 1936 - März 1939)]

Am 29.12.1936 trat ich bei der Firma Waldenmaier, Armaturenfabrik, in Heidenheim als Hilfsarbeiter ein. Dorthin kam ich durch Vermittlung des ebenfalls dort tätigen Vorarbeiters Wilhelm Hermann, der damals in Itzelberg bei Königsbronn wohnhaft war und den ich Mitte Dezember 1936 in der Gastwirtschaft "Rössl" in Königsbronn getroffen hatte. Hermann war mir durch seinen öfteren Aufenthalt in Königsbronn persönlich bekannt. Ich habe ihm während der Unterhaltung

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meine damaligen Verhältnisse mitgeteilt, und er machte mir seinerzeit den Vorschlag, in dem Armaturenwerk in Heidenheim als Hilfsarbeiter einzutreten. Ob ich mich seinerzeit vorher schon nach einer Arbeitsstelle als gelernter Schreiner umgesehen habe, weiß ich nicht mehr genau. Ich glaube aber, ich hatte nichts Derartiges gefunden, und so habe ich die Hilfsarbeiterstelle angenommen. Soviel ich mich erinnere, hatte mir Hermann angeboten, sich bei seiner Firma, bei der er Vorarbeiter war, zu erkundigen, ob etwas frei sei. Nach einigen Tagen gab er mir zusagenden Bescheid, ich solle mich vorstellen. Ich bin entweder mit dem Zug oder mit dem Rad nach Heidenheim gefahren, habe mich vorgestellt und konnte ein oder zwei Tage später als Hilfsarbeiter dort in der Gussputzerei, in welcher Hermann auch tätig war, anfangen. Ich sollte, wie mir gesagt worden war, nicht lange die schmutzige Arbeit eines Gussputzers versehen, sondern bald eine andere schönere Arbeit verrichten dürfen. Tatsächlich musste ich auch nur ungefähr ein halbes Jahr, also bis Sommer 1937, diese Arbeit tun. Dann kam ich in die Versandabteilung, wo ich besonders mit Prüfen der Materialeingänge auf ihre Vollständigkeit usw. beschäftigt war. Diese Tätigkeit übte ich bis März 1939 aus.

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[Wohnung bei den Eltern in der Wiesenstraße 4 in Königsbronn (1937-1939)]

Solange ich bei der Firma Waldenmaier in Heidenheim geschafft habe, habe ich immer in Königsbronn gewohnt. Zuerst bis Frühjahr 1937 noch bei Frau Härlen, bis mir der Mann dann, wahrscheinlich nachdem er erfahren hatte, wie ich mit seiner Frau stehe, gekündigt hat. Anschließend bin ich zu meinen Eltern gegangen, die in der Zwischenzeit die Hälfte eines Doppelhauses, das allerdings viel kleiner war als unser früheres Haus, gekauft hatten. Im elterlichen Haus blieb ich dann in einer Dachkammer wohnen bis Mai 1939, als ich nach Schnaitheim ging. Auch meine Werkstatt, die ich mir im Hause Härlen provisorisch eingerichtet hatte, habe ich dort mitgenommen und in einem Souterrain-Raum meines elterlichen Hauses wieder provisorisch eingerichtet.

Nach Heidenheim zur Arbeitsstelle bin ich täglich bei schönem Wetter mit dem Fahrrad und bei schlechtem Wetter mit dem Zug gefahren. Abends auf dieselbe Weise zurück. Wenn ich mit dem Fahrrad fuhr, war ich allein. Eine ständige Begleitung hatte ich nicht. Wenn ich mit dem Zug fuhr, sah man allerdings im Eisenbahnwagen täglich fast die gleichen Gesichter, aber besonders angeschlossen habe ich mich an keinen dieser Leute. Auch in der Fabrik habe ich mich in diesem ganzen Jahr

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an keinen Arbeitskollegen näher angeschlossen. Ich war allgemein als ruhig bekannt.

