Berlin – Der Hitler-Attentäter Georg Elser war verfemt und vergessen. Jetzt illuminiert sein Profil die Wilhelmstraße.
VON BIRGIT WALTER
Nachts leuchtet die Silhouette von Georg Elser. Der Schöpfer Ulrich Klages
behauptet, dass man erkennen kann, wer das sein soll. Foto: dapd
Man muss nur etwas wirklich ganz fest wollen, dann klappt das auch mit der Umsetzung.
Manchmal stimmen solche Binsenweisheiten. Der Dichter Rolf Hochhuth hat über Jahre gekämpft
und geningelt, Politiker genervt, Redaktionen gedrängt, Agenturen getriezt und Balladen geschrieben,
ehe er sich durchsetzen konnte mit seiner Idee vom Denkmal für einen Beinahe-Vergessenen: Gestern
wurde in der Wilhelmstraße ein Denkzeichen für den Hitler-Attentäter Georg Elser eingeweiht.
Er ist vor 72 Jahren, am 8. November 1939, im Münchner Bürgerbräukeller mit einem Anschlag auf
Hitler gescheitert, noch am selben Tag verhaftet und einen Monat vor Kriegsende hingerichtet worden.
Hitler hatte die Veranstaltung unerwartet 13 Minuten früher verlassen als geplant und das Attentat
überlebt. Acht Menschen kamen ums Leben.
Feierliche Eröffnung
Bis in die 1990er-Jahre verschwiegen die großen deutschen Lexika - die ostdeutschen also bis
zum Schluss - jeden Hinweis auf den ersten Hitler-Attentäter. Darüber empört sich Rolf Hochhuth
bis heute, zu Recht. Und zu Recht versucht er diesem Vergessenen und Verfemten eine angemessene
Öffentlichkeit zu verschaffen. Ob dies das richtige Denkmal, ob die Wilhelmstraße der richtige
Ort ist, darüber darf man sehr geteilter Meinung sein, nicht aber über den Mut, die Weitsicht,
die Unerschrockenheit dieses einfachen schwäbischen Tischlers, der Recht und Unrecht unterschied
und mit seinem Sprengsatz den weiteren Krieg verhindern wollte.
Zur feierlichen Eröffnung des Denkmals an der Wilhelmstraße mit so viel Politprominenz, dass
die Stühle nicht reichten, erschien Hochhuth dem Anlass angemessen mit dunklem Anzug, tatsächlich
zugeknöpft, aber doch ohne Mantel. Er nannte dies eine biblische Stunde und ging in seiner Rede
der Frage nach, warum die Deutschen ein so "feindseliges Nichtverhältnis" zu Elser haben.
Möglicherweise habe es mit dem Individualismus des Täters zu tun.
Schon die Nationalsozialisten
hatten sich nicht vorstellen können, dass es sich um die Tat eines Einzelnen handelte und über
Jahre mit allen Mitteln versucht, die "Hintermänner" aus ihm herauszupressen. Niemand konnte
sich vorstellen, dass Elser ein Jahr lang allein an dieser Bombe gebastelt hatte. Um sie zu
platzieren, war er 35 Nächte in der Gaststätte zugange. Seine Bassgeige musste er dafür verkaufen -
solche Einzelheiten weiß der angefeindete Individualist Hochhuth über den angefeindeten
Individualisten Elser, der den Lauf der Weltgeschichte beinahe geändert hätte und dann trotzdem
fast vergessen war.
Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz bezeichnete Elser als "Lichtgestalt in dunklen Zeiten"
und knipste bei diesen Worten das 17 Meter hohe Silhouetten-Denkmal an, denn das leuchtet auch bei
Sonnenschein, nur eben nicht so hell wie bei Nacht. Den Bau hatte das Berliner Abgeordnetenhaus
(Kosten 200.000 Euro zuzüglich 50.000 von einem Mäzen, der nicht genannt sein will) vor zwei Jahren
bewilligt. Jetzt ragt er hoch über die Bäume hinaus und hat mit dem Ort nicht mehr zu tun, als dass
hier in der Nähe einmal die Neue Reichskanzlei stand. Elser kam in Dachau um. Das Elser-Denkmal
in München war immer hoch umstritten, für das Berliner Denkmal aber hat ein öffentliches Preisgericht
einstimmig votiert. Es gibt also Sachverständige, die diese Form von Denkzeichen, wie es offiziell
heißt, passend finden.
Leuchtende Silhouette
Eine leuchtende Silhouette! Ein Kollege fühlt sich an frühe Zigarettenwerbung mit Rauchentwicklung
erinnert. Genau. Auch wenn der Admiralspalast für ein Stück mit Marlene Dietrich werben wollte,
wäre dies passend, aber eine Leuchtsilhouette für einen Widerständler, den die meisten nicht mal
mit Namen kennen? Wer versteht das denn? Der Schöpfer Ulrich Klages erklärt sein Kunstwerk stolz als
"menschliches Zeichen: Jeder, der Elser kennt, wird ihn sofort als Abbild erkennen. Wer nicht,
der informiert sich." Als Abbild erkennen? Jeder? Nach Elser sind heute 40 Straßen, Plätze und Schulen
benannt, aber wer weiß, wie er aussah? Es existieren kaum Fotos von Elser, schon gar nicht im Profil.
Gut, dass es wenigstens eine Info-Tafel gibt.
Quelle: Berliner Zeitung 9.11.2011Georg-Elser-Denkzeichen in Berlin