Elser scheint so etwas wie ein zweiter van der Lubbe gewesen zu sein. Einen Schauprozess aufzuziehen, wagten die Nazis nicht;
der Reichstagsbrand-Prozess war ihnen in zu schlechter Erinnerung geblieben.
Elser wurde nach Sachsenhausen, dann nach Dachau ins Konzentrationslager gebracht. Dort blieb er bis 1945. Er war in der Baracke für prominente Häftlinge untergebracht und verfügte über eine Schreinerwerkstatt, wo er sich nach Belieben beschäftigen konnte. So baute er sich auch eine Zither, auf der er stundenlang spielte. Die andern Häftlinge nannten ihn den "Zitherspieler".
Durch einen seltsamen Zufall trafen Best und Stevens im Konzentrationslager ihren "Komplizen" Elser zum erstenmal. Der erzählte ihnen, er habe seine Bombe auf Anstiftung zweier Männer hergestellt, die ihn nächtlicherweise in den Bürgerbräukeller geführt hätten, damit er die Bombe in den von ihnen bestimmten Pfeiler einbauen könne. Auch habe er auf Verlangen seiner "Mittäter" die Bombe mit einem Zeitzünder und einem zweiten, elektrischen Zünder ausgerüstet, der sich durch einen einfachen Schalter am Ende eines langen Drahtes habe betätigen lassen, so dass die Explosion in jedem beliebigen Augenblick habe ausgelöst werden können.
Während nun Elser glaubte, seine Bombe sei unter der Wirkung seines Zeitzünders krepiert, ist es wahrscheinlicher, dass die Explosion durch den zweiten Zünder hervorgerufen wurde, nachdem Hitler und die begleitenden Nazi-Chefs aufgebrochen waren.
Die beiden Unbekannten nahmen Elser - so sein weiterer Bericht - an die Schweizer Grenze mit, wo er von der Gestapo verhaftet wurde. Vorher hatten sie ihm die belastende Postkarte zurückgegeben. Die Einzelheiten dieser Affäre legen den Gedanken nahe, dass das Attentat aus Gründen der Propaganda von der Gestapo organisiert wurde.
Durch die Entführung Bests und Stevens' konnte man für Planung und Ausrührung des Anschlages, die zu kompliziert waren, als dass Elser, ein etwas beschränkter Mensch, für den alleinigen Täter hätte gehalten werden können, den Intelligence Service verantwortlich machen. ...
Best und Stevens wurden in Haft gehalten, bis die amerikanischen Truppen die Lagerinsassen befreiten. Und Elser? Er wurde im April 1945 auf einen Geheimbefehl Himmlers von der Gestapo ermordet; offiziell hieß es, er sei bei einem Luftangriff ums Leben gekommen. Er durfte unter keinen Umständen den Alliierten lebend in die Hände fallen, was ihn fünf Jahre nach dem Attentat noch einmal in seltsamem Licht erscheinen lässt.
Quelle: Jacques Delarue, Histoire de la Gestapo, Paris 1962 (deutsch: Geschichte der Gestapo, Königstein 1964)
Jacques Delarue (*1919) war bis 1952 französischer Polizeibeamter und anschließend freier Schriftsteller.
Sein Standardwerk über die Gestapo erschien in mehreren Sprachen.
Marinus van der Lubbe wurde 1933 als Brandstifter des Reichstags festgenommen und nach einem
öffentlichkeitswirksamen Prozess hingerichtet. Viele glaubten jedoch damals wie heute, dass in Wirklichkeit die Nazis
selbst den Reichstagsbrand inszeniert hatten, um mit diesem angeblich kommunistischen Anschlag die zur Errichtung der
Diktatur geeigneten Gesetzesänderungen begründen und durchsetzen zu können. Delarue bezieht sich auf die
Memoiren von
Sigismund Payne Best,
gibt jedoch dessen frei erfundene Elser-Story in teilweise abgewandelter Form wieder.