In der Gussputzerei erhielt ich 0,58 RM, später auch 0,62 RM stündlich Lohn. Ich gebe zu, dass ich als gelernter Schreiner irgendwo anders mehr bekommen hätte. Ich hatte aber kein Interesse daran mehr zu verdienen, sondern nur daran, dass mir die Arbeit gefiel. Wenn ich mehr verdient hätte, hätte ich ja doch keinen Nutzen davon gehabt; denn jeder Betrag über 24,- RM Wochenlohn wird mir ja doch zur Bezahlung der Alimente gepfändet.

[Maria Schmauder]

Meine Freizeit verbrachte ich teils dadurch, dass ich nach wie vor musizierte. Der Zitherverein bestand immer noch. Teils war ich auch damit beschäftigt, in der Werkstätte zu Hause eine Schatulle, die viel Arbeit machte, anzufertigen. Diese fertigte ich für eine gewisse Maria Schmauder aus Schnaitheim, die ich in der Fabrik kennengelernt hatte. Die Bekanntschaft mit Maria Schmauder stammt aus der Zeit, in der Frau Härlen noch in Königsbronn wohnte. Anfänglich kam ich mit der Maria allerdings wenig zusammen, später etwas mehr und als ich dann in Schnaitheim wohnte, natürlich oft. Im Sommer 1937 ist die Frau Härlen, die sich inzwischen vor der offiziellen Scheidung schon von ihrem Mann

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getrennt hatte, zuerst in ihre Heimat Jebenhausen bei Göppingen, dann nach Esslingen verzogen, wo sie heute noch in einer Wollfabrik tätig ist und in einem Fabrikheim wohnt. Das Verhältnis mit der Maria Schmauder war nicht sehr eng. Wir haben uns gut verstanden, haben uns auch mal geküsst, sind aber bis heute per Sie. Geschlechtsverkehr hatte ich mit ihr nie.

So verlief das ganze Jahr 1937 und ein großer Teil des Jahres 1938, ohne dass sich in meinem Leben etwas änderte oder ereignete. - In der Versandabteilung bei Waldenmaier war mir in meiner Tätigkeit außer dem Betriebsleiter Körner niemand überstellt. Mir waren noch zwei Leute beigegeben. Bei dem einen dieser beiden handelte es sich um einen älteren verheirateten Mann namens Staud. Bei dem anderen handelt es sich um einen ein bis zwei Jahre jüngeren wie ich, dessen Name mir im Augenblick nicht einfällt. Es ist derjenige, an den ich im Dezember 1938 oder Januar 1939 mein Fahrrad um 16,- RM verkauft habe. Mit diesen beiden kam ich gut aus. Hier und da hat noch einer der Arbeiter aus den Werkstätten in der Versandabteilung mitgeholfen, nämlich dann, wenn dessen Maschine für kurze Zeit defekt war.

Wirtschaften habe ich zu der Zeit nur zum Zwecke der Einnahme des Mittagessens auf-

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gesucht. Von 1937 bis Anfang 1938 nahm ich das Essen in der Wirtschaft "Zum Schlachthof" in Heidenheim ein. Ich hatte dort einen bestimmten Platz, ursprünglich befand sich dieser an dem Tisch am Eingang rechts und später habe ich diesen an den Tisch an der hinteren rechten Ecke verlegt. Tischgenossen waren Arbeiter aus dem Armaturenwerk, die ich nicht dem Namen nach, sondern nur vom Sehen her kannte. Die Platzverlegung ist lediglich deshalb erfolgt, weil mein Platz am Tische rechts des Einganges oft bei meinem Eintreffen besetzt war. Abends bin ich nie in dieser Wirtschaft verkehrt. Ab Anfang Januar nahm ich mein Mittagessen in der Wirtschaft "König Karl". Der Lokalwechsel ist lediglich deshalb erfolgt, weil ich ein Verlangen nach besserem Essen hatte, auch war die Auswahl in der Wirtschaft "König Karl" größer als in der Wirtschaft "Zum Schlachthof". Einen bestimmten Platz hatte ich in der Wirtschaft "König Karl" nicht. An Unterhaltungen in den Wirtschaften während der Einnahme des Mittagessens habe ich mich nur selten beteiligt. Diese Wirtschaft hatte ich hier und da auch abends aufgesucht, um dort mein Abendbrot zu mir zu nehmen, ehe ich nach Hause fuhr. Außer der Wirtschaft "Hecht", in der die Klubabende des Zitherclubs in Königsbronn stattfanden, habe ich

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abends weder in Heidenheim, Königsbronn noch sonst irgendwo Gaststätten aufgesucht.

