Quelle: Diana Busch u.a., Ich wollte noch größeres Blutvergießen verhindern - Georg Elser und das Attentat auf Adolf Hitler am 8. November 1939, Berlin 2004 - www.jfe-mahlerstrasse20.de/elser.htm
Ein Film von Diana Busch, Dietlind Engel, Maria Jülisch, Csilla Novoszath, Wanda Thöne, Ernesto Garcia, Rudolf Freundorfer, Andreas Raser, Andrea Scheuring und Freunden & Freundinnen
Charlotte Neumaier stand 1939 kurz vor der Explosion auf der Empore neben der Säule mit der Bombe (rotes Kreuz). Hitlers Rednerpult stand direkt darunter (schwarzes Kreuz).
18 war sie damals und im dritten Jahr Lehrjahr in der Traditionsgaststätte am Gasteig. Fleißig, geschickt und deshalb
schon zur Hilfsköchin aufgestiegen - mit 70 Reichsmark Monatsverdienst. Aber immer noch ein Deandl. die "Lotte vom
Payerl". Andreas Payerl hieß damals der Wirt im Bürgerbräukeller.
Als sich an dem denkwürdigen Abend der Saal füllte, stand die Lotte in der Küche - und wär vor Neugier fast gestorben.
Bis die Chefin ein Einsehen hatte und sie in den Saal ließ: "Ich wollt doch den Hitler und die Reichsführung sehen..."
Und sie durfte. Vom besten Platz aus. Die SS-Leute ließen sie rauf auf den Balkon, direkt bis zu der Säule, unter der Hitler
sprach. Der Säule, in der Elsers Bombe tickte.
Noch heute werden Charlotte Neumaier die Hände feucht, wenn sie daran denkt: "Mei Neugier hätt mir fast das Leben kost'."
Richtig aufgesaugt hat sie die Bilder von damals, vom Führer, der begeisterten Menge - und dem abrupten Aufbruch der NS-Führung.
Kurz nach 21 Uhr. Da wusste auch die Lotte, dass sie rennen muss. Denn nach der Rede wollten die alten Kämpfer essen, da wurde
jede Hand in der Küche gebraucht.
Kaum war die Lotte zurück, explodierte die Bombe. Der Druck war noch in der Küche so groß, dass er die Köchin in den
Speisenaufzug drückte. Geschockt, aber unverletzt rannte sie ins Freie und schrie: "Fliegerbombe, Fliegerbombe!"
Als am nächsten Morgen in der Küche die Aufräumarbeiten begannen, der nächste Schock. Die Küchenmannschaft wurde von
der Gestapo verhaftet. "Wir wurden behandelt wie Schwerbrecher", erinnert sich Charlotte Neumaier.
Einziger Trost: Sie durfte sich die Zelle in der Ettstraße mit ihrer Freundin Hilde Langhammer teilen. Tag um Tag
verging - jeden Morgen wurde Lotte zum Verhör ins Wittelsbacher Palais gebracht. Nur einmal war alles anders. Da
stand ein Auto im Hof, in dem ein Mann saß...
"Mein Gott, den kenn ich doch", schoss es der Lotte durch den Kopf. "Der war doch oft abends bei
mir, am Fensterl zum Straßenverkauf, zum Brotzeitholen.'' Mutig ging das Mädl hin. "Sie? Was ist denn mit
Ihnen?" - "Mei, bei mir ist's schlimm." Der traurige Blick - Charlotte Neumaier wird ihn nie vergessen.
Es ist der Blick von Georg Elser.
Das erfährt sie erst, als sie sein Bild in der Zeitung sieht. Und da wird ihr klar, dass das Auto im Hof
nur eine Falle war. Die Gestapo wollte sehen, wie gut sie sich kannten. Jetzt versteht sie auch,
warum auf den Polizeikarteikarten unter ihrem Namen "Mitwisserin des Attentats" stand. Ganz
kalt war ihr geworden, als sie das las, und dann war die Wut gekommen. Als der SS-General sie aufforderte,
etwas über die Schleichwege in den Bürgerbräukeller zu erzählen, platzte sie los: "Jetzt soll'n mir
Schuld sein. Hätt's Ihr besser aufpasst."
Acht Tage saß Lotte im Gefängnis, dann war sie wieder frei. "Kein Wort durft ich erzählen. Das musste
ich unterschreiben. Und als Entschädigung gab's 200 Mark." Fast drei Monatsgehälter.
Aber das machte die Lotte auch nicht froh. Der Elser geht ihr nicht mehr aus dem Kopf. "Das war so ein
zurückhaltender, stiller, im Anzug..." Und im Bürgerbraukeller war auch nichts mehr, wie es war. Andreas
Payerl verlor seine Lizenz. Wegen Verletzung der Aufsichtspflicht! Und die Lotte? Nach einem halben Jahr wechselte
sie ihre Arbeitsstelle. Jetzt war sie bei Thomas Haustein im Dienst, dem gehörten das Hotel am Bahnhof, das Parkcafé
und das Restaurant im Tierpark.
Quelle: Wolfgang de Ponte, Neben mir tickte Elsers Bombe, tz München 8.11.2004
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