Bald nach der Rede hörten wir im Radio einen Mordsknall
Interview mit Hans Elser
Als Mitarbeiter des Georg-Elser-Arbeitskreises hat Hans Elser, gebürtiger Königsbronner, Jahrgang 1921 und pensionierter Rektor der Heidenheimer Bergschule, in einer der Sitzungen ausführlich von seinen Begegnungen und Erfahrungen mit Georg Elser berichtet, was vor allem von den jüngeren Mitgliedern des Arbeitskreises mit großem Interesse aufgenommen wurde. Deshalb haben wir für dieses Buch ein Interview durchgeführt, um die wesentlichen Aussagen Hans Elsers an eine breitere Öffentlichkeit weiterzugeben.Frage: In Königsbronn ist der Name Elser weit verbreitet. Sind Sie mit Georg Elser verwandt?
Hans Elser: Als Kind und Jugendlicher dachte ich, wir hätten nur den gleichen Nachnamen. Erst viel später durch meine Ahnenforschungen erfuhr ich, dass wir tatsächlich sehr weitläufig miteinander verwandt sind.
Frage: Wann haben Sie Georg Elser kennen gelernt? Was für ein Mensch war er?
Hans Elser: Ich lernte Georg Elser im Jahr 1933, als ich 12 Jahre alt war, beim Gesangverein Konkordia in Königsbronn kennen, wo er den Kontrabass spielte; auf dem Jubiläumsbild des Gesangvereins 1934 bin ich zusammen mit meinem Vater Georg Elser und dem späteren Attentäter Georg Elser zu sehen. Zudem spielte Georg Elser zusammen mit meinem Vater im Zitherclub und kam dadurch öfter zu uns nach Hause, wo ich ihn immer als umgänglichen, hilfsbereiten und beliebten Menschen erlebt habe, der mir allerdings ganz unpolitisch erschien.
Frage: Erinnern Sie sich noch an den 8. November 1939?
Hans Elser: Ich gehörte - wie damals üblich - der Hitlerjugend (HJ) an, und zwar der Bann-und-Untergau-Spielschar in Heidenheim, die regelmäßig im Katzental zusammenkam, um dort zu musizieren, Theater zu spielen und Volkstänze einzuüben. Am 8. November 1939 fiel einer unserer Übungsabende mit der Veranstaltung im Münchener Bürgerbräukeller zusammen. Aus diesem Grund haben wir die traditionelle "Führerrede" im Radio abgehört, die sehr kurz ausfiel. Bald nach der Rede hörten wir im Radio einen "Mordsknall", den wir uns aber nicht erklären konnten. Dass ein Attentat stattfand, habe ich am nächsten Tag aus der Zeitung erfahren.
Frage: Konnten Sie sich damals vorstellen, dass ein Königsbronner, den Sie auch noch persönlich kannten, das Attentat verübt hat?
Hans Elser: Nein, ich wusste nicht einmal, dass sich Georg Elser schon monatelang in München aufgehalten hatte. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass der stille und feinfühlige Handwerker so eine Tat begehen konnte.
Frage: Wurden Sie in der Schule behelligt, als Georg Elser sein Geständnis abgelegt hatte?
Hans Elser: Ich war in der Abiturklasse der damaligen Horst-Wessel-Oberschule (heute Hellenstein-Gymnasium) in Heidenheim. Als die Nachricht von Georg Elser bekannt war, nahm mich der Schulleiter Dr. Honold beiseite und fragte mich, ob ich mit dem Attentäter verwandt sei. Da ich - wie erwähnt - damals von der weitläufigen Verwandtschaft nichts wusste, gab sich mein Schulleiter rasch zufrieden.
Frage: Und wie waren die Folgen in Ihrem damaligen Wohnort Königsbronn?
Hans Elser: In unserem Ort war an mehreren Stellen Gestapo einquartiert und hat alle Leute, die möglicherweise mit Georg Elser in Berührung standen, verhört. Die Mutter und der Bruder wurden nach Berlin zitiert zum Verhör beim Reichssicherheitshauptamt; der Steinbruchbesitzer wurde sogar eingesperrt, weil Georg Elser dort Sprengstoff entwendet hatte.
Als mein Vater vom Verhör zurückkam, sagte er: "Bub, sie wollen dich auch sprechen!" Mein Vater schärfte mir ein, dass ich einfach von allem nichts wisse - und ich hatte ja auch tatsächlich keine Ahnung. Beim Verhör im Gasthaus Hirsch wurde mir eine einzige Frage gestellt: "Auf welcher Seite seines Anzugs trug Georg Elser das Parteiabzeichen?" Meine Antwort: "Ich weiß nicht, hatte er überhaupt eins?" Nach dieser mir unerklärlichen Frage wurde ich wieder heimgeschickt. Man kann sagen, dass fast alle Einwohner Königsbronns verhört worden sind.
Frage: Wie haben die Königsbronner auf die Verhöre und Verhaftungen reagiert?
Hans Elser: Auffallend war, dass während der ganzen Nazi-Zeit ganz selten und nur ungern vom Attentat und vom Attentäter gesprochen wurde. Überhaupt liefen die Königsbronner meist mit gesenktem Haupt herum; schließlich nannte man Königsbronn nach Georg Elsers Tat in den umliegenden Orten nur noch "Attentatshausen".