[Sonderabteilung bei der Armaturenfabrik Heidenheim]

Zu meiner Tätigkeit in der Armaturenfabrik in Heidenheim habe ich noch folgendes nachzutragen:

In dem Armaturenwerk in Heidenheim bestand schon bei meinem Eintritt in dieses Werk eine so genannte "Sonder-Abteilung", in der Pulverkörner gepresst und Geschosszünder hergestellt wurden. Leiter dieser Sonderabteilung ist meines Wissens der Betriebsleiter Koch. Wieviel Arbeiter in der Sonderabteilung beschäftigt sind, ist mir nicht bekannt. Die Belegschaft des Armaturenwerkes besteht aus ungefähr 1000 Mann. Das Pulver wird in einem Gebäude außerhalb der Fabrik gepresst. Das Gebäude, in dem die Geschosszünder hergesellt werden, befindet sich innerhalb der Fabrikanlage. Für diese Sonderabteilung gingen im Armaturenwerk oftmals Proben und Muster von Zündern und Zünderteilen ein, die von mir für die Firma in Empfang genommen und an die einzelnen Meister in der Sonderabteilung nach Kontrolle der Sendung weitergegeben wurden. Der Eingang und die Richtigkeit dieser Sendungen wurde von mir in der Versandabteilung gebucht. Die Abgabe an die einzelnen Meister wurde nicht verbucht, das heißt, dies ist erst ab

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Herbst 1938 erfolgt. In der Zünderabteilung waren damals als Meister ein Neuer, ein Schütz, Bauder jun. und sen. und der Sohn des Betriebsleiters Koch beschäftigt.

Die Meister Neuer und Schütz waren in der Abteilung der Sonderabteilung beschäftigt, wo die Zünder zusammengesetzt wurden. An Neuer hatte ich die eingegangenen Gewindeschrauben, Pappringe und Zelluloselack abzuliefern. Es handelte sich dabei nicht nur um eingegangene Muster, sondern auch um bestelltes Material, das dort benötigt wurde. An Meister Schütz hatte ich Bandfedern, Nadelstücke, Schlitzmuttern, Zündnadeln, Holzstößel, Federn und Bolzen abzugeben. Auch hier handelte es sich nicht nur um Muster, sondern auch um bestelltes Material. Die Meister Bauder. jun. und sen. und Koch waren im Automatensaal und in der Revolverdreherei. Diesen hatte ich lediglich Werkzeuge, Maschinenersatzteile und dergleichen, die von dort bestellt und auf Grund der Bestellung eingegangen waren, auszuhändigen. In der Abteilung Pulverpresse hatte ich die eingegangenen Kisten und Tonnen, die Pulver enthielten, an einen Arbeiter abzuliefern. Der Name dieses Arbeiters ist mir augenblicklich nicht bekannt. Ein Meister war dort nicht vorhanden.

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Von dort habe ich auch leere Kisten und Tonnen wieder in die Versandabteilung mitzunehmen gehabt. Diese leeren Kisten und Tonnen wurden von mir in einen Raum im Erdgeschoss gebracht, wo sie von einem Arbeiter in Empfang genommen wurden. Bei der Aushändigung des eingegangenen bestellten Materials waren auch die beiden mir zugeteilten Gehilfen behilflich.

Mit den oben angeführten Meistern oder einem Arbeiter, der in der Sonderabteilung beschäftigt war, war ich nicht befreundet noch näher bekannt. Ich kannte diese Leute lediglich vom Sehen. Mir hat in der Sonderabteilung auch niemand gezeigt, wie Zünder zusammengesetzt und zusammengebaut werden. Auch habe ich nie zugesehen, wie derartige Zünder zusammengebaut wurden. Dies war von der Betriebsleitung aus verboten. Ich hatte in der Sonderabteilung lediglich das eingegangene Material abzuliefern und mich sofort wieder zu entfernen.

Bei meinem Eintritt in die Armaturenfabrik in Heidenheim war mir nicht bekannt, dass dort eine derartige Sonderabteilung besteht. Darüber hat mir auch Hermann keinerlei Mitteilungen gemacht. Von den Arbeiten der Sonderabteilung hatte ich das erste Mal Kenntnis erhalten, als ich noch in der Gussputze-

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rei beschäftigt war. Ich habe seinerzeit beobachtet, wie im Hof der Fabrik auf einem Handwagen sog. Rohlinge, das sind Rohpressteile für Zündköpfe, von einer Abteilung in die andere befördert wurden. Diese Teile sah ich damals zum ersten Mal. Ob ich seinerzeit gefragt habe und mir dann erklärt wurde, zu welchem Zweck diese Rohlinge verwendet wurden, oder ob ich selbst nach einiger Zeit darauf gekommen bin, weiß ich heute nicht mehr. Weiterhin habe ich mich um die Arbeiten der Sonderabteilung, solange ich in der Gussputzerei beschäftigt war, nicht mehr erkundigt. Erst durch meine Tätigkeit in der Versandabteilung habe ich die Einzelheiten über die Arbeiten der Sonderabteilung erfahren. In die Versandabteilung bin ich ohne mein Zutun und ohne Fürsprache einer anderen Person durch die Betriebsleitung versetzt worden.

Obwohl ich nicht zusehen durfte, wie Zünder montiert worden sind, habe ich doch verschiedene Einzelteile, die durch meine Finger gegangen sind, so z.B. die Nadeln für die Zündung, gesehen und außerdem auch öfter Zeichnungen in Händen gehabt, auf denen die genauen Maße für die Kontrollehren angegeben waren. Zeichnungen eines fertigen oder halbfertigen Zünders habe ich nie gesehen, ebenso wenig solche von bestimmten Einzeltei-

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len. Wie ein Zünder funktioniert, habe ich seinerzeit nicht erfahren und weiß es bis heute noch nicht. Das ist doch sicher kompliziert.

Bis zum Entschluss zu meiner Tat im Herbst 1938 habe ich in der Fabrik weder Teile noch Pulver entwendet.

Die in unserer Fabrik aufgestellten Pulverpressen verarbeiteten sowohl bei uns eingehendes gekörntes Pulver in gepresste Pulverplatten für unseren eigenen Bedarf zur Herstellung der Zünder, als auch anscheinend für andere Fabriken. Es war wenigstens so, dass bei uns viel mehr gekörntes Pulver einkam, als wir verarbeiteten, und gepresstes Pulver wieder von uns an verschiedene Stellen abgegeben wurde.

Bis zum Sommer 1937 war in der Versandabteilung der Armaturenwerke meines Wissens nur ein Mann mit 2 und später 3 bis 4 Gehilfen für den Ein- und Ausgang vorhanden. Nachdem sich das Werk vergrößert und die Ein- und Ausgänge sich dadurch vermehrt haben, konnten diese Arbeiten von dem bisherigen Personal allein nicht mehr erledigt werden. Es wurde deshalb die Verantwortlichkeit für den Ein- und Ausgang getrennt. Die Eingänge hatte ich mit meinem bereits genannten Gehilfen zu bearbeiten, die Ausgänge wurden

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von dem bisherigen Leiter der Versandabteilung namens Koch erledigt. Die Namen seiner Gehilfen fallen mir augenblicklich nicht ein. Mit Koch stand ich nur in geschäftlicher Verbindung, befreundet war ich mit ihm nicht.

Den Entschluss zu meiner Tat fasste ich im Herbst 1938.

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Während meines ganzen Lebens habe ich nicht viel gelesen. Romane, sogen. Heftchen mit Jugenderzählungen und andere Bücher, habe ich überhaupt noch nicht gelesen. Einmal habe ich einen Zeitungsroman halb gelesen. Dann wurde es mir zu dumm. An technischer Literatur habe ich nur die Bau- und Möbelschreinerzeitung gelesen.

[Gesundheitszustand]

Bezüglich meiner Krankheiten, Verletzungen und meines allgemeinen Gesundheitszustandes usw. befragt, gebe ich folgendes an:

Im Alter von ungefähr 5 oder 6 Jahren, jedenfalls vor dem Besuch der Schule, hatte ich eine Kinderkrankheit. Ich weiß nicht mehr genau, ob es sich um rote Flecke (Masern) oder Scharlach gehandelt hat. Außerdem war ich als Kind, soviel ich weiß, öfter krank. Ich hatte hauptsächlich und häufig unter Fiebererkrankungen und gelegentlich Haut-

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ausschlägen zu leiden. Auch während der Schulzeit traten dieselben Krankheiten noch auf. Ich weiß nicht, um was es sich hierbei gehandelt hat, ich kann mich nur erinnern, auch häufig Kopfschmerzen gehabt zu haben.

Die Beschwerden, die ich bereits erwähnte, während der Zeit meiner Tätigkeit in der Eisendreherei, äußerten sich ebenfalls hauptsächlich in Kopfschmerzen.

Auch in der späteren Zeit bis heute hatte ich häufiger als andere mit Fiebererkrankungen, die mit Kopfschmerzen verbunden waren, zu tun. Eine ernstliche Erkrankung habe ich jedoch nie durchgemacht. Ich glaube auch, dass ich zurzeit völlig gesund bin. Eine Geschlechtskrankheit oder irgendwelche Anzeichen dafür habe ich an mir noch nie beobachtet.

Den kleinen Finger meiner rechten Hand habe ich nahezu vollständig als kleiner Junge mit 7 Jahren dadurch verloren, dass ich am Schleifstein meines Vaters diesen Finger zwischen die Zahnräder der Übersetzung brachte. Sonstige ernstliche Verletzungen hatte ich nicht. Eben fällt mir ein: Im Alter von ungefähr 30 Jahren bin ich beim Ausputzen eines Baumes in meinem väterlichen Anwesen herabgestürzt. Dabei habe ich eine Rippe gebrochen. Ins Krankenhaus kam ich damals nicht. Weitere Verletzungen habe ich bei diesem Un-

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fall auch nicht erlitten. Ein anderer Fall: Im Frühjahr 1939 (vielleicht Mai) ist mir im Steinbruch ein großer Stein auf den Fuß gefallen. Dies führte zu einem Bruch des linken Vorderfußes. Ich war 9 Wochen krank geschrieben und stand so lange in ärztlicher Behandlung. Ins Krankenhaus kam ich nicht.

Ob von meinen Großeltern oder sonstigen Verwandten jemand durch eine besondere Krankheit gestorben ist oder Selbstmord verübt hat, ist mir nicht bekannt. Ich habe nichts davon gehört.

Abgesehen vom gelegentlichen, aber seltenen kleinen Biernippen am Glas meines Vaters in früherer Jugend, habe ich mein erstes Glas Bier, vielleicht im Alter von 10 Jahren, getrunken. Dies kam aber bis zum 16. oder 17. Lebensjahr recht selten vor. In meinem ganzen Leben war ich überhaupt nur vielleicht dreimal betrunken. Nicht einmal, wenn ich regelmäßig in der Werkstatt gearbeitet habe, habe ich täglich Bier getrunken. Mehr als 6 Glas Bier habe ich noch nie auf einmal getrunken. Mit diesem Quantum habe ich bereits einen Rausch. Wein oder Schnaps habe ich überhaupt ganz selten getrunken. Vielleicht mit 24 Jahren habe ich angefangen zu rauchen. Nach 2 Jahren wurde ich aber wieder Nichtraucher. In dieser

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Zeit habe ich etwa in der Woche 20 Zigaretten geraucht. Seitdem habe ich überhaupt nicht mehr geraucht. Irgendwelche anderen Rauschmittel, die mir genannt werden, kenne ich nicht.

Sexualleben

Die erste Kenntnis von den Zeugungsvorgängen erhielt ich, nach meiner Erinnerung, durch einen Schulkameraden vermittelt. Bis zu meinem 22. Lebensjahr hatte ich aber keinerlei geschlechtliches Verhältnis. Der Begriff Onanie ist mir nur in der Theorie bekannt. Irgendwelche Versuche geschlechtlicher Art habe ich nie unternommen. Während meines Aufenthaltes in Konstanz pflegte ich den ersten Geschlechtsverkehr mit einer gewissen Brunhilde, von der mir nur noch der Vorname in Erinnerung ist. Auch meine weiteren Erlebnisse auf diesem Gebiet fallen in den Aufenthalt in Konstanz. Der Brunhilde folgten eine gewisse Anna, dann die Mathilde Niedermann, dann die Hilda Lang und dann später während meines Aufenthalts in Königsbronn meine dortige Hausfrau Härlen, die heute, wie bereits erwähnt, in Esslingen wohnt.

Mit den übrigen Mädchen, mit denen ich gelegentlich ein Verhältnis unterhielt, hatte ich keinen Geschlechtsverkehr.

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[Sohn Manfred]

Der Verkehr mit der Mathilde Niedermann hatte Folgen. Es wurde uns seinerzeit, als sie glaubte, dass sie im zweiten Schwangerschaftsmonat sei, eine Adresse in Genf genannt, wo dies beseitigt werden würde. (Die Adresse fällt mir nicht mehr ein.) Wir fuhren gemeinsam, d. h. Mathilde und ich, nach Genf. Mathilde wurde untersucht und es wurde festgestellt, dass sie bereits im vierten Monat war und ein Eingriff nicht mehr gemacht werden könne. Diese Untersuchung hat damals eine Frau vorgenommen. Wir mussten dafür nichts bezahlen. Eine Nacht blieben wir in Genf und fuhren am nächsten Tag nach Konstanz zurück. Die Reisekosten habe ich getragen. Das Kind wurde geboren. Es ist ein Knabe, Manfred. Mathilde Niedermann hat sich später verheiratet. Wie sie heute heißt, weiß ich nicht. Für Alimentenzahlungen werden mir wöchentlich die Überschüsse meines Wochenlohnes, sobald sie 24 Mark überschreiten, abgezogen. Das Kind Manfred habe ich bis zum Alter von etwa einem halben Jahr öfter gesehen, seither aber nicht mehr. Ich hatte immer die Absicht, den Knaben einmal später zu mir zu nehmen bzw. meine Mutter.

Irgendwelche perverse Formen des Geschlechtsverkehrs sind mir nicht einmal theoretisch bekannt.

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Vermerk:

Die Niederschrift dieses Abschnittes der Vernehmung wurde aus der volkstümlichen Ausdrucksweise des Beschuldigten übernommen.

Religiöses Leben

Meine Mutter ist streng religiös, mein Vater viel weniger. Beide sind, ebenso wie ich und alle Geschwister, protestantisch. In der ganzen Verwandtschaft bei uns ist niemand evangelischer Geistlicher. Meine Mutter hat mit mir als Kind immer gebetet. Als ich etwas größer wurde, habe ich das von mir aus fortgesetzt, und zwar habe ich nicht immer, aber oft vor dem Einschlafen das Vaterunser gebetet. Persönlich, d. h. aus freiem Herzen und in selbstgewählten Worten habe ich nie zu Gott gebetet. Meine Tat bzw. den Wunsch eines Gelingens derselben habe ich nie mit in mein Gebet aufgenommen. Als Kind wurde ich von meinen Eltern gelegentlich sonntags mit in die Kirche genommen, später bin ich manches Mal allein gegangen, aber schließlich immer seltener. Erst im Laufe dieses Jahres ging ich wieder öfter in die Kirche, nämlich bis heute vielleicht seit Jahresbeginn ungefähr 30 mal. Ich bin in letzter Zeit auch öfter werktags in eine katholische Kirche gegan-

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gen, wenn gerade keine evangelische Kirche da warum dort mein Vaterunser zu beten. Es spielt meines Erachtens keine Rolle, ob man dies in einer evangelischen oder katholischen Kirche tut. Ich gebe zu, dass diese häufigen Kirchenbesuche und dieses häufige Beten insofern mit meiner Tat, die mich innerlich beschäftigte, in Zusammenhang stand, als ich bestimmt nicht soviel gebetet hätte, wenn ich die Tat nicht vorbereitet bzw. geplant hätte. Es ist schon so, dass ich nach einem Gebet immer wieder etwas beruhigter war.

Wenn ich gefragt werde, ob ich die von mir begangene Tat als Sünde im Sinne der protestantischen Lehre betrachte, so möchte ich sagen, "im tieferen Sinne, nein!".

[Größeres Blutvergießen verhindern]

Ich glaube an ein Weiterleben der Seele nach dem Tode und ich glaubte auch, dass ich einmal in den Himmel kommen würde, wenn ich noch Gelegenheit gehabt hätte, durch mein ferneres Leben zu beweisen, dass ich Gutes wollte. Ich wollte ja auch durch meine Tat ein noch größeres Blutvergießen verhindern.

Persönliche Bekanntschaft mit einem evangelischen Geistlichen pflegte ich nie. Selbst mit unserem Pfarrer in Königsbronn, der mich konfirmiert hat, stand ich nachher in keinerlei Fühlung. Wir haben uns auch nie

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geschrieben.

Mit guten Katholiken hatte ich, außer der bereits erwähnten Hilda Lang in Konstanz, mit der ich allerdings während der Zeit unserer Bekanntschaft öfter in die katholische Kirche ging, keinen engen Kontakt. Meine späteren Besuche in katholischen Kirchen waren von niemand angeregt.

Bibelforscher und andere Sekten kenne ich nur dem Namen nach. Soviel ich weiß, geht meine Mutter neben der Kirche noch in eine Betstunde. Ich war aber nie mit und weiß auch nichts Näheres davon.

Politischer Lebenslauf

Meine Eltern waren und sind vollkommen unpolitisch. Ich erinnere mich, dass mein Vater zu irgendwelchen Wahlen nur ging, wenn man ihn geholt hat. Was er gewählt hat, weiß ich nicht. Als ich in das wahlberechtigte Alter kam, hat er mich jedenfalls nicht irgendwie beeinflusst. Ich glaube, meine Mutter ist wohl zur Wahl gegangen, hat aber nie etwas gesagt, wem sie ihre Stimme gegeben hat.

Mein Vater gehörte weder einer Partei noch irgendeinem Verein an. Ich kann mich auch gar nicht erinnern, dass ich einmal meinen Vater politisieren gehört hätte. Früher hatten meine Eltern auf den "Grenzboten",

[Die Seitennummer 79 wurde offensichtlich aus Irrtum übersprungen]

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unser Heimatblatt, abonniert. Diese Zeitung existiert heute noch. Seit Jahren wird aber in meinem Elternhaus keine Zeitung mehr gelesen. Ich glaube des Geldes wegen.

Ich selbst habe außer der bereits erwähnten Möbel- und Bauschreinerzeitung bis jetzt noch nicht eine Zeitung regelmäßig gelesen. Überall, wo ich gerade hinkam, in Gasthäusern usw., habe ich eben das gelesen, was gerade da war. Die "Schwäbische Tagwacht" (Württembergische Sozialdemokratische Zeitung) ist mir wohl noch dem Namen nach in Erinnerung, in meiner Heimat gab es sie, ich selbst habe sie aber nie gelesen. An den Namen "Süddeutsche Arbeiterzeitung" (KPD) kann ich mich nicht erinnern.

Persönlich bin ich nie politisch hervorgetreten. Nach Erreichung des wahlberechtigten Alters habe ich immer die Liste der KPD gewählt, weil ich dachte, das ist eine Arbeiterpartei, die sich sicher für die Arbeiter einsetzt. Mitglied dieser Partei bin ich jedoch nie gewesen, weil ich dachte, es genüge, wenn ich meine Stimme abgebe. An irgendwelchen Aktionen, wie Flugblattverteilung, Zettelwerfen, Demonstrationszügen und Schmierereien habe ich mich nie beteiligt. Während meiner ganzen beruflichen Tätigkeit

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war ich nie im Betriebsrat tätig. Ich war Mitglied der Gewerkschaft des Holzarbeiterverbandes, weil dies der Verband der Arbeiter meines Berufes war und weil man Mitglied dieses Verbandes sein sollte. Mit Ausnahme einer späteren noch zu schildernden Zeit habe ich auch nie an parteipolitischen Versammlungen teilgenommen.

Im Jahre 1928 oder 1929 bin ich in Konstanz dem RFB. beigetreten. Ich war aber nur zahlendes Mitglied, denn eine Uniform oder irgendeinen Funktionärposten habe ich nie inne gehabt. Insgesamt war ich auch nur dreimal während meiner ganzen RFB.-Mitgliedschaft in einer politischen Versammlung, natürlich der KPD. In den RFB. bin ich durch häufiges Zureden eines Arbeitskameraden namens Fiebig, der damals, ebenso wie ich, in der Uhrenfabrikation in Konstanz arbeitete und mit mir einige Zeit zusammen in der Inselgasse in Konstanz wohnte, eingetreten.

Wenn ich gefragt werde, ob ich gewusst habe, dass die KPD. die Absicht und das Ziel hatte, in Deutschland eine Rätediktatur oder eine Diktatur des Proletariats aufzustellen, so muss ich sagen, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass ich so etwas mal gehört habe. Aber irgendetwas gedacht habe ich mir

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dabei bestimmt nicht. Ich dachte nicht anders, als dass man durch eine Stimmenabgabe die Mandate der Kommunisten verstärken müsse und dass dann so die Partei mehr für die Arbeiterschaft tun könne. Von einem gewaltsamen Umsturz habe ich nie etwas gehört.

Für das Programm der KPD. habe ich mich nie interessiert. Ich kann daher auch nicht angeben, wie sich im Fall des Sieges der KPD. die wirtschaftliche Lage umgestellt hätte. In den Versammlungen ist lediglich davon gesprochen worden, dass mehr Lohn gezahlt werden soll, bessere Wohnungen geschafft werden sollen und solche ähnliche Dinge. Die Aufstellung dieser Forderungen hat für mich genügt, um mich kommunistisch zu orientieren.

Wirtschaftliche Verhältnisse

Meine wirtschaftlichen Verhältnisse sind in Ordnung. Die meiste Zeit meines Lebens hatte ich Arbeit und Verdienst. Vermögen habe ich keines und auch keines zu erwarten, da das Anwesen meiner Eltern stark mit Schulden bedeckt ist. Ich persönlich habe keine Schulden. Vom Amtsgericht Konstanz wurde ich vor ungefähr 9 Jahren zur Bezahlung von monatlich 45.- RM für den Unterhalt meines Sohnes Manfred verurteilt. Diese Zahlung habe ich natürlich

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bis heute nie vollständig leisten können, so dass dadurch eine erhebliche Schuld angewachsen ist. Wie viel sie heute beträgt, will ich gar nicht wissen.

Vorstrafen

Vorbestraft bin ich nicht. Ein Strafverfahren war gegen mich noch nie anhängig.

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Vernehmung wird um 20 Uhr abgebrochen.

gez. Schmidt, gez. Kappler, gez. Seibold.
Kriminalkommissare.


Quelle: Bundesarchiv Berlin


Zum dritten Tag: Verhörprotokoll 21.11.1939